Solvejg Langer, Stuttgart
Wochenbettdepressionen erkennen
Ein kurzzeitiges Stimmungstief innerhalb von 10 Tagen nach der Entbindung, der sogenannte Baby-Blues, ereilt etwa 50 bis 80 % der frischgebackenen Mütter [1]. Dieser ist nicht behandlungsbedürftig und verschwindet in der Regel nach wenigen Stunden oder Tagen wieder.
Anders die postpartale Depression; diese äußert sich in langanhaltenden Symptomen und sollte behandelt werden, weil sie mit erhöhter Morbidität bei Mutter und Kind einhergeht. Die Symptome (z. B. Antriebslosigkeit, Stimmungsschwankungen, Traurigkeit, Konzentrationsschwierigkeiten, Schlafstörung) sind die gleichen wie bei einer Depression, die in jeder anderen Lebenslage auftreten kann.
Postpartale Depressionen werden jedoch häufig nicht diagnostiziert, da die Betroffenen sich schämen und Schuldgefühle darüber empfinden, die Zeit nach der Geburt ihres Kindes nicht als Zeit voller Glück zu empfinden [1]. Körperlich können diese postpartalen Depressionen beispielsweise in Stillproblemen (neben unspezifischen Symptomen wie Kopfschmerzen oder Magen-Darm-Beschwerden) oder Desinteresse gegenüber dem Kind bzw. Vernachlässigung des Neugeborenen resultieren.
Neuer Wirkstoff Brexanolon
Brexanolon ist ein allosterischer Modulator an GABAA-Rezeptoren. Es handelt sich um den Progesteron-Metaboliten Allopregnanolon, der als Einschlusskomplex mit einem Beta-Cyclodextrin in einer wasserlöslichen, infusionsfähigen Form vorliegt. Brexanolon wurde in zwei Phase-III-Studien zur Behandlung moderater bis schwerer postpartaler Depressionen gegen Placebo getestet.
Studiendesign
In die Studien eingeschlossen wurden Frauen zwischen 18 und 45 Jahren mit postpartaler Depression, bei denen die Entbindung maximal sechs Monate zurücklag. Diese mussten mindestens einen HAM-D-17-Gesamtscore (17-item Hamilton Rating Scale for Depression) von 26 in Studie 1 aufweisen bzw. einen Wert von 20 bis 25 in Studie 2. Ausschlusskriterien waren unter anderem Abhängigkeit von einer Dialyse, Anämie sowie einige psychische Erkrankungen (z. B. Schizophrenie, Bipolarstörung)
Die Patientinnen wurden 1 : 1 : 1 (Studie 1; n = 138) bzw. 1 : 1 (Studie 2; n = 108) randomisiert und erhielten eine einzelne Infusion über 60 Stunden:
- 90 μg/kg Brexanolon pro Stunde (BRX90)
- 60 μg/kg Brexanolon pro Stunde (BRX60) (nur in Studie 1)
- Placebo
Danach wurde als primärer Endpunkt die Verbesserung des HAM-D-17-Scores ausgewertet. Es schloss sich ein Follow-up von 30 Tagen an.
Studienergebnisse
In verschiedenen Dosierungen resultierte die Gabe von Brexanolon in einer signifikanten Abnahme des HAM-D-Scores gegenüber Placebo.
In Studie 1 nahm der HAM-D-17-Wert in der BRX60-Gruppe gegenüber Placebo um 5,5 Punkte mehr ab (–19,5 vs. –14 Punkte; 95%-Konfidenzintervall [KI] –8,8 bis –2,2; p = 0,0013). In der BRX90-Gruppe waren es 3,7 Punkte mehr (95%-KI –6,9 bis –0,5; p = 0,0252).
Studie 2 lieferte ähnliche Resultate mit einer Verbesserung des HAM-D-17-Scores um 14,6 Punkte unter BRX90 und 12,1 Punkte unter Placebo (Differenz –2,5; 95%-KI –4,5 bis –0,5; p = 0,0160).
Die Unterschiede seien nicht nur rein statistisch, sondern auch klinisch bedeutsam, so die Studienautoren.
Unerwünschte Ereignisse
Die Rate an Nebenwirkungen insgesamt lag in allen Studienarmen bei rund 50 %. Die häufigsten therapiebedingten Nebenwirkungen waren Kopfschmerzen, Schwindel und Schläfrigkeit. In zwei Brexanolon-Armen trat jeweils ein schweres unerwünschtes Ereignis auf (Studie 1: Suizidgedanken und -versuch; Studie 2: Bewusstseinseintrübungen und Synkopen).
Fazit
Die Autoren resümieren, dass die beiden Studien zu diesem neuen Wirkansatz Wirksamkeit und Sicherheit von Brexanolon bei moderater bis schwerer postpartaler Depression belegen. Unklar sei jedoch, wie gut der Effekt über die Beobachtungszeit von 30 Tagen hinaus noch anhält und wie Brexanolon im Vergleich mit oralen Antidepressiva abschneidet, da dazu die Daten bei postpartaler Depression ebenfalls rar seien.
In den USA ist die Zulassung bereits beantragt und Brexanolon könnte betroffenen Frauen bald zur Verfügung stehen. Das entsprechende Komitee der FDA berät sich dazu im November 2018 [2].
Quelle
Meltzer-Brody A, et al. Brexanolone injection in post-partum depression: two multicentre, double-blind, randomised, placebo-controlled, phase 3 trials. Lancet 2018;392:1058–70.
Literatur
1. Hübner-Liebermann. B, et al. Peripartale Depressionen erkennen und behandeln Dtsch Arztebl Int 2012;109:419–24; DOI: 10.3238/arztebl.2012.0419.
2. https://www.fda.gov/AdvisoryCommittees/Calendar/ucm621762.htm (Zugriff am 12.10.2018).
Psychopharmakotherapie 2018; 25(06):317-322