Martin Bischoff, Planegg
Dass Erwachsene an einer isolierten ADHS leiden, gehört eher zur Ausnahme. Vielmehr geht diese psychiatrische Erkrankung zu etwa 80 % mit Begleiterkrankungen einher, hieß es im Workshop „ADHS und Komorbiditäten“. Zu diesen zählen Persönlichkeitsstörungen (35 %), depressive Störungen/bipolare Störungen (40 %), Angststörungen (20 %) oder Drogensucht (60 %). Der Alkohol- und Drogenmissbrauch liegt bei diesen Patienten um das Drei- bis Vierfache über dem der Allgemeinbevölkerung.
Komorbiditäten können ADHS maskieren
Komorbiditäten können einseitig oder wechselseitig Symptome verstärken oder auch eine ADHS-Symptomatik maskieren, sodass diese als Ursache der psychiatrischen Störung unerkannt bleibt. Diese Gefahr besteht beispielsweise bei Persönlichkeitsstörungen, Depressionen, bipolaren Erkrankungen, Angst- sowie Essstörungen.
Um eine affektive Störung von einer ADHS abzugrenzen, hilft manchmal ein Blick in die Patientengeschichte. Hinweise auf ein frühes ADHS-typisches Verhalten finden sich oft bereits in alten Schulzeugnissen. Affektive Störungen treten dagegen meist episodisch auf. Ein weiterer Hinweis auf eine ADHS-Komorbidität kann sich dann ergeben, wenn sich eine affektive Störung trotz adäquater Behandlung nicht entscheidend verbessert.
Auch Patienten mit ADHS und einer Suchterkrankung werden dem Arzt vorrangig wegen der Suchtproblematik vorgestellt. Signale, die an ADHS als Komorbidität denken lassen, sind ein ungewöhnlich früher Kontakt zu entsprechenden Substanzen bereits im jugendlichen Alter oder auch ein Konsummuster mit ungewöhnlich hohen Dosen.
Methylphenidat lässt sich gut kombinieren
Standard der medikamentösen ADHS-Behandlung ist auch bei Erwachsenen Methylphenidat (MPH). Es kann über die Kernsymptome der ADHS hinaus auch in anderen Bereichen Positives bewirken. Dies gilt unter anderem bei Problemen in der Familie, der Beziehung oder der beruflichen Leistung, bei kognitiven Störungen, Suchterkrankungen und in Bezug auf die Fahrtüchtigkeit.
Alkoholmissbrauch und Cannabiskonsum stellen keine Kontraindikation für die Gabe von MPH dar. Bei Cocain, Amphetaminen oder Opiaten steht jedoch die Entgiftung im Vordergrund. Bei einer depressiven Störung in Verbindung mit ADHS spricht meist nichts dagegen, beide Störungen gleichzeitig zu behandeln. Im Falle einer Manie wird man unter Umständen zuerst diese behandeln, um somit die Therapie der ADHS-Symptomatik erst zu ermöglichen.
MPH lässt sich mit den meisten Medikamenten gut kombinieren, wie im Workshop „Co-Medikation bei ADHS“ ausgeführt wurde. Metformin und MPH etwa sind prinzipiell nicht kontraindiziert. Jedoch kann sich der Glucosestoffwechsel durch die Kombination maßgeblich verändern. Dabei kann es zu Problemen kommen, wenn Patienten die Anzeichen einer beginnenden Hyperglykämie nicht wahrnehmen. In Bezug auf Antidepressiva ist bei den stark serotonergen, breit wirksamen Medikamenten Vorsicht geboten. Alle sympathomimetisch wirkenden Arzneistoffe können durch MPH in ihrem Effekt verstärkt werden, was sich zum Beispiel in Symptomen wie verstärktem Schwitzen äußert.
Quelle
Dr. med. Karsten Herrmann, Winsen, Dr. med. Christian Konkol, Bad Salzuflen, Praxis-Workshops „ADHS im Dialog, 2018“, Berlin, 8. September 2018, veranstaltet von Medice.
Psychopharmakotherapie 2018; 25(06):317-322