Parkinson-Krankheit

Amantadin-Retard lindert Levodopa-induzierte Dyskinesien


Dr. Barbara Kreutzkamp, Hamburg

Amantadin, als Retardformulierung vor dem Schlafengehen gegeben, reduziert Levodopa-induzierte Dyskinesien signifikant besser als Placebo. Auch die Off-Zeiten der Parkinson-Patienten gehen signifikant zurück. Häufige Nebenwirkungen sind optische Halluzinationen, Benommenheit und periphere Ödeme. Diese Ergebnisse einer Phase-III-Studie könnten den Weg für die Zulassung der Amantadin-Retardformulierung in der Indikation Levodopa-induzierte Dyskinesien ebnen.

Dyskinesien unter langjähriger Levodopa-Therapie sind häufig und wirken sich negativ auf die Lebensqualität und Alltagsbewältigung der Parkinson-Patienten aus. Medikamentös lässt sich die Levodopa-induzierte Dyskinesie bisher kaum behandeln. Ein Kandidat für die Indikation LID ist Amantadin. Als sofort freisetzende Formulierung ist der Wirkstoff für die Therapie von motorischen Symptomen der Parkinson-Krankheit und von Parkinsonismus zum Beispiel als Folge einer Antipsychotikatherapie zugelassen. Speziell für die Therapie von Levodopa-induzierten Dyskinesien (LID) bei Parkinson-Patienten wurden unter dem Kürzel ADS-5102 Retardkaspeln mit 274 mg-Amantadinhydrochlorid für die Einnahme zur Nacht entwickelt. Nach Einnahme zur Nacht steigt die Amantadin-Plasmakonzentration zunächst nur langsam, erreicht dann aber am Morgen Spitzenwerte und bleibt während der Tagesaktivitäten mit Plasmakonzentrationen von etwa 1500 ng/ml auf einem stabilen hohen Niveau – ein Niveau, das unter der konventionellen Gabe von zwei- bis dreimal täglich 100 mg Amantadin nicht erreicht wird. In einer Phase-III-Studie wurden Wirksamkeit und Sicherheit der neuen Retardformulierung über drei Monate geprüft.

Methodik

Die kontrollierte Doppelblindstudie wurde von Mai 2014 bis Juli 2015 in 44 nordamerikanischen Zentren durchgeführt. Einbezogen waren Levodopa-therapierte Parkinson-Patienten, die mindestens eine Stunde pro Tag eine belastende Dyskinesie mit einer mindestens leichten funktionellen Beeinträchtigung aufwiesen. In einer 1:1-Randomisierung erhielten sie doppelblind über 25 Wochen entweder 274 mg ADS-5102 oder Placebo jeweils vor dem Schlafengehen.

Primäres Studienziel war die Veränderung (Least-square means) im Gesamtscore der Unified Dyskinesia Rating Scale (UDysRS) von Studienbeginn zur Woche 12 in der modifizierten Intention-to-treat-Population, also bei den Teilnehmern, die die Studienmedikation erhielten und von denen mindestens ein Post-Baseline-Wert der UDysRS vorlag (Amantadin-Retard n=63; Placebo n=58). Als wichtigstes sekundäres Studienziel wurde die Off-Zeit gewählt, definiert als die Zeit, in der die motorischen Störungen sich nicht durch die Parkinson-Medikamente kontrollieren ließen.

Die Studie wurde vom Sponsor vorzeitig beendet, um die Wirksamkeitsdaten termingerecht den Zulassungsbehörden übermitteln zu können. Für die Auswertung sekundärer Endpunkte nach 24 Wochen standen deshalb nur die Daten von 84 Patienten zur Verfügung.

Ergebnisse

Die Ausgangswerte des UDysRS-Scores lagen bei rund 40 von maximal 104 Punkten. In Woche 12 betrug die durchschnittliche Veränderung im Unified Dyskinesia Rating Scale-Score

  • in der Amantadin-Retard-Gruppe –15,9 (Standardfehler [SE] 1,6) und
  • in der Placebo-Gruppe –8,0 (SE 1,6),

entsprechend einer Differenz von –7,9 (95%-KI [Konfidenzintervall] –12,5 bis –3,3; p<0,001). Die Off-Zeit sank in der Interventionsgruppe um durchschnittlich 0,6 (SE 0,3) Stunden, während sie in der Placebo-Gruppe um durchschnittlich 0,3 (SE 0,3) Stunden stieg. Der Off-Zeit-Unterschied von –0,9 Stunden (95%-KI –1,6 bis –0,2) war mit p=0,02 ebenfalls statistisch signifikant. Auch bei anderen sekundären Studienzielen, unter anderem in der Aufrechterhaltung des Therapieeffekts bis zum Studienende, war Amantadin-Retard der Placebo-Gabe überlegen.

Häufigste Nebenwirkungen von ADS-5102 vs. Placebo waren visuelle Halluzinationen (23% vs. 1,7%), periphere Ödeme (23,8% vs. 0%) und Benommenheit (22,2% vs. 0%). Nebenwirkungen führten bei 13 (20,6%) der Patienten der ADS-5102-Gruppe und 4 (6,9%) der Patienten der Placebo-Gruppe zum Abbruch der Behandlung.

Diskussion und Fazit der Autoren

Amantadin, als Retardformulierung vor dem Schlafengehen eingenommen, ist eine wirksame Option für die Reduktion von Levodopa-induzierten Dyskinesien von Parkinson-Patienten. Zusätzlich werden auch die Off-Zeiten etwas verkürzt. Einige Nebenwirkungen wie visuelle Halluzinationen und Benommenheit lassen sich auf die N-Methyl-D-Aspartat-Rezeptor-antagonistischen Effekte von Amantadin zurückführen. Die Ergebnisse der Phase-III-Studie sind belastbar, trotz der vorzeitigen Beendigung der Studie. Diese erfolgte aus rein formalen Gründen, unerwünschte Effekte oder Ähnliches spielten bei der Entscheidung keine Rolle, schreiben die Autoren.

Entwicklungsstand

Die hier besprochende EASE-LID-Studie ist zusammen mit einer weiteren Phase-III-Studie, der Phase-II/III-Studie EASED [1] und einer laufenden Langzeitstudie Basis für den amerikanische Zulassungsantrag für die Amantadin-Retardformulierung, der zurzeit von der FDA geprüft wird [2].

Quelle

Pahwa R, et al. ADS-5102 (Amantadine) extended-release capsules for levodopa-induced dyskinesia in Parkinson Disease (EASE LID Study). A randomized clinical trial. JAMA Neurol, Epub ahead of print 12. Juni 2017.

Literatur

1. Pahwa R, et al. Amantadine extended release for levodopa-induced dyskinesia in Parkinson’s disease (EASED Study). Mov Disord 2015;30:788–95.

2. Adamas Announces Publication of ADS-5102 Phase 3 EASE LID Clinical Trial in JAMA Neurology. http://ir.adamaspharma.com/releasedetail.cfm?releaseid=1029928 (Zugriff am 03.07.2017).

Psychopharmakotherapie 2017; 24(04)