Depression

Online-Psychotherapie: wertvolle Hilfe für Behandler


Reimund Freye, Baden-Baden

Die Major Depression hat längst den Status einer Volkskrankheit erlangt. Neben Psychopharmaka ist die Psychotherapie eine wichtige Säule der Behandlung. Allerdings liegt hierbei eine erhebliche Unterversorgung vor. Diese kann durch die Heranziehung von gut evaluierten Online-Psychotherapie-Angeboten zumindest gelindert werden. Es existieren mittlerweile evidenzgeprüfte Online-Dienste, die der persönliche Psychotherapeut als Unterstützung seiner Arbeit ansehen sollte – und nicht als Konkurrenz. Darüber hinaus ist die Depression auch als häufige Komorbidität – etwa vor dem Hintergrund einer Schizophrenie – mit besonderer Achtsamkeit anzugehen. Dies wurde bei einem von Servier unterstützten Symposium im Rahmen des DGPPN-Kongresses 2016 diskutiert.

Depression und Schizophrenie

Depressive Episoden kommen sehr häufig bei psychotischen Patienten vor. Dies wirkt sich aggravierend auf das Krankheitsbild aus. So wird beispielsweise die Suizidrate um 5 bis 10% erhöht [2]. Zur Erfassung dieser spezifischen Komorbidität bei einer Schizophrenie eignet sich insbesondere die CDSS (Calgary depression scale of schizophrenia), der diesbezüglich auch gegenüber dem Hamilton-Depressionsscore Vorteile aufweist [5].

Keine Verschlechterung der Negativsymptomatik induzieren

Für die medikamentöse Behandlung einer Depression im Kontext einer Schizophrenie gibt es zu den meisten Antidepressiva nur wenig belastbare Daten. Agomelatin (Valdoxan®), der Agonist an melatonergen MT1/MT2-Rezeptoren, erscheint hier besonders geeignet. Neben der Regulation und Synchronisierung zirkadianer Rhythmen ist besonders hinsichtlich der Negativsymptomatik hervorzuheben, dass Agomelatin nicht sedierend wirkt. Zudem sind keine Nebenwirkungen wie Gewichtszunahme oder Beeinträchtigungen der sexuellen Funktion zu befürchten, was gerade in Verbindung mit einer Antipsychotika-Therapie relevant ist.

In einer kleinen Pilotstudie wurde daher Agomelatin bei 27 Patienten in dieser Komorbiditäts-Konstellation getestet. Der antidepressive Effekt, gemessen auf der CDSS, war nach 12 Wochen signifikant; dies traf ebenfalls bei einer Messung mit dem Hamilton-Score zu. Ferner wurde eine deutliche Wirksamkeit in Hinsicht auf die Negativsymptomatik sowie auf die psychosozialen Funktionen festgestellt. Ein Einfluss auf die Positivsymptomatik war nicht feststellbar. Die Verträglichkeit war gut, beispielsweise in Bezug auf die QTc-Zeit und die Transaminasen. Die Schlafqualität zeigte keine objektiven Veränderungen, wurde jedoch subjektiv als signifikant verbessert erlebt. Ferner konnten nach Woche 12 bessere Kognitionswerte (MATRICS Composite Score) gemessen werden, die in einzelnen Testbereichen sogar signifikant waren [1].

Online-Psychotherapie und persönliche Betreuung

Hinsichtlich der Psychotherapie (PT) zur Behandlung der Depression ist eine eklatante Unterversorgung zu konstatieren. Von etwa vier Millionen Menschen in Deutschland, die an Depressionen leiden, ist lediglich jeder Zehnte in Behandlung. Die Wartezeit auf ein therapeutisches Erstgespräch beträgt rund zwölf Wochen, der Zeitraum bis zum Beginn einer PT wird auf gegenwärtig sechs Monate geschätzt.

Vor diesem Hintergrund ist es zu begrüßen, dass Online-Programme bei Depression die PT im direkten persönlichen Kontakt (Face-to-face) unterstützen. In Deutschland dürfen solche Programme rechtlich nur zusammen mit einer Face-to-face-PT eingesetzt werden. Diesbezügliche Untersuchungen belegten auch klar die Überlegenheit einer Anwendung von Online-Hilfen bei einer zusätzlichen persönlichen professionellen PT. Die Effektstärke war in diesem Fall am größten, gefolgt von einer lediglich Administrator-unterstützten Online-PT oder – mit der geringsten Wirkung – einer alleinigen Online-PT [4].

Mittlerweile ist das Angebot an Online-PT sehr groß, weshalb unbedingt auf die Qualität der Online-Dienste zu achten ist. Neben anderen validierten PT-Diensten im Internet darf deprexis®24 als gut geprüftes und mit dem Patienten individual-spezifisch interagierendes Programm angesehen werden [6]. Seine Wirksamkeit wird durch sieben randomisierte kontrollierte Studien untermauert. Es handelt sich um ein CE-zertifiziertes Medizinprodukt, das die Anforderungen gemäß dem Bundesdatenschutzgesetz erfüllt. deprexis®24 basiert im Wesentlichen auf der kognitiven Verhaltenstherapie und umfasst unter anderem kognitive Aspekte der Depression, den Einsatz von Entspannung, körperlicher Aktivität und Lifestyle, bearbeitet mit dem Patienten aber auch Felder wie Träume, belastende Kindheitserfahrungen und frühe Verhaltensschemata. Zusätzlich wird die Stimmung vor jeder Sitzung abgefragt, woraus sich Stimmungsprofile im zeitlichen Verlauf grafisch darstellen lassen. Der Patient kann die Daten für seinen Psychotherapeuten freischalten, sodass sich dieser darauf in den persönlichen Sitzungen beziehen kann.

Online-PT ist Ergänzung, nicht Konkurrenz

Ein Wirksamkeitsnachweis für deprexis®24 war die EVIDENT-Studie, in welcher 1013 Erwachsenen mit milden bis moderaten depressiven Symptomen teilgenommen hatten. Die Probanden erhielten entweder eine alleinige persönliche Standardbehandlung oder diese wurde durch das Online-Programm unterstützt. Als primärer Endpunkt wurde die Verbesserung auf dem PHQ-9 (Patient Health Questionnaire-9) gewählt. Der Ausgangswert lag zwischen 5 und 14 Punkten.

Nach 12 Wochen hatte dieser Score in der deprexis®24-Gruppe um durchschnittlich 1,57 Punkte mehr abgenommen als im Vergleichskollektiv; damit war die Differenz signifikant (p<0,001). Die Wirkung bleibt zudem langfristig erhalten – auch noch nach drei Monaten in der Extensionsphase. Ebenfalls konnten signifikante Vorteile in den sekundären Endpunkten dokumentiert werden; dazu gehörte etwa die Hamilton-Depressions-Skala (p<0,01). Ferner verbesserte sich die Lebensqualität (SF-12) [3].

Die Online-PT sollte als sinnvolle Ergänzung – und nicht als Konkurrenz – zur persönlichen PT angesehen werden. Der Psychotherapeut kann zahlreiche Aufgaben, wie etwa Psychoedukation, an die Online-Hilfe abgeben und sich somit intensiver mit spezifischeren und individuelleren Problemen des Patienten befassen.

Quelle

Prof. Dr. med. Mathias Zink, Ansbach, Priv.-Doz. Dr. phil. Dipl.-Psych. Dipl-Theol. Rita Bauer, Dresden, Satelliten-Symposium „Herausforderung – Therapie der Depression bei Komorbidität“, veranstaltet von Servier im Rahmen des DGPPN Kongresses 2016, Berlin, 24. November 2016.

Literatur

1. Englisch S, et al. Agomelatine for the treatment of major depressive episodes in schizophrenia-spectrum disorders: An open-prospective proof-of-concept study. J Clin Psychopharmacol 2016;36:597–607.

2. Hor K, et al. Suicide and schizophrenia: a systematic review of rates and risk factors. J Psychopharmacol 2010;24(Suppl 4):81–90.

3. Klein JP, et al. Effects of psychological internet intervention in the treatment of mild to severe depressive symptoms: Results of the EVIDENT study, a randomized controlled trial. Psychother Psychosom 2016;85:218–28.

4. Richards D, et al. Computer-based psychological treatments for depression: a systematic review and meta-analysis. Clin Psychol Rev 2012;32:329–42.

5. Schennach R, et al. Evaluating depressive symptoms in schizophrenia: a psychometric comparison of the Calgary Depression Scale for Schizophrenia and the Hamilton Depression Rating Scale. Psychopathology 2012;45:276–85.

6. www.deprexis24.de

Psychopharmakotherapie 2017; 24(03)