Prof. Dr. med. Dipl.-Psych. Gerd Laux, Federführender Herausgeber, Haag i. OB/München
In gesellschaftlicher und (gesundheits-) politischer Hinsicht liegt ein ereignisreiches, spannendes Jahr vor uns – die „Volks-Seele“ ist verunsichert, irritiert, verängstigt … „Burn-out“ und „psychosozialer Stress“ gehören zu den meistzitierten Begriffen, Psychotherapien stehen hoch im Kurs, die Psychopharmakotherapie gilt medial weiterhin als kritisch. Gleichwohl liegen Psychopharmaka in Deutschland auf Platz 2 der meistverordneten Medikamente (Arzneiverordnungs-Report 2016). Daten aus Griechenland zeigten jüngst einen immensen Anstieg des Konsums von Tranquilizern, Antidepressiva, Neuroleptika und Psychostimulanzien …
Für die PPT starten in 2017 zwei neue Serien:
Zum einen – schon länger geplant – beginnt demnächst ein Psychopharmakologie-Pharmakotherapie-Weiterbildungs-Curriculum orientiert an dem in der PPT 2014;21:64–68 publizierten Vorschlag. Vor allem dem in Weiterbildung zum Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie befindlichen Arzt soll in kontinuierlicher Folge eine kompakte Stoffübersicht geboten werden, die auch als Prüfungs-Repetitorium fungieren kann. Inhalte sind vor allem die Hauptthemenbereiche
- Grundlagen/allgemeine Pharmakologie einschließlich Verbrauchsstatistik, (Zulassungs-)Rechtliches, Statistikmethoden, Geschichte und Pharmakoökonomie
- Möglichkeiten der Einteilung und Klassifikation von Psychopharmaka
- Psychopharmaka-Gruppen und Einzelsubstanzen (Antidepressiva, Antipsychotika etc.)
- Praxisrelevante Aspekte der angewandten Psychopharmakotherapie (u.a. Kombinationsbehandlung, Umstellungsprozedere, Gerontopharmakotherapie, Fahrtauglichkeit, Schwangerschaft; Indikationen/Einsatz bei definierten Krankheitsbildern)
Mit-Herausgeber-Kollege Jürgen Fritze führte zusammen mit dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) ein vom Bundesministerium für Gesundheit gefördertes großes Projekt durch: Off-Label-Use häufig verordneter Arzneimittel in einer Vollerfassung der Abrechnungsdaten der etwa 70 Mio. gesetzlich Krankenversicherten. Diese Analyse umfasst etwa 200 Wirkstoffe, darunter nahezu alle Psychopharmaka (Antidepressiva, Antipsychotika, Anxiolytika, Hypnotika, Psychostimulanzien), Antiepileptika und Thrombozytenaggregationshemmer. Diese hoch-interessanten, bislang einmaligen Daten werden in einer fortlaufenden Serie für die Neuro-Psychopharmaka beginnend mit diesem Heft in Folge publiziert.
Mit den nächsten Heften wird außerdem vonseiten der Deutschen Gesellschaft für experimentelle und klinische Neuro-Psychopharmako-Therapie (GESENT) ein GESENT-Forum starten zur Vermittlung aktueller Informationen und als Diskussionspodium.
Das aktuelle Heft beginnt mit einer wichtigen neuen Entwicklung. Angesichts der unbefriedigenden, historisch gewachsenen Terminologie und Nomenklatur der Psychopharmaka wird von internationalen psychopharmakologischen Fachgesellschaften und Experten eine neue Nomenklatur entwickelt, die an pharmakologischen Wirkungsmechanismen orientiert ist – die Neuroscience based Nomenclature (NbN). Kurz zum Hintergrund: Antidepressiva werden zum Beispiel nicht nur zur Behandlung von Depressionen eingesetzt, die Begriffe atypische Neuroleptika oder Antipsychotika der 2. Generation wirken eher Marketing-gesteuert denn wissenschaftlich fundiert. Angesichts solcher Unschärfen erscheint eine Nomenklatur wünschenswert, die einheitlichen, wissenschaftlichen Kriterien folgt. Grundprinzipien und Detailaspekte dieses hoch interessanten Ansatzes mit seinen 11 pharmakologischen Domänen werden von den beiden renommierten Mitentwicklern Hans-Jürgen Möller und Siegfried Kasper zusammengefasst dargestellt.
J. Fritze und Mitarbeiter des BfArM starten dann die erwähnte Serie mit dem Spektrum der Verordnung von Thrombozytenaggregationshemmern.
In einer weiteren Originalarbeit vergleichen K. Sander et al., wie Multimorbidität, Polypharmazie und das Auftreten von UAW bei gerontopsychiatrischen und bei jüngeren Patienten mit chronischen psychischen Erkrankungen zusammenhängen.
In der Sektion Arzneimitteltherapiesicherheit wird auf das Interaktionspotenzial der oralen Antidiabetika eingegangen – angesichts der wachsenden Bedeutung des Diabetes mellitus ein besonders praxisrelevanter Interaktionsbeitrag.
Wie immer komplettieren Zusammenfassungen wichtiger internationaler Literatur und Buchbesprechungen das Heft. Von Letzteren ist vielleicht der informationsreiche „Arzneiverordnungs-Report 2016“ von besonderem Interesse.
Psychopharmakotherapie 2017; 24(01)