Analyse von CYP450-Wechselwirkungen: kleiner Aufwand, große Wirkung


Das Interaktionspotenzial der Azol-Antimykotika

Holger Petri, Bad Wildungen*

Das hohe pharmakokinetische Interaktionspotenzial der Azol-Antimykotika Fluconazol, Isavuconazol, Itraconazol, Posaconazol und Voriconazol erfordert bei einer Kombinationstherapie die Anwendung eines Interaktionsprogramms. Das Wissen über den Cytochrom-P450(CYP)-Isoenzym-abhängigen Metabolismus fördert das Verständnis für mögliche Interaktionen und deren klinische Relevanz. In der Interaktionstabelle (Tab. 1) wird das Verhalten der Substanzen zu den Cytochrom-P450-Isoenzymen dargestellt.
Psychopharmakotherapie 2016;23:258–62.

Fluconazol

Fluconazol unterliegt minimalen metabolischen Reaktionen. Über 80% von oral eingenommenem Fluconazol werden unverändert renal ausgeschieden [1]. Als starker CYP2C9- und CYP2C19-Hemmer sind zahlreiche Wechselwirkungen zu beachten [14, 20]. Zu den CYP2C9-Substraten gehören die nichtsteroidalen Antirheumatika Celecoxib, Ibuprofen und Naproxen, die Antidiabetika Glibenclamid und Glimepirid, die Vitamin-K-Antagonisten Phenprocoumon und Warfarin sowie Fluvastatin und Phenytoin [13]. In der Fachinformation wird eine engmaschige Überwachung der Patienten auf dosisabhängige Nebenwirkungen empfohlen [5]. Unter einer Phenytoin-Therapie ist ein therapeutisches Drug-Monitoring (TDM) obligat [10]. Bei den CYP2C19-Substraten sind unter anderem Interaktionen mit dem Thrombozytenaggregationshemmer Clopidogrel und den Serotonin-Wiederaufnahmehemmern (SSRI) Citalopram/Escitalopram von klinischer Relevanz. Clopidogrel ist ein Prodrug. Fluconazol kann dessen Bioaktivierungsschritt mindern und folglich die Wirksamkeit verringern [6]. Das Risiko für eine Serotonin-Intoxikation ist bei Komedikation mit Citalopram erhöht [22].

Die CYP3A4-hemmende Potenz ist, verglichen mit anderen Azol-Antimykotika, geringer [37]. Die Anwendung von Fluconazol ist mit CYP3A4-Substraten, die QTc-Zeit-verlängernde Eigenschaften besitzen wie Amiodaron und Erythromycin, kontraindiziert [5]. Fluconazol hat selbst ein hohes Potenzial, Torsade de pointes zu verursachen [35]. Die Kombination mit den beiden SSRI Citalopram und Escitalopram ist schon aus diesem Grund kontraindiziert [26].

Isavuconazol

Isavuconazol ist Substrat von CYP3A4. Ketoconazol erhöht die Exposition von Isavuconazol um 422%, Lopinavir/Ritonavir um das Doppelte [32, 36]. Mit Ausnahme von Ketoconazol dürfen andere starke CYP3A4-Inhibitoren ohne Dosisanpassung mit Isavuconazol kombiniert werden [4]. Der starke CYP3A4-Induktor Rifampicin senkt die Plasmaspiegel des Antimykotikums auf ein Zehntel [32]. Starke und mittelstarke CYP3A4-Induktoren (Abb. 1) sind unter Isavuconazol-Therapie kontraindiziert [4]. Es sollte beachtet werden, dass selbst nach deren Absetzen die induktiven Effekte noch bis zu zwei Wochen anhalten können (Deinduktionszeit) [28]. Schwache CYP3A4-Induktoren sollten gemieden werden, sofern der potenzielle Nutzen nicht die Risiken überwiegt [4]. Isavuconazol ist als mittelstarker CYP3A4-Hemmer einzustufen [4]. In einer Phase-I-Studie erhöhte das Azol-Antimykotikum die AUC (Fläche unter der Konzentrations-Zeit-Kurve) des oral eingenommen CYP3A4-Modellsubstrats Midazolam um das Doppelte [32].

Itraconazol

Itraconazol wird hauptsächlich über CYP3A4 metabolisiert. Es werden sequenziell die drei Itraconazol-Metabolite Hydroxy-Itraconazol (OH-ITZ), Keto-Itraconazol (keto-ITZ) und N-Desalkyl-Itraconazol (ND-ITZ) gebildet. Diese Metaboliten tragen signifikant zur starken CYP3A4-Hemmung unter Itraconazol-Anwendung in vivo bei [11, 31]. Die gleichzeitige Anwendung von Itraconazol mit CYP3A4-Substraten, die die QTc-Zeit verlängern können, ist kontraindiziert [7]. Tabelle 2 enthält eine Auswahl an CYP3A4-Substraten, die zusammen mit potenten CYP3A4-Inhibitoren nicht oder nur mit Vorsicht anwendbar sind. Selbst bei Inhalation von Budesonid wird dessen Abbau durch Itraconazol so stark gehemmt, dass trotz lokaler Anwendung mit systemischen Glucocorticoid-Wirkungen zu rechnen ist [27].

Tab. 2. CYP3A4-Substrate (Beispiele)

CYP3A4-Substrate

Antiinfektiva

Atazanavir, Clarithromycin, Clindamycin, Cobicistat, Darunavir, Erythromycin, Lopinavir, Ritonavir

Antineoplastische Mittel

Axitinib, Bortezomib, Bosutinib, Cabazitaxel, Ceritinib, Crizotinib, Cyclophosphamid, Dabrafenib, Erlotinib, Idelalisib, Ifosfamid, Imatinib, Irinotecan, Lapatinib, Olaparib, Pazopanib, Regorafenib, Temsirolimus, Vincristin, Vinorelbin

Blut-, Herz- und Kreislaufmittel

Amiodaron, Atorvastatin, Dronedaron, Eplerenon, Felodipin, Ivabradin, Lercanidipin, Nitrendipin, Ranolazin, Simvastatin, Ticagrelor, Verapamil

Immunsuppressiva

Ciclosporin, Everolimus, Sirolimus, Tacrolimus

Urologika

Avanafil, Alfuzosin, Darifenacin, Dutasterid, Finasterid, Sildenafil, Solifenacin, Tadalafil, Vardenafil

ZNS-Mittel

Carbamazepin, Donepezil, Eletriptan, Fentanyl, Galantamin, Midazolam oral,
Oxycodon, Quetiapin

Weitere

Colchicin, Dexamethason, Domperidon, Ergotamin, Etoricoxib, Tolvaptan

Quelle: mediQ-Interaktionsprogramm (Stand 10/2016)

Die Plasmaspiegel von Itraconazol werden durch CYP3A4-Induktoren erniedrigt. Bei gesunden Probanden sanken die Itraconazol-AUC-Werte unter Phenytoin- und Rifampicin-Therapie um etwa 90% [2, 12]. Somit sollte Itraconazol nicht früher als zwei Wochen nach Absetzen einer Behandlung mit CYP3A4-induzierenden Wirkstoffen angewendet werden. Die gemeinsame Anwendung von Itraconazol mit diesen Wirkstoffen kann zu subtherapeutischen Plasmakonzentrationen von Itraconazol und damit zum Therapieversagen führen [7].

Posaconazol

Posaconazol wird in nur geringem Umfang über CYP-Enzyme metabolisiert. Das Potenzial für CYP-bedingte Veränderungen der Plasmaspiegel ist gering [15]. Posaconazol unterliegt primär Phase-II-Reaktionen, wobei der Hauptmetabolit über die Uridin-5’-diphosphat-Glucuronosyltransferase (UGT) 1A4 gebildet wird [8]. Die UGT-Induktion durch Efavirenz, Phenytoin und Rifabutin beschleunigt die Clearance von Posaconazol, die zu einer Abnahme der AUC auf die Hälfte führt [17–19].

Posaconazol ist ein starker Inhibitor von CYP3A4 [16].

Voriconazol

Voriconazol wird primär über das polymorphe Enzym CYP2C19 und nachgeordnet über CYP2C9 und CYP3A4 abgebaut. Personen mit nicht oder eingeschränkt funktionsfähigen CYP2C19-Enzymen (poor und intermediate metabolizer, PM und IM) haben gegenüber normalen Verstoffwechslern (extensive metabolizer, EM) drei- (PM-Status) bzw. zweifach (IM-Status) erhöhte AUC-Werte [21, 24]. Personen mit gesteigerter Enzymaktivität (ultrarapid metabolizer, UM) zeigen eine erhöhte Voriconazol-Clearance und es drohen subtherapeutische Wirkstoffspiegel [9, 25, 33]. Der CYP2C19-Genotyp ist auch von Relevanz für potenzielle Interaktionen. Die Pharmakokinetik des CYP2C19-Modellsubstrats S-Mephenytoin blieb unverändert bei Probanden mit einem PM-Status, die über einen Zeitraum von 14 Tagen den CYP2C19-Induktor Johanniskraut (Abb. 1) einnahmen [34]. Daher gewinnt die Interaktion mit CYP3A4-Modulatoren bei Patienten mit dem PM-Phänotyp an Bedeutung, weil ein größerer Anteil von Voriconazol über diesen Nebenweg abgebaut wird. Beispielsweise sinkt die Clearance durch die CYP3A4-Inhibitoren Erythromycin und Ritonavir bei CYP2C19-Poor-metabolizern stärker als bei extensive metabolizern [23, 30]. Die Interaktionstabelle enthält Angaben zur Häufigkeit von CYP2C19-Polymorphismen, auch in Abhängigkeit von der ethnischen Herkunft.

Voriconazol ist ein starker CYP3A4-Inhibitor [29].

Fazit

Azol-Antimykotika bergen ein hohes pharmakokinetisches Interaktionspotenzial. Die Überprüfung der klinischen Relevanz von Wechselwirkungen mithilfe einer Interaktionsdatenbank ist obligat. Bei oberflächlichen Mykosen ist Terbinafin eine Alternative. Terbinafin hemmt als CYP2D6-Inhibitor den Metabolismus von CYP2D6-Substraten wie Metoprolol, Fluoxetin, Tamoxifen u.a. [3]. Bei systemischen Mykosen kommen Echinocandine infrage, die jedoch für eine orale Einnahme nicht zur Verfügung stehen.

Abb. 1. Auswahl von modulierenden Substanzen (stark wirkende fettgedruckt) mit klinisch relevanter Wirkung auf Cytochrom P450 (CYP) 2C19 und 3A4 (Stand: 10/2016) [Quelle: mediQ-Interaktionsprogramm]

Literatur

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5. Fachinformation Diflucan®. Stand: Juli 2015.

6. Fachinformation Plavix®. Stand: September 2015.

7. Fachinformation Sempera®. Stand: Dezember 2014.

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*Nachdruck aus Krankenhauspharmazie 2016;37:506–10.

Der Artikel wurde unter Einbeziehung von Diskussionsbeiträgen von Dr. Jörg Brüggmann, Berlin, Prof. Dr. Christoph Hiemke, Mainz, und Dr. Jochen Weber, Bad Wildungen, erstellt.

Holger Petri, Zentral-Apotheke der Wicker Kliniken, Im Kreuzfeld 4, 34537 Bad Wildungen, E-Mail: hpetri@werner-wicker-klinik.de

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