Hoger Petri, Bad Wildungen*
Amitriptylin und Nortriptylin
Stellvertretend für die Stoffklasse der trizyklischen Antidepressiva (TZA) soll am Beispiel von Amitriptylin und Nortriptylin die Bedeutung der Phase-I-Reaktionen für das pharmakologische Wirkungsprofil dieser Arzneimittel veranschaulicht werden. Amitriptylin ist ein tertiäres Amin. Über CYP2D6 werden aus Amitriptylin in einer Hydroxylierungsreaktion im ZNS minderaktive Metabolite gebildet (Abb. 1) [7]. CYP2C19 katalysiert eine Demethylierungsreaktion, bei der mit Nortriptylin ein antidepressiv wirksamer Metabolit entsteht. Nortriptylin ist ein sekundäres Amin und wird wie seine Muttersubstanz über CYP2D6 abgebaut (Abb. 1). Amitriptylin besitzt vorwiegend eine serotonerge, Nortriptylin eher eine noradrenerge Aktivität [7]. Die Komedikation mit CYP2C19- und CYP2D6-Modulatoren (Abb. 2) beeinflusst das Verhältnis von Amitriptylin zu Nortriptylin: bei CYP2D6-Hemmern und CYP2C19-Induktoren zugunsten von Nortriptylin, bei CYP2C19-Hemmern zugunsten von Amitriptylin. Je niedriger der Quotient, umso ausgeprägter kommt die noradrenerge Komponente zum Tragen, bei höherem Quotienten die serotonerge. Somit steigt bei Ersterem das Risiko kardiovaskulärer Komplikationen, bei Letzterem das Risiko für serotoninbedingte Nebenwirkungen einschließlich des Serotonin-Syndroms. Verglichen mit Clomipramin und Imipramin ist die serotonerge Potenz von Amitriptylin moderat [3, 10]. Amitriptylin ist kontraindiziert in Kombination mit Monoaminoxidase(MAO)-Hemmern [1]. Unter besonderen Vorsichtsmaßnahmen und enger klinischer Kontrolle ist es vertretbar, Amitriptylin wie auch Doxepin, Nortriptylin oder Trimipramin mit dem nichtselektiven, irreversiblen MAO-Hemmer Tranylcypromin zu kombinieren [3, 8]. Theoretische Erwägungen lassen einen Quotienten von Amitriptylin zu Nortriptylin über drei ungünstiger erscheinen, besonders bei hoher summarischer Konzentration aus Amitriptylin und Nortriptylin [8].
Abb. 1. Abbauwege von Amitriptylin und Nortriptylin [nach 7]
Abb. 2. Auswahl von modulierenden Substanzen (stark wirkende fettgedruckt) mit klinisch relevanter Wirkung auf Cytochrom P450 (CYP) 1A2, 2C9, 2C19 und 2D6 (Stand: 4/2016) [Quelle: mediQ-Interaktionsprogramm]
Ebenso werden für andere tertiäre TZA beim therapeutischen Drug-Monitoring die Plasmaspiegel der pharmakologisch aktiven, über CYP2C19 gebildeten sekundären Amine mitberücksichtigt: Clomipramin+Norclomipramin, Doxepin+Nordoxepin und Imipramin+Desipramin [6].
Trimipramin wird nach In-vitro-Rezeptorbindungsstudien als atypisches Trizyklikum angesehen [2]. Aber auch Trimipramin und sein Metabolit Desmethyltrimipramin, ein sekundäres Amin, hemmen Serotonin- und Noradrenalintransporter, wodurch die antidepressive Wirksamkeit im Wesentlichen erklärt werden kann [4].
CYP2C19 und CYP2D6- Polymorphismus
Die polymorphen Isoenzyme CYP2C19 und CYP2D6 können Wirksamkeit und Verträglichkeit einer Therapie mit trizyklischen Antidepressiva beeinflussen [7]. Für ultraschnelle Metabolisierer von CYP2D6-Substraten (Ultrarapid metabolizer, UM) ist der Metabolismus der aktiven Verbindungen stark beschleunigt und es droht ein Therapieversagen. Bei langsamen Metabolisierern (Poor metabolizer, PM) ist der Abbau stark reduziert mit dem Risiko toxischer Plasmaspiegel. Bei Patienten mit einem UM- oder PM-Phänotyp für CYP2D6 sollte in der antidepressiven Therapie daher auf Trizyklika verzichtet und auf solche Antidepressiva ausgewichen werden, deren Metabolismus nicht klinisch relevant von CYP2D6 abhängt. Sollen sie dennoch angewandt werden, ist die Startdosis um 50% zu reduzieren und unter Kontrolle der Plasmaspiegel die Zieldosis zu steigern [7].
Für den CYP2C19-Phänotyp gelten mit Ausnahme des sekundären Amins Nortriptylin analoge Empfehlungen. Tabelle 1 enthält Angaben zur Pharmakogenetik der beiden Isoenzyme.
Zur Behandlung von neuropathischen Schmerzen werden in der Regel niedrigere Wirkstoffstärken benötigt. Durch vorsichtiges Dosieren sind bei Patienten mit einem PM-Status von CYP2C19 oder CYP2D6 unerwünschte Arzneimittelwirkungen nicht sehr wahrscheinlich [7]. Bei schnellen Metabolisierern hingegen ist das Risiko für ein Therapieversagen erhöht und alternative Therapien sind zu erwägen, beispielsweise antikonvulsive Arzneimittel wie Gabapentin, die CYP-unabhängig abgebaut werden [7].
Bedeutung anderer CYP-Isoenzyme
CYP1A2 und CYP3A4 sind von untergeordneter Bedeutung für den Metabolismus der trizyklischen Antidepressiva [5, 9, 11, 12]. Die dosiskorrigierten Plasmaspiegel von Doxepin und Nordoxepin stiegen in einer Studie durch den CYP2C9-Hemmer Valproinsäure um das 2,24-Fache [13]. Eine Komedikation mit CYP2C9-Modulatoren ist im Einzelfall unter einer Doxepin-Therapie zu berücksichtigen.
Literatur
1. Fachinformation Saroten®. Stand: September 2013.
2. Fachinformation Stangyl®. Stand: Januar 2014.
3. Gillman PK. Tricyclic antidepressant pharmacology and therapeutic drug interactions updated. Br J Pharmacol 2007;151:737–48.
4. Haenisch B, Hiemke C, Bönisch H. Inhibitory potencies of trimipramine and its main metabolites at human monoamine and organic cation transporters. Psychopharmacology 2011;217:289–95.
5. Halling J, Weihe P, Brosen P. The CYP2D6 polymorphism in relation to the metabolism of amitriptyline and nortriptyline in the Faroese population. Br J Clin Pharmacol 2008;65:134–8.
6. Hiemke C, Baumann P, Bergemann N, et al. AGNP-Konsensus-Leitlinien für therapeutisches Drug-Monitoring in der Psychiatrie: Update 2011. Psychopharmakotherapie 2012;19:91–122.
7. Hicks JK, Swen JJ, Thorn CF, et al. Clinical Pharmacogenetics Implementation Consortium Guideline and dosing of tricyclic antidepressants. Clin Pharmacol Ther 2013;93:402–8.
8. www.raus-aus-dem-stimmungstief.de (letzter Zugriff am 22. März 2016).
9. Ketter TA, Flockhart DA, Post RM, et al. The emerging role of cytochrome P4503A in psychopharmacology. J Clin Psychopharmacol 1995;15:387–98.
10. Laux G, Ulrich S. Tranylcypromin. Psychopharmakotherapie. 2006;13:130–41.
11. Rudorfer, MV, Potter WZ. Metabolism of tricyclic antidepressants. Cell Mol Neurobiol 1999;19:373–409.
12. Shen WW Cytochrome P450 monooxygenases and interactions of psychotropic drugs: a five-year update. Int J Psychiatry Med 1995;25:277–90.
13. Unterecker S, Reif A, Hempel S, et al. Interaction of valproic acid and the antidepressant drugs doxepin and venlafaxine: analysis of therapeutic drug monitoring data under naturalistic conditions. International Clinical Psychopharmacology 2014;29:206–11.
*Nachdruck aus Krankenhauspharmazie 2016;37:180–3.
Der Artikel wurde unter Einbeziehung von Diskussionsbeiträgen von Dr. Jörg Brüggmann, Berlin, Prof. Dr. Christoph Hiemke, Mainz, und Dr. Jochen Weber, Bad Wildungen, erstellt.
Holger Petri, Zentral-Apotheke der Wicker Kliniken, Im Kreuzfeld 4, 34537 Bad Wildungen, E-Mail: hpetri@werner-wicker-klinik.de
Psychopharmakotherapie 2016; 23(03)