Bluthochdrucktherapie im Alter

Absetzen von Antihypertensiva bei Senioren ohne Einfluss auf die Kognition


Dr. Barbara Ecker-Schlipf, Holzgerlingen

Bei Senioren mit leichten kognitiven Defiziten verbesserte das Absetzen einer antihypertensiven Therapie bei einer Studiendauer von 16 Wochen weder die kognitiven Fähigkeiten noch die Lebensqualität oder Funktionalität im Alltag im Vergleich zur Kontrollgruppe.

Die Notwendigkeit einer antihypertensiven Therapie im hohen Alter wird kontrovers beurteilt. So deuten die Ergebnisse von Beobachtungsstudien darauf hin, dass ein niedrigerer Blutdruck bei Senioren das Risiko für eine Abnahme der kognitiven Funktion erhöht. Andererseits könnte in diesem Patientenkollektiv eine Therapie mit Antihypertensiva die zerebrale Durchblutung vermindern, insbesondere wenn die Autoregulation im Gehirn gestört ist.

Studienziel und -design

Ziel der DANTE-Studie (Discontinuation of antihypertensive treatment in elderly people) war es zu untersuchen, ob ein Absetzen der antihypertensiven Therapie bei Senioren mit leichten kognitiven Defiziten die kognitiven Fähigkeiten, Lebensqualität oder den allgemeinen Funktionsstatus verbessern kann [1].

Durchgeführt wurde die Studie an 385 Hausarztpatienten im Alter von 75 Jahren mit einer arteriellen Hypertonie, die unter ihrer antihypertensiven Therapie einen systolischen Blutdruck von 160 mmHg hatten und die ein leichtes kognitives Defizit (Mini-Mental-Status-Test 21 bis 27 Punkte), aber keine Demenz aufwiesen. Ausgeschlossen waren Patienten, bei denen bereits kardiovaskuläre Folgekrankheiten aufgetreten waren. Die randomisierte Studie wurde zwischen Juni 2011 und August 2013 in 128 Allgemeinarztpraxen in den Niederlanden durchgeführt. Bei 199 Probanden wurde die antihypertensive Medikation über 16 Wochen abgesetzt (Interventionsgruppe), bei den übrigen 186 Studienteilnehmern (Kontrollgruppe) wurde sie beibehalten.

Primäres Studienergebnis war die Veränderung in den gesamten kognitiven Fähigkeiten. Hierfür wurde ein zusammengesetzter Score aus einer Reihe kognitiver Tests ermittelt (Tab. 1). Als sekundäre Endpunkte wurden aus diesen Tests Scores zu den exekutiven Funktionen, zum Kurz- und Langzeitgedächtnis und zur psychomotorischen Geschwindigkeit ermittelt. Als weitere sekundäre Endpunkte wurden Depressivität (Geriatric depression scale-15), Apathie (Apathy scale), funktioneller Status (Groningen activity restriction scale) und Lebensqualität (Cantril ladder) erfasst.

Tab. 1. Tests zur Messung kognitiver Fähigkeiten, deren Ergebnisse in den primären Endpunkt eingingen [1]

Trail Making Test (Differenz zwischen Teil A und B)

Stroop-Test (Farbe-Wort-Interferenz), Kurzversion

15-Word Verbal Learning Test (Immediate Recall)

15-Word Verbal Learning Test (Delayed Recall)

VAT (visueller Assoziationstest)

Letter Digit Substitution Test

Studienergebnis

Erwartungsgemäß stieg in der Interventionsgruppe der Blutdruck. Zwischen Interventions- und Kontrollgruppe ergab sich für den systolischen Blutdruck eine Differenz von 7,36 mmHg (95%-Konfidenzintervall [KI] 3,02 bis 11,69; p=0,001) und für den diastolischen Blutdruck von 2,63 mmHg (95%-KI 0,34 bis 4,93; p=0,03).

Hinweise auf eine Verbesserung der kognitiven Leistungen wurden in keinem der durchgeführten Tests gefunden. So zeigte sich zwischen Interventions- und Kontrollgruppe kein signifikanter Unterschied im primären Studienendpunkt, der Veränderung des Scores für die gesamten kognitiven Fähigkeiten (0,01 [95%-KI–0,14 bis 0,16] vs. –0,01 [95%-KI –0,16 bis 0,14]; Unterschied 0,02 [95%-KI –0,19 bis 0,23]; p=0,84).

In den sekundären Studienendpunkten konnte ebenfalls kein Nutzen infolge des Absetzens der blutdrucksenkenden Arzneimittel beobachtet werden. Das galt sowohl für die drei untersuchten allgemeinen kognitiven Domänen (exekutive Funktionen, Gedächtnisleistung, psychomotorische Geschwindigkeit) als auch für die mentalen Symptome wie Apathie oder Depression, den allgemeinen Funktionsstatus und die Lebensqualität. Die Zahl schwerer Nebenwirkungen oder Hospitalisierungen differierte in beiden Studiengruppen ebenfalls nicht wesentlich.

Fazit der Studienautoren

In der vorliegenden DANTE-Studie erbrachte das Absetzen der antihypertensiven Medikation bei Senioren mit leichten kognitiven Defiziten keinerlei Vorteile im Hinblick auf die kognitive Funktion. Es bestätigte sich also nicht die Ansicht, dass das Gehirn im hohen Alter einen höheren Blutdruck benötigt, um eine ausreichende Durchblutung sicherzustellen. Allerdings war die gewählte Studiendauer von 16 Wochen zu kurz, um endgültige Aussagen treffen zu können. Für eine abschließende Klärung dieser Fragestellung sind Langzeituntersuchungen notwendig.

Den Wert der DANTE-Studie sieht die Kommentatorin M.C. Odden deshalb auch nicht inhaltlich, sondern methodologisch [2]. Erstmals wurde hier ein absetzendes Studiendesign gewählt. Dies bedeutet ihrer Meinung nach einen Paradigmenwechsel in der Art und Weise, wie randomisierte klinische Studien zur antihypertensiven Therapie durchgeführt werden. Sie sieht die DANTE-Studie auch als Musterbeispiel für künftige Absetzstudien.

Neu in der DANTE-Studie war auch das gewählte Probandenkollektiv. Nur in wenigen randomisiert-kontrollierten Studien wurden bislang alte Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung eingeschlossen. Der funktionelle Status könnte aber auch den Effekt des Blutdrucks auf die Ergebnisse beeinflussen und verändern. Gerade in dieser Population könnte das Absetzen einer Medikation die stärkste Wirkung haben. Odden gibt weiterhin zu bedenken, dass für ältere Menschen das Leben mehr bedeutet als nur am Leben zu sein. Kognitive und physische Funktion, emotionales Wohlergehen und soziales Eingebundensein ergeben ein kompletteres Bild von der Lebensqualität. Diese Faktoren sollten ihrer Meinung nach berücksichtigt werden, wenn über das Fortführen oder Absetzen einer Medikation diskutiert wird.

Quellen

1. Moonen JEF, et al. Effect of discontinuation of antihypertensive treatment in elderly people on cognitive functioning – the DANTE study Leiden. JAMA Intern Med 2015;75:1622–30.

2. Odden MC. A discontinuation trial of antihypertensive treatment. JAMA Intern Med 2015;175:1630–2.

Psychopharmakotherapie 2016; 23(03)