Dr. Danielle A. Stegmann, Stuttgart
In den letzten Jahren hat die Anwendung antipsychotischer Arzneimittel während der Schwangerschaft stetig zugenommen. Dennoch ist die Studienlage zur Sicherheit von Atypika in der Schwangerschaft gering. Frühere Studien basierten meist auf der Untersuchung von „Typika“, welche heutzutage deutlich seltener verwendet werden. Die wenigen Daten zur Anwendung von Atypika in der Schwangerschaft warnten vor einem möglichen erhöhten metabolischen und thromboembolischen Risiko für die Mutter mit entsprechenden Folgen für das Kind [1, 3]. Die Aussagekraft dieser Studien ist allerdings durch die geringe Probandenzahl und die fehlende Adjustierung von Störgrößen stark limitiert. In einer groß angelegten Kohortenstudie [5] untersuchten kanadische Forscher insgesamt 1021 Frauen unter antipsychotischer Therapie mit Atypika während der Schwangerschaft mit dem Ziel, die Auswirkungen einer solchen Therapie auf die Gesundheit der Mutter und des werdenden Kindes zu erfassen.
Studienmethodik
Mithilfe verschiedener Datenbanken des Institute for Clinical Evaluative Sciences (ICES) in Toronto, Ontario, wurden Frauen in die Studie eingeschlossen, die zwischen 2003 und 2012 eine Ein-Kind-Geburt (Lebend- oder Totgeburt) in einem Krankenhaus in Ontario, Kanada hatten. Eingeschlossen wurden Frauen, die während der Schwangerschaft mindestens zwei aufeinanderfolgende Verordnungen für antipsychotische Arzneimittel erhalten hatten, von denen mindestens eines in die Zeit des ersten oder zweiten Trimesters fiel.
Zur Adjustierung der Ergebnisse hinsichtlich möglicher Störgrößen während der Stichprobenselektion, wurden die Frauen unter Antipsychotikatherapie (Quetiapin, Olanzapin oder Risperidon; Verum-Gruppe) mit Frauen ohne eine solche Therapie (Kontroll-Gruppe) 1:1 mittels eines sogenannten „high dimensional propensity score“ (HDPS) gematcht. Dabei wurden acht Parameter („Dimensionen“) berücksichtigt, die indirekt Aufschluss über den Gesundheitszustand der Frauen gaben, u.a. eingelöste Arzneimittelverordnungen, Krankenhausdiagnosen und Krankenhausbehandlungen im Jahr vor Einschluss in die Kohorte.
Die wichtigsten Endpunkte der Studie betrafen in Bezug auf die mütterliche Gesundheit: das Auftreten von Gestationsdiabetes, von hypertensiven Störungen während der Schwangerschaft (Schwangerschaftshypertonie, Präeklampsie und Eklampsie) oder venöse Thromboembolien (im Rahmen der Schwangerschaft bis zu 42 Tage postpartal).Wichtige perinatale Endpunkte waren eine Frühgeburt nach weniger als 37 Wochen Schwangerschaft und ein Geburtsgewicht außerhalb der Norm (<3%-Perzentile oder >97%-Perzentile).
Resultate
Insgesamt wurden 1021 Frauen unter Antipsychotikatherapie mit 1021 Frauen ohne eine solche Therapie 1:1 mittels HDPS gematcht.
Für die Frauen unter einer antipsychotischen Therapie während der Schwangerschaft ergab sich kein erhöhtes Risiko für die mütterlichen Endpunkte Gestationsdiabetes, hypertensive Störungen oder venöse Thromboembolien im Vergleich zur Kontroll-Gruppe. Die Rate-Ratios der einzelnen Ereignisse (Abb. 1) betrugen 1,1 (95%-Konfidenzintervall 0,77–1,57), 1,12 (0,77–1,57) und 0,95 (0,40–2,27).
Abb 1. Relatives Risiko der primären Endpunkte zur mütterlichen Gesundheit von Frauen unter Antipsychotikatherapie vs. Frauen ohne eine solche Therapie [nach 5]
Die relative Rate an Frühgeburten war bei allen Müttern – der Verum-Gruppe (14,5%) wie auch der gematchten Kontroll-Gruppe (14,3%) – vergleichsweise hoch und unterschied sich kaum (Rate-Ratio 0,99). Ebenso wenig war ein besonders niedriges oder besonders hohes Geburtsgewicht mit dem Gebrauch von antipsychotischen Arzneimitteln in der Schwangerschaft assoziiert (Rate-Ratios 1,21 [0,81–1,82] und 1,26 [0,69–2,29]).
Ausblick
Die Therapie mit Antipsychotika während der Schwangerschaft wirkte sich in der vorliegenden Studie nicht nachteilig auf die mütterliche Gesundheit oder auf wichtige perinatale Endpunkte aus. Dennoch und auch unter Berücksichtigung früherer Studien [2, 4] stellen antipsychotische Arzneimittel in der Schwangerschaft wohl ein erhöhtes absolutes Risiko für unerwünschte Ereignisse bei Mutter und Kind dar.
Neben vielen Stärken der Studie, insbesondere der Anwendung einer stringenten „Matching-Prozedur“, hat die Studie auch Limitationen. So wurden lediglich Frauen eingeschlossen, die auf öffentliche Gesundheitsfürsorge angewiesen waren. Das trifft in Kanada auf geschätzte 70% der schwangeren Frauen unter einer antipsychotischen Therapie zu. Dennoch lassen sich die Daten der Studie nicht zwangsläufig auf alle Schwangeren generalisieren. Außerdem ist der Einfluss von Faktoren wie der zusätzlichen Einnahme anderer Arzneimittel, Substanzen oder Alkohol, sowie Einnahme von antipsychotischen Medikamenten vor der Schwangerschaft unklar und sollte in künftigen Studien beleuchtet werden.
Allgemein muss bei der Entscheidung, ob eine antipsychotische Medikation während der Schwangerschaft eingenommen werden soll, der Nutzen für die Mutter gegen das Risiko für Mutter und Kind abgewogen werden. Zudem sollte die Gesundheit der schwangeren Patientin stringent überwacht werden, insbesondere bezüglich der Risikoaspekte Diabetes, Hypertonie, Frühgeburt und fötales Wachstum.
Literatur
1 Barbui C, et al. Antipsychotic drug exposure and risk of venous thromboembolism: a systematic review and meta-analysis of observational studies. Drug Safety 2014;37:79–90.
2 Boden R, et al. Antipsychotics during pregnancy: relation to fetal and maternal metabolic effects. Arch Gen Psychiatry 2012;69:715–21.
3 Newcomer JW. Antipsychotic medications: metabolic and cardiovascular risk. J Clin Psychiatry 2007;68(suppl 4):8–13.
4 Reis M, et al. Maternal use of antipsychotics in early pregnancy and delivery outcome. J Clin Psychopharmacol 2008;28:279–88.
5. Vigod SN, et al. Antipsychotic drug use in pregnancy: high dimensional, propensity matched, population based cohort study. BMJ 2015;350:h2298.
Psychopharmakotherapie 2015; 22(04)