Prof. Dr. med. Dipl.-Psych. Gerd Laux, Haag i. OB/München
Das vorliegende Heft mit neurologischem Schwerpunkt beinhaltet vier nicht alltägliche Übersichts-Beiträge:
Die Prävalenz einer Epilepsie ist bei intelligenzgeminderten Patienten bis zu 20-fach erhöht. In ihrer Übersicht plädieren Mayer und Lutz, Radeberg, für eine Vereinfachung der häufig vorzufindenden Polypharmazie, sie geben Hinweise für die Substanzauswahl (z.B. hinsichtlich unerwünschter Verhaltensstörungen Lamotrigin günstiger als Levetiracetam). Bei diesem Patientenkreis sind unerwünschte Arzneimittelwirkungen schwieriger erfassbar, die wiedergegebenen Tabellen zu einem erhöhten Nebenwirkungsrisiko und zur spezifischen Therapie bei ausgewählten Epilepsiesyndromen sind hier sehr hilfreich.
Bis zu 80% der Patienten mit multipler Sklerose weisen eine Spastik auf – die Antispastik-Therapie ist deshalb von großer klinischer Bedeutung. Im Beitrag von Zettl et al., Rostock, findet sich eine Übersicht über die verfügbaren antispastisch wirksamen Medikamente mit Schwerpunkt auf gemachte Erfahrungen mit dem Pflanzenextrakt Nabiximols, einem Endocannabinoid-System-Modulator. In diesem Beitrag besonders beachtenswert sind die Hinweise zum Reisen mit Betäubungsmitteln.
Chronisch-therapierefraktäre Kopfschmerzen finden sich häufig in Klinik und Praxis. In seiner Übersicht schildert Kraya, Halle, die Möglichkeiten der Neuromodulation mittels Vagusnervstimulation. Detailliert werden interessante Studien zur nichtinvasiven Vagusnervstimulation dargestellt.
Der vierte Beitrag von Kohl, Erlangen, gibt eine Übersicht mit Zukunftsausblick zu innovativen experimentellen Therapieansätze für die Huntington-Erkrankung.
Die Serie zur Arzneimittelsicherheit wird fortgesetzt mit der Darstellung möglicher Interaktionen von Antihistaminika/Antiallergika.
Von den Kurzberichten aus der internationalen Literatur und von Kongressen sind zwei Beiträge unter dem Aspekt der Bewertung des Zusatznutzens besonders bemerkenswert. Ein solcher wurde für die Add-on-Therapie mit Perampanel bei therapierefraktärer Epilepsie trotz positiver Erfahrungen aus dem Praxisalltag von IQWiG und G-BA ebenso verneint wie für Lurasidon in der Akuttherapie und Rückfallprophylaxe der Schizophrenie. Für Letzteres liegen überzeugende Ergebnisse aus kontrollierten Studien bei Bipolar-I-Depression-Patienten mit Effektstärken von 0,51 bzw. 0,34 vor.
Die Nutzenbewertung ist voller Tücken – vgl. hierzu die Beiträge im letzten PPT-Heft von Fritze und Möller. Bemerkenswert scheint in diesem Zusammenhang Folgendes: Wie einem aktuellen Bericht im Deutschen Ärzteblatt zu entnehmen ist, werden trotz negativer Nutzenbewertung diese Medikamente von Ärzten eingesetzt. Dies wurde vom Vorsitzenden der Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft im Sinne von Unwissen und Ignoranz beklagt … Vielleicht gibt es eine andere Perspektive aus Sicht und Erfahrung der Ärzte aus der „real world“ in Klinik und Praxis?
Bilden Sie sich hierzu Ihre eigene Meinung – die Redaktion würde sich über Ihre Kommentare freuen und diese gerne im Diskussionsforum wiedergeben.
Psychopharmakotherapie 2015; 22(02)