Christian Otte, Berlin
Die Major Depression ist infolge ihrer hohen Lebenszeitprävalenz von etwa 15% und aufgrund der daraus resultierenden erheblichen Krankheitsbürde eines der vordringlichsten medizinischen Probleme des öffentlichen Gesundheitswesens [40, 41, 55]. Prognosen der Weltgesundheitsorganisation gehen davon aus, dass im Jahr 2030 die Depression weltweit die zweithäufigste und in den Industrieländern die häufigste Ursache für chronische Beeinträchtigung gemessen als sogenannte „disability-adjusted life years“ (DALY) sein wird [34]. Gründe für diese hohe Krankheitslast sind neben dem häufig frühen Beginn der Krankheit eine hohe Rückfallrate sowie ein oft chronischer Verlauf der Erkrankung [60].
Kognition ist definiert als ein Prozess wechselseitiger bewusster (und unbewusster) mentaler Aktivitäten, einschließlich: vorbewusstem sensorischem Gating; Aufmerksamkeit; Lernen und Erinnerungsvermögen; Problemlösungsfähigkeit, Planung, Denk- und Urteilsvermögen, Auffassungsgabe, Wissen und Repräsentation; Kreativität, Einfühlungsvermögen und Erkenntnis; „spontanem“ Denken; Selbstwahrnehmung; ebenso mentalen Zeitreisen, Selbstbewusstsein und Metakognition (Nachdenken und Wissen über die Kognition) [37]. In anderen Worten ist die Kognition der Prozess, der es uns erlaubt, über Informationsgewinnung, -speicherung und -umwandlung, die Umwelt zu verstehen und es somit zu ermöglichen, rationale Entscheidungen zu treffen. Eine Major Depression geht oft mit Störungen dieser kognitiven Funktionen einher [35, 54]. Das amerikanische Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders (DSM 5) nennt Kognitionsstörungen (d.h. eine verminderte Denk- oder Konzentrationsfähigkeit oder Unentschlossenheit) als Kriterium für die Diagnose einer depressiven Episode (MDE). Zusätzlich zu den häufigen subjektiven Beschwerden bezüglich der Kognition wurden in verschiedenen Metaanalysen bei depressiven Patienten auch objektive Defizite in Exekutivfunktion, Verarbeitungsgeschwindigkeit, Aufmerksamkeit, Lernen und Gedächtnis während und nach einer depressiven Episode gefunden [4, 48, 57].
In diesem Artikel wird der Begriff „kognitive Störung“ oder „kognitive Dysfunktion“ als Funktionsstörung in objektiven und gut validierten neuropsychologischen Tests definiert. Diese objektiven Tests sollten unterschieden werden von den subjektiven Beschwerden, die Patienten häufig als Schwierigkeiten beim Denken oder der Konzentration oder als Gedächtnisprobleme beschreiben. Es gibt Selbstauskunftsskalen wie den Fragebogen „Perceived Deficits Questionnaire – Depression“ (PDQ-D), der subjektiv empfundene kognitive Schwierigkeiten mit Organisation, Konzentration und Erinnerungsvermögen innerhalb der vorangegangenen Woche erfasst [26]. Diese subjektiven Beschwerden korrelieren oftmals nicht mit der Performanz in objektiven neuropsychologischen Tests [15]. Bisher fehlen jedoch ausführlichere systematische Studien zum Zusammenhang zwischen subjektiven Beschwerden und objektiver Performanz [15].
Zusätzlich zu der Differenzierung zwischen objektiver und subjektiver kognitiver Beeinträchtigung können „heiße“ (emotionsgeladene) und „kalte“ (emotionsunabhängige) kognitive Symptome unterschieden werden. Diese Konstrukte von „heißer“ und „kalter“ Kognition unterscheiden sich danach, ob das Gehirn mit („heiß“) oder ohne („kalt“) emotionale Beteiligung Informationen wahrnimmt, Erinnerungen formt und Urteile bildet [9, 15, 49]. Es ist jedoch bekannt, dass „heiße“ und „kalte“ Kognition nicht unabhängig voneinander sind, da verstärkte Reaktionen auf negatives Feedback bei Patienten mit Depressionen (d.h. eine emotional verzerrte Reaktion) die Performanz bei „kalten“ kognitiven Aufgaben verschlechtern können [49].
Im Hinblick auf objektive kognitive Defizite, die mittels validierter neuropsychologischer Tests gemessen wurden, haben in den vergangenen Jahren mehrere Metaanalysen die folgenden Resultate ergeben: In Querschnittsstudien, bei denen aktuell depressive Patienten mittels objektiver neuropsychologischer Tests mit gesunden Probanden verglichen wurden, waren die depressiven Patienten vor allem in der Exekutivfunktion, dem Gedächtnis sowie der Aufmerksamkeit beeinträchtigt [48, 52, 57]. Dies galt ebenfalls für ersterkrankte depressive Patienten, die bereits im frühen Krankheitsverlauf kognitive Beeinträchtigungen aufwiesen [27]. Zudem schnitten euthyme Patienten in Remission in Querschnittsstudien hinsichtlich der Exekutivfunktion und der Aufmerksamkeit mit mittleren Effektgrößen schlechter ab als gesunde Probanden [4, 48]. Diese letzteren Metaanalysen liefern überzeugende Belege dafür, dass bei vielen Patienten die kognitiven Defizite über die Remission hinaus bestehen bleiben.
Longitudinalstudien, bei denen intraindividuell das Vorhandensein kognitiver Dysfunktion im Verlauf der Depression untersucht wurde, haben gezeigt, dass sich kognitive Dysfunktionen parallel zur Verbesserung der depressiven Psychopathologie in gewissem Ausmaß ebenfalls verbessern. Depressive Patienten erreichten jedoch bei Messungen mittels objektiver neuropsychologischer Tests nicht die Ergebnisse gesunder Probanden, was ebenfalls darauf hindeutet, dass es bei depressiven Patienten nach Response oder Remission persistierende kognitive Defizite gibt [21, 32, 43, 46, 47, 57]. Schließlich legen einige Studien nahe, dass kognitive Dysfunktionen möglicherweise schon vor Beginn anderer Symptome der Depression vorhanden sein könnten. Eine niedrige Performanz im episodischen Gedächtnis sagte in einer populationsbasierten Studie an >8500 Teilnehmern zwischen 20 und 64 Jahren eine Depression drei Jahre später voraus [1]. Ähnliche Ergebnisse zeigten sich in einer Langzeitstudie mit 569 weiblichen Zwillingspaaren, in der eine schlechtere Baseline-Funktion des episodischen Gedächtnisses die Entwicklung einer Depression prädizierte [51]. Schließlich schnitten 35 junge Frauen (zwischen 16 und 21 Jahren) ohne Depression, aber mit mindestens einem depressiven Elternteil in Gedächtnistests wesentlich schlechter ab als gesunde Frauen gleichen Alters ohne depressive Störungen in der Familiengeschichte [33]. Dies deutet darauf hin, dass kognitive Störungen ein prämorbider Risikofaktor für die Entstehung einer Depression sein könnten.
Kognitive Störungen können also nicht nur während einer depressiven Episode vorhanden sein, sondern auch nach Remission noch andauern und bereits vor einer ersten depressiven Episode oder in Euthymie zwischen zwei Episoden vorliegen. Dies legt zusammenfassend den Schluss nahe, dass kognitive Störungen ein zentrales Symptom der Depression darstellen und nicht ausschließlich als Epiphänomen der depressiven Psychopathologie angesehen werden sollten.
Zudem prädizieren kognitive Störungen eine schlechtere Response sowie höhere Rückfallraten, und sie beeinträchtigen die soziale Funktionsfähigkeit vieler depressiver Patienten [35]. Aus diesem Grund ist die Verbesserung kognitiver Funktionsstörungen von hoher Wichtigkeit bei der Behandlung der Depression. Obwohl es Hinweise darauf gibt, dass Antidepressiva die kognitive Funktionsfähigkeit depressiver Patienten verbessern, mangelt es bisher an Belegen aus gut kontrollierten Studien [35, 54].
Dieser Artikel fokussiert auf Vortioxetin, ein neues multimodales Antidepressivum, das in präklinischen Tierstudien günstige Effekte auf Lernen und Gedächtnis gezeigt hat und das speziell im Hinblick auf die kognitive Funktionsfähigkeit in kontrollierten Studien an depressiven Patienten untersucht wurde [7, 36].
Präklinische Daten
Als Wirkungsmechanismus von Vortioxetin wird eine direkte Modulation serotonerger Rezeptoraktivität sowie die Inhibition des Serotonin-(5-HT-)Transporters angenommen. Präklinische Daten zeigen, dass Vortioxetin ein 5-HT3-, 5-HT7- und 5-HT1D-Rezeptorantagonist, ein 5-HT1B-Rezeptor-Partialagonist, ein 5-HT1A-Rezeptoragonist und ein Inhibitor des 5-HT-Transporters ist. Dies führt zur Modulation weiterer Neurotransmitter, einschließlich des Noradrenalin-, Dopamin-, Histamin-, Acetylcholin-, GABA- und Glutamat-Systems. Abbildung 1 fasst die Wirkungsmechanismen von Vortioxetin mit Hauptaugenmerk auf Wirkungen auf 5-HT-Rezeptoren, sowie die Modulation des Glutamat- und GABA-Systems zusammen.
Abb. 1. Modulierende Rolle von Serotonin-(5-HT-)Rezeptoren auf die glutamaterge und GABAerge Neurotransmission und Angriffspunkte von Vortioxetin [mod. nach 38]. Dargestellt sind ein glutamaterges Pyramiden-Neuron und verschiedene GABA-Interneuronen, die die 5-HT3-, 5-HT1A-, 5-HT7- und 5-HT1B-Rezeptoren entweder an Dendriten oder Axonenden exprimieren. Zu beachten ist, dass die 5-HT1A-, 5-HT1B- und 5-HT7-Rezeptoren an verschiedenen Neuronenpopulationen lokalisiert sein können.
Mørk et al. beurteilten in Tiermodellen der Angst und Depression die Effekte von Vortioxetin auf Neurotransmitterspiegel. Sie bestätigten, dass Vortioxetin multimodale serotonerge Wirkweisen hat, einschließlich eines partiellen 5-HT1B-Rezeptoragonismus, eines 5-HT7-Antagonismus, eines 5-HT3-Antagonismus sowie der Inhibition des Serotonin-Transporters, insbesondere im präfrontalen Kortex und im Hippocampus – zwei Hirnregionen, die in enger Verbindung zu der kognitiven Funktionsfähigkeit stehen [39]. Die Autoren folgerten, dass Vortioxetin über zwei zentrale Wirkweisen verfügt (5-HT-Rezeptor-Modulation und Serotonin-Transporter-Inhibition), durch die es je nach Gehirnregion Konzentrationssteigerungen verschiedener Neurotransmitter hervorruft.
Bétry et al. [3] führten elektrophysiologische und Autoradiographie-Studien an männlichen Sprague-Dawley-Ratten durch, um die Effekte von Vortioxetin auf die neuronale Aktivität des serotonergen Systems zu untersuchen. Vortioxetin führte zu einer raschen Minderung spontaner Feuerungen der 5-HT-Neuronen im dorsalen Raphe-Kern, die innerhalb eines Tages wieder zurückging. Nachfolgende autoradiographische Studien zeigten, dass die Hemmung der neuronalen Feuerung des 5-HT-Systems durch Vortioxetin mit Dosierungen erfolgte, die den Serotonintransporter nur teilweise blockierten. Die Autoren folgerten, dass Vortioxetin die neuronale Aktivität des 5-HT-Systems indirekt durch die Freisetzung von extrazellulärem Serotonin inhibiert und dass der 5-HT3-Rezeptorantagonismus ein weiterer wichtiger Aspekt des Wirkungsmechanismus ist.
Guilloux et al. [17] untersuchten die Effekte von Vortioxetin an drei Mausmodellen zu Angst und Depression – mittels des Forced-Swim-Tests, des Open-Field-Tests und des Novelty-Suppressed-Feedings-Tests. Sowohl die Akut- als auch die wiederholte Gabe von Vortioxetin führten zu größeren antidepressiven und angstlösenden Effekten als Fluoxetin und zu vergleichbaren Effekten (im Open-Field-Test) wie Diazepam. Vortioxetin führte zudem zu einer verstärkten Zellproliferation und stimulierte die Reifung unreifer Körnerzellen im Gyrus dentatus des Hippocampus. Die Autoren folgerten, dass Vortioxetin nach wiederholter Gabe ein antidepressives und anxiolytisches Profil mit einer gesteigerten Neurogenese aufwies.
Li et al. zeigten in einem Tiermodell mit hormonell induziertem depressiven Verhalten (Progesteronentzug), dass Vortioxetin (wie Amitriptylin) antidepressive Effekte hatte, während andere Antidepressiva wie Fluoxetin und Duloxetin keine Wirksamkeit zeigten [30]. Ferner haben Jensen et al. [23] gezeigt, dass Vortioxetin durch Serotonin-Depletion verursachte Gedächtnisdefizite bei Ratten rückgängig machte. Diese Ergebnisse werden gestützt durch Arbeiten von Mørk et al. [38], die den Effekt von Vortioxetin auf das Gedächtnis von Ratten mittels des Contextual-Fear-Conditioning-Tests und des Novel-Object-Recognition-Tests untersuchten. Sie fanden heraus, dass Vortioxetin sowohl das kontextuelle als auch das episodische Gedächtnis verbesserte. Sie fanden zudem, dass Vortioxetin die extrazellulären Spiegel von Acetylcholin und Histamin erhöhte und diese Effekte über den 5-HT3- und 5-HT7-Rezeptorantagonismus und den 5-HT1A-Rezeptoragonismus vermittelt wurden. Zudem fanden du Jardin et al. [10], dass Vortioxetin in weiblichen Long-Evans-Ratten Gedächtnisdefizite aufhob, die durch Serotonin-Depletion verursacht wurden.
Insgesamt legen also verschiedene präklinische Studien nahe, dass Vortioxetin nicht nur antidepressive und angstlösende Effekte aufweist, sondern auch Lern- und Gedächtnisprozesse günstig beeinflusst. Wahrscheinlich sind diese Effekte auf multiple Neurotransmitter-Systeme einschließlich der Glutamat- und GABAergen Neurotransmission zurückzuführen (Abb. 1) [50].
Klinische Daten
Basierend auf diesen präklinischen Ergebnissen wurde Vortioxetin in mehreren kontrollierten Studien bei depressiven Patienten untersucht, und es wurde sowohl von der European Medicines Agency (EMA) als auch der US Food and Drug Administration (FDA) für die Behandlung der Major Depression zugelassen. Die klinischen Daten hinsichtlich Wirksamkeit und Verträglichkeit wurden kürzlich in verschiedenen Artikeln narrativ und qualitativ zusammengefasst [7, 24]. Der vorliegende Artikel beschäftigt sich primär mit den Effekten von Vortioxetin auf die kognitive Funktion depressiver Patienten und setzt diese in Relation zu den Ergebnissen anderer Antidepressiva.
Kognitive Funktion als sekundärer Endpunkt
Ein erster Beleg für günstige Effekte von Vortioxetin auf kognitive Dysfunktionen wurde in einer Studie an älteren Patienten (≥65 Jahre) mit Major Depression gefunden, in der über acht Wochen Vortioxetin in einer Dosierung von 5 mg/Tag mit Placebo und Duloxetin (60 mg/Tag) als Referenzsubstanz verglichen wurde. Duloxetin hatte seine Wirksamkeit bei älteren Patienten mit Major Depression in einer früheren Studie gezeigt, die unter anderem einen verbalen Gedächtnistest beinhaltete [45]. Kognitive Funktion wurde a priori als sekundärer Endpunkt definiert. Primärer Endpunkt war die Änderung des Gesamtscores der Hamilton-Depressionsskala (HAM-D24) gegenüber dem Ausgangswert. Zur Einschätzung der Effekte auf die Kognition wurde die Performanz der Patienten hinsichtlich des verbalen Lernens und Gedächtnisses sowie der Verarbeitungsgeschwindigkeit bei Behandlungsbeginn und beim letzten Follow-up-Termin gemessen. Folgende etablierte Tests wurden angewandt:
- Rey Auditory Verbal Learning Test (RAVLT) [29]: Jeder Patient lernte in drei Durchgängen eine Liste von 15 geläufigen Nomen; die Akquisitions-Punktzahl ergab sich aus der Gesamtzahl der richtig erinnerten Wörter in den drei Durchgängen. Die Punktzahl im verzögerten Abruf war die Anzahl der Wörter, die nach Durchführung anderer interferierender kognitiver Tests korrekt erinnert wurden. Der RAVLT beurteilt das verbale Lernen und Gedächtnis, einschließlich Abruf und Wiedererkennung.
- Der Digit Symbol Substitution Test (DSST) [28]: Diese Skala beinhaltet die Substitution einfacher Symbole durch Ziffern. Gemessen wird die Anzahl der innerhalb von zwei Minuten korrekt durch Ziffern ersetzten Symbole. Der DSST beurteilt die Performanz hinsichtlich der Exekutivfunktion, dem Arbeitsgedächtnis, der Verarbeitungsgeschwindigkeit und der räumlich-visuellen Aufmerksamkeit.
RAVLT und DSST wurden gewählt, weil sie Aspekte der Kognition abdecken, die bei älteren depressiven Patienten beeinträchtigt sind [6, 53]. Außerdem wurden diese Tests bereits in einer früheren Studie mit depressiven Patienten verwendet, in der Duloxetin günstige Auswirkungen auf die kognitive Funktionsfähigkeit gezeigt hatte [45].
Im Hinblick auf die depressive Psychopathologie zeigten sowohl Vortioxetin als auch Duloxetin im Vergleich zu Placebo stärkere antidepressive Effekte auf den primären Endpunkt (HAM-D24). Im Digit Symbol Substitution Test verbesserte Vortioxetin, nicht jedoch Duloxetin, im Vergleich zu Placebo die Anzahl der korrekten Symbole. Beim Rey Auditory Verbal Learning Test zeigten sowohl Vortioxetin als auch Duloxetin im Vergleich zu Placebo eine statistisch signifikante Verbesserung von Akquisitionszeit und verzögertem Abruf. Die standardisierten Effektstärken von Vortioxetin und Duloxetin im Vergleich zu Placebo hinsichtlich der Kognition sind in Abbildung 2 dargestellt. Eine Pfadanalyse legt nahe, dass Vortioxetin zusätzlich zu den Effekten auf die depressiven Symptome direkte Auswirkungen auf die Kognition hat. Die Effekte von Vortioxetin in dieser Studie zur kognitiven Performanz wurden als sekundärer Endpunkt gemessen und lieferten somit eine empirische Basis für weitere Studien bei jüngeren Patienten mit Depression und kognitiven Dysfunktionen als primärem Endpunkt.
Abb. 2. Standardisierte Effektgrößen von Vortioxetin (5 mg/Tag) und Duloxetin (60 mg/Tag) verglichen mit einem Placebo beim Digit Symbol Substitution Test (DSST) und dem Rey Auditory Verbal Learning Test (RAVLT) [mod. nach 19]. *p<0,05; **p<0,01 versus Placebo
Zusätzlich zu dieser Studie mit älteren depressiven Patienten zeigte auch eine kontrollierte Studie mit jüngeren depressiven Patienten zwischen 18 und 65 Jahren günstige Effekte von Vortioxetin auf subjektive kognitive Beschwerden der Patienten als sekundärem Endpunkt [13]. In dieser Studie wurde der Massachusetts General Hospital Cognitive and Physical Functioning Questionnaire (CPFQ) angewandt. Der CPFQ wurde speziell für Depressions-Studien entwickelt und ist ein sieben Items umfassender Fragebogen, von dem drei Items die körperliche Funktionsfähigkeit betreffen und vier Items speziell nach der kognitiven Funktionsfähigkeit der Patienten fragen [12]. In klinischen Studien sind jedoch gut validierte neuropsychologische Tests für die objektive Beurteilung multipler kognitiver Domänen zu bevorzugen.
Kognitive Funktion als primärer Endpunkt
Schon in diesen früheren Studien hatte Vortioxetin günstige Effekte auf die kognitive Funktionsfähigkeit gezeigt, allerdings wurde diese als sekundärer Endpunkt definiert. Aus diesem Grund wurde eine konfirmatorische Studie [36] mit depressiven Patienten im Alter von 18 bis 65 Jahren durchgeführt. Die Effekte von 10 mg und 20 mg Vortioxetin auf die kognitive Funktionsfähigkeit verglichen mit Placebo wurden als a priori definierter primärer Endpunkt mittels eines zusammengesetzten Z-Scores aus dem DSST (Verarbeitungsgeschwindigkeit, Exekutivfunktion, Aufmerksamkeit) und dem RAVLT (Lernen [Akquisition], Gedächtnis [verzögerter Abruf]) getestet. Zusätzliche neuropsychologische Tests umfassten den Trail-Making-Test (TMT) A (Verarbeitungsgeschwindigkeit), den TMT B (Exekutivfunktion), die „choice reaction time“ (CRT, Aufmerksamkeit), den Stroop-Test (Exekutivfunktion) sowie die „simple reaction time“ (SRT, motorische Schnelligkeit). Die Besserung der Psychopathologie über acht Wochen gemessen mit der Montgomery-Åsberg Depression Rating Scale (MADRS) wurde als sekundärer Endpunkt definiert. Mittels des Perceived Deficits Questionnaire (PDQ) wurden kognitive Beeinträchtigungen aus Sicht der Patienten beurteilt. Der PDQ ist ein Selbstratinginstrument mit 20 Items, das von den Patienten zur Beurteilung der selbst wahrgenommenen kognitiven Schwierigkeiten ausgefüllt wird (Aufmerksamkeit/Konzentration, Gedächtnis, Planung/Organisation).
Bezüglich des primären Endpunkts (Z-Score der Kognition) waren beide Dosierungen von Vortioxetin Placebo statistisch signifikant überlegen. Ferner lagen beide Dosierungen von Vortioxetin statistisch über Placebo hinsichtlich des vordefinierten sekundären Endpunkts (DSST, korrekte Symbole). Unterschiede zum Placebo wurden für alle kognitiven Domänen gefunden, mit Ausnahme von 20 mg Vortioxetin beim RAVLT (Lernen) und dem CRT. Die klinische Relevanz des statistisch signifikanten Effekts wird gestützt durch die standardisierten Effektstärken (Cohen’s d im Bereich von 0,23 bis 0,52; Abb. 3).
Abb. 3. Standardisierte Effektstärken (Cohen’s d) für die untersuchten neuropsychologischen Domänen [aus 30]. DSST: Digit Symbol Substitution Test; RAVLT: Rey Auditory Verbal Learning Test; TMT: Trail Making Test (A oder B); SRT: Stroop, einfache Reaktionszeit-Aufgabe; CRT: Wahlreaktionszeit-Aufgabe. *p<0,05; **p<0,01; ***p<0,001 vs. Placebo
Hinsichtlich der antidepressiven Wirkung unterschieden sich beide Vortioxetin-Dosierungen signifikant von Placebo (Abb. 4). Ferner konnten auch für Response und Remission signifikante Unterschiede zugunsten beider Dosierungen von Vortioxetin gefunden werden [36].
Abb. 4. Gesamtscores der Montgomery-Åsberg Depression Rating Scale (MADRS) von Behandlungsbeginn bis Woche 8 [aus 30]. **p<0,01; ***p<0,001 vs. Placebo; LOCF: Last observation carried forward
Die günstigen Effekte von Vortioxetin vs. Placebo bei objektiven neuropsychologischen Tests wurden untermauert von signifikanten Verbesserungen in der von Patienten beurteilten, subjektiven kognitiven Funktionsfähigkeit (Abb. 5). Beide Dosierungen von Vortioxetin führten zu stärkeren Verbesserungen in allen PDQ-Subskalen (Aufmerksamkeit/Konzentration, Gedächtnis [retrospektiv und prospektiv], Planung/Organisation).
Abb. 5. Patientenurteil zum Einfluss von Vortioxetin auf die kognitive Funktion: Subskalen-Scores des PDQ (Perceived deficit questionnaire) als mittlere Veränderung von Behandlungsbeginn bis Woche 8 [aus 30]. *p<0,05; **p<0,01; ***p<0,001 vs. Placebo
Erwähnenswert ist, dass unabhängig von der Besserung der Depression im Verlauf beide Dosierungen von Vortioxetin die kognitive Performanz verbesserten. Dies deutet auf Effekte auf die kognitive Funktionsfähigkeit hin, die vom antidepressiven Effekt unabhängig sind. Beide Dosierungen von Vortioxetin verbesserten nämlich die kognitive Performanz sogar bei den Patienten, die nicht respondierten bzw. remittierten [36]. Daraus kann nicht abgeleitet werden, dass Vortixoetin anderen Antidepressiva bezüglich der Effekte auf die Kognition überlegen ist; allerdings wurden diese von der antidepressiven Wirkung unabhängigen direkten Effekte auf die Kognition für andere Antidepressiva bisher nur für Duloxetin in geringerem Ausmaß gezeigt (s.u.).
In einer weiteren kontrollierten Studie mit 602 depressiven Patienten zwischen 18 und 65 Jahren mit kognitiver Funktion als primärem Endpunkt (Veränderung des DSST-Scores innerhalb von acht Wochen) wurden Vortioxetin (10–20 mg/Tag) und Duloxetin (60 mg/Tag, als Referenzwirkstoff) mit Placebo verglichen. Diese Studie wurde bislang nur als Abstract veröffentlicht [31]. Nach acht Behandlungswochen war Vortioxetin gegenüber Placebo signifikant überlegen im DSST (p<0,05). Die Duloxetin-Gruppe unterschied sich hingegen nicht von Placebo. Vom methodischen Standpunkt aus wäre auch ein direkter Vergleich zwischen Vortioxetin und Duloxetin interessant gewesen. Als vordefinierte sekundäre Endpunkte wurden die PDQ-Subskalen zu Aufmerksamkeit/Konzentration und Planung/Organisation gemessen; hier verbesserten beide Präparate die subjektive Funktionsfähigkeit in größerem Ausmaß als Placebo. Zudem zeigten sowohl Vortioxetin als auch Duloxetin eine stärkere antidepressive Wirkung als Placebo. In einer Pfadanalyse wurde zudem (statistisch) gezeigt, dass etwa 75% der Wirkung von Vortioxetin auf die kognitive Funktion direkt und nur etwa 25% über die antidepressive Wirkung vermittelt wurde. Auch Duloxetin führte zu einer verbesserten Kognition im Vergleich zu Placebo, allerdings waren hierfür laut Pfadanalyse nur knapp 50% direkte Effekte verantwortlich, während mehr als 50% über indirekte antidepressive Effekte zu erklären waren [31].
Zusammenfassend kann daher konstatiert werden, dass Vortioxetin verglichen mit Placebo in drei verschiedenen Populationen depressiver Patienten sowohl in Selbstratingskalen als auch in objektiven neuropsychologischen Tests günstige Effekte auf kognitive Funktionsstörungen zeigte. Der letzte Abschnitt dieses Artikels wird nun die Ergebnisse für Vortioxetin in Bezug setzen zu denjenigen anderer zugelassener Antidepressiva und nichtpharmakologischer Maßnahmen.
Aktuelle Evidenz zu Antidepressiva und nichtpharmakologischer Behandlung
Antidepressiva
In den letzten Jahrzehnten hat sich die pharmakologische antidepressive Behandlung weiterentwickelt – von den älteren trizyklischen Antidepressiva und Monoaminoxidasehemmern hin zu selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmern (SSRI) und Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmern (SNRI). Es gibt jedoch nur wenige, und meist kleine Studien ohne Placebo-Kontrolle zu den Auswirkungen von Antidepressiva auf die kognitive Performanz nichtgeriatrischer Patientenpopulationen mit Depression.
Festzustellen ist zunächst, dass ältere Antidepressiva die kognitive Funktionsfähigkeit depressiver Patienten nicht verbessern, sondern verschlechtern. Dies wurde für trizyklische Antidepressiva gezeigt und zurückgeführt auf ihre anticholinergen Nebenwirkungen [25]. Ferner wurde in einer Metaanalyse für Lithium, das als Augmentation für die Behandlung mit Antidepressiva verwendet wird, nachgewiesen, dass es die psychomotorische Geschwindigkeit sowie verbales Lernen und Gedächtnis beeinträchtigt, obwohl die klinische Bedeutung dieses Effekts unklar ist [58].
In den letzten zehn Jahren häuft sich hingegen die Evidenz aus mehreren Studien für günstige Effekte von neueren Antidepressiva auf die kognitive Funktionsfähigkeit bei depressiven Patienten (für einen Überblick siehe Tab. 1).
Tab. 1. Effekte der pharmakologischen Behandlung auf kognitive Dysfunktionen bei nichtgeriatrischen Patienten mit depressiven Störungen [mod. und erweitert nach 29]
Autor |
Jahr |
Population |
Behandlung |
Kognitive Defizite/ Verbesserungen |
Ferguson [12] |
2003 |
n=74 Major Depression (MD)* (Altersspanne 18–65 Jahre) |
Reboxetin (8–10 mg/Tag; n=25) Paroxetin (20–40 mg/Tag; n=23) Placebo (n=26) |
Im Vergleich zur Baseline verbesserte Reboxetin, jedoch nicht Paroxetin und Placebo, die kontinuierliche Aufmerksamkeit und psychomotorische Geschwindigkeit |
Vythilingham [56] |
2004 |
n=22 MD* 33 gesunde Probanden |
Fluoxetin (n=20) Sertralin (n=1) Venlafaxin (n=1) |
Bei Behandlungsbeginn hatten depressive Probanden im Vergleich zu gesunden Probanden signifikante Dysfunktionen beim Gedächtnisabruf ohne signifikante Unterschiede in visuellem Gedächtnis, bei Aufmerksamkeit, Vigilanz oder Ablenkbarkeit. Die Behandlung mit Antidepressiva führte zu einer signifikanten Verbesserung des verbalen Gedächtnisses |
Zobel [61] |
2004 |
n=64 MD* (Durchschnittsalter 46,6; Spanne 19–65 Jahre) |
Citalopram (n=64) |
Verbesserung der Arbeitsgedächtnisses, des verbalen Gedächtnisses sowie der selektiven Aufmerksamkeit im Verlauf der Citalopram-Behandlung |
Constant [8] |
2005 |
n=20 MD* (Durchschnittsalter 47,7 Jahre) 26 gesunde Probanden (Durchschnittsalter 8,9 Jahre) |
Sertralin (50–75 mg/Tag) |
Patienten mit Depression zeigten Störungen der psychomotorischen Geschwindigkeit, der Aufmerksamkeit und der Exekutivfunktion. Sertralin verbesserte diese kognitiven Funktionen im Verlauf |
Wroolie [51] |
2006 |
n=17 MD* (Durchschnittsalter 55,9; Spanne 45–65 Jahre) |
Escitalopram (n=17) |
Es gab Verbesserungen im Behandlungsverlauf auf der Wechsler Memory Scale III (logisches Gedächtnis 1. Abruf, I und II Scores ; visuelle Wiedergabe Score I) und im Trail Making Test Teil B |
Herrera-Guzman [16] |
2009 |
n=73 MD* SSRI (n=36; Durchschnittsalter 32,9 Jahre; SD =8,7); SNRI (n=37; 33,2 Jahre, SD =8,6); n=37 gesunde Probanden (33,1 Jahre; SD =8,0) |
Escitalopram (10 mg/Tag; n=36) Duloxetin (60 mg/Tag; n=37) |
Die SSRI- und SNRI-Medikation verbesserte sowohl das Arbeitsgedächtnis als auch andere Exekutivfunktionen. Die kognitive Funktionsfähigkeit der depressiven Patienten verbesserte sich jedoch nicht bis auf das Niveau gesunder Probanden. |
Herrera-Guzman [20] |
2008 |
n=20 MD* |
Bupropion (150 mg/Tag) |
Patienten verbesserten sich im visuellen Gedächtnis und in der Verarbeitungsgeschwindigkeit. |
Hinkelmann [22] |
2009, 2012 [17] |
n=52 MD* unter SSRI-Medikation und zusätzlicher Behandlung, die den Mineralcorticoid-(MR-)Rezeptor moduliert n=50 gesunde Probanden |
Escitalopram (10–20 mg/Tag; n=52) Zusatzmedikation mit dem MR-Agonisten Fludrocortison (0,2 mg/Tag; n=19) oder dem MR-Antagonisten Spironolacton (100 mg/Tag; n=22) oder einem Placebo (n=11) |
Bei Behandlungsbeginn waren verbales Gedächtnis, räumlich-visuelles Gedächtnis, Arbeitsgedächtnis sowie die selektive Aufmerksamkeit der Patienten im Vergleich zu den gesunden Probanden beeinträchtigt. Im Verlauf nach drei Wochen verbesserten sich die depressiven Patienten in allen kognitiven Domänen, waren jedoch immer noch schlechter als die gesunden Probanden bezüglich des Arbeitsgedächtnisses, des räumlich-visuellen Gedächtnisses sowie der selektiven Aufmerksamkeit. |
Greer [16] |
2014 |
n=21 MD* |
Duloxetin (30–120 mg/Tag) |
Nach abgeschlossener Behandlung zeigten sich signifikante kognitive Verbesserungen in verschiedenen kognitiven Domänen |
McIntyre [30] |
2014 |
n=598 MD* (Durchschnittsalter45,8; Spanne 18–65 Jahre) |
Vortioxetin 10 mg (n=195) Vortioxetin 20 mg (n=207) Placebo (n=196) |
Beide Dosierungen von Vortioxetin waren Placebo überlegen bezüglich der Veränderung des zusammengesetzten Z-Scores verschiedener kognitiver Domänen von Baseline zu Woche 8. |
Mahableshwarkar (Abstract) [25] |
2014 |
n=602 MDD* (18–65 Jahre) |
Vortioxetin 10 – 20 mg (n=198) Duloxetin 60 mg (n=210) Placebo (n=194) |
Vortioxetin verbesserte zwischen Baseline und Woche 8 die DSST-Scores signifikant über Placebo, Duloxetin dagegen nicht. Beide Antidepressiva verbesserten die subjektive kognitive Funktionsfähigkeit, die mittels PDQ gemessen wurde, in größerem Ausmaß als Placebo. |
*MD: Major Depression. Es wurden nur Studien mit wiederholten Messungen (Beurteilung bei Behandlungsbeginn und bei Nachuntersuchungen) mit einbezogen. DSST: Digit Symbol Substitution Test; PDQ: Perceived Deficits Questionnaire; SD: Standardabweichung
Bislang haben die meisten Studien ein longitudinales Design mit wiederholten Messungen und mit neuropsychologischen Tests bei Behandlungsbeginn und während des Follow-up (üblicherweise 3 bis 12 Wochen) verwendet. In diesen Studien wurde entweder nur ein Antidepressivum untersucht oder es handelte sich um direkte Vergleichsstudien zwischen verschiedenen Antidepressiva. Den meisten dieser Studien mangelte es jedoch an einer Placebo-Kontrollgruppe, die für eine Beurteilung von Lerneffekten in den kognitiven Tests wichtig ist. Aus diesem Grund können aus den vorhandenen Studien nur begrenzt Schlussfolgerungen gezogen werden. Einer Placebo-Kontrollgruppe bedienten sich bislang, abgesehen von einer kleinen Studie, in der Reboxetin (nicht jedoch Paroxetin) günstige Effekte auf die kognitive Funktionsfähigkeit bei depressiven Patienten gezeigt hat [14], ausschließlich die beiden oben beschriebenen Studien, in denen Vortioxetin verglichen mit Placebo günstige Effekte zeigte [31, 36]. Unklar bleibt, ob depressive Probanden die Leistungsfähigkeit gesunder Probanden erreichten (obwohl die moderaten Effektgrößen auf eine klinisch signifikante Auswirkung hinweisen), da keine gesunde Kontrollgruppe mit einbezogen wurde. Studien, die in einem Test-Retest-Design eine gesunde Kontrollgruppe beinhalteten, zeigen für verschiedene Antidepressiva (Escitalopram, Sertralin, Fluoxetin, Duloxetin) eine gewisse Verbesserung der Kognition depressiver Patienten, die jedoch nicht das Niveau gesunder Kontrollprobanden erreichten [19, 21]. In den meisten Studien wurde jedoch die zweite Testung bereits wenige Wochen nach Behandlungsbeginn durchgeführt, sodass möglicherweise mehr Zeit nötig ist, um eine deutlichere kognitive Verbesserung nachzuweisen.
Nichtpharmakologische Maßnahmen
Neben den Antidepressiva können nichtpharmakologische Maßnahmen zur Verbesserung der kognitiven Funktionsstörungen bei depressiven Patienten angewandt werden. Tatsächlich hat eine aktuelle Studie gezeigt, dass zehn Wochen kognitiver Förderung („cognitive remediation“) mit ergänzenden Internet-basierten Hausaufgaben die Aufmerksamkeit/Verarbeitungsgeschwindigkeit sowie das verbale Lernen bei Patienten mit therapieresistenter Depression im Vergleich mit einer Warteliste-Kontrollgruppe verbessert hat [5]. In einer weiteren Studie verbesserten sich depressive Patienten, die eine 10-wöchige computergestützte kognitive Förderung erhielten, bei zahlreichen neuropsychologischen Tests, die Aufmerksamkeit, verbales Lernen und Gedächtnis, psychomotorische Schnelligkeit und Exekutivfunktion maßen. Diese Verbesserung zeigte sich nicht in einer Vergleichsgruppe ohne Intervention. Es gab jedoch keine Veränderung der depressiven Symptomatik im Studienverlauf, somit war die Verbesserung der kognitiven Performanz unabhängig von anderen Krankheitsvariablen [11]. Dies wurde gestützt von einer weiteren – wenn auch sehr kleinen – Studie zu kognitivem Training, die eine verbesserte Kognition depressiver Patienten nach kognitivem Training nachwies [42]. Daher scheint die kognitive Förderung, also eine nichtpharmakologische Maßnahme, die kognitive Funktionsfähigkeit depressiver Patienten innerhalb einiger Wochen zu verbessern. Interessanterweise fand eine weitere aktuelle Studie an 272 depressiven Patienten, die entweder Psychotherapie, Fluoxetin oder beides erhielten, dass die Psychotherapie allein sowie die Kombinationsbehandlung bei der Modifizierung spezieller Kognitionsbereiche wirksamer zu sein schienen als Fluoxetin allein [2].
In zukünftigen Studien sollten systematisch die Effekte von Antidepressiva, kognitivem Training und/oder Psychotherapie sowie die Kombination von beiden untersucht werden, um so deren Effekte auf die kognitiven Dysfunktionen depressiver Patienten weiter zu erforschen.
Zusammenfassung und Ausblick
Kognitive Funktionsstörungen treten häufig während depressiver Episoden auf und persistieren oft als Residualsymptom nach der Remission der depressiven Symptome. Residualsymptome wie kognitive Funktionsstörungen haben nicht nur einen nachteiligen Einfluss auf Lebensqualität und soziales Funktionsniveau der Patienten, sie erhöhen zudem das Rückfallrisiko. Es gibt daher einen Bedarf an neuen pharmakologischen und nichtpharmakologischen Behandlungsmethoden für kognitive Funktionsstörungen im Rahmen der Depression. Vortioxetin ist ein neues, multimodales Antidepressivum, das in präklinischen Tierstudien positive Effekte auf Lernen und Gedächtnis gezeigt hat. Vortioxetin ist ein 5-HT3-, 5-HT7- und 5-HT1D-Rezeptorantagonist, ein 5-HT1B-Rezeptor-Partialagonist, ein 5-HT1A-Rezeptoragonist sowie ein Inhibitor des 5-HT-Transporters. Dieses Wirkprofil führt zu einer Modulation weiterer Neurotransmitter, einschließlich des Serotonin-Systems sowie des Noradrenalin-, Dopamin-, Histamin-, Acetylcholin-, GABA- und Glutamat-Systems. Verglichen mit Placebo hat Vortioxetin günstige Effekte auf die kognitiven Dysfunktionen bei drei verschiedenen Populationen depressiver Patienten gezeigt. Dies betraf sowohl Selbstauskunftskalen als auch objektive neuropsychologische Tests. Von den zugelassenen Antidepressiva hat bisher nur Vortioxetin hinsichtlich der kognitiven Funktion als a priori definierter Endpunkt die Wirksamkeit im Vergleich mit Placebo bei nichtgeriatrischen Patienten mit Depression gezeigt.
Zusammenfassend und basierend auf biologischer Plausibilität, präklinischer Evidenz aus Tierstudien und Ergebnissen aus kontrollierten Studien scheint Vortioxetin günstige Effekte auf kognitiven Funktionsstörungen bei depressiven Patienten zu haben. Ob Vortioxetin in Vergleichsstudien vorteilhaft gegenüber anderen Antidepressiva oder nichtpharmakologischen Maßnahmen abschneidet, bedarf nun weiterer Untersuchungen.
Interessenkonflikterklärung
CO hat Beraterhonorare von Lundbeck sowie Vortragshonorare von Lundbeck und Servier erhalten.
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Prof. Dr. Christian Otte, Charité Universitätsmedizin Berlin, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Campus Benjamin Franklin, Hindenburgdamm 30, 12203 Berlin, E-Mail: christian.otte@charite.de
Vortioxetine and cognitive function in major depression. Evidence from preclinical and clinical studies
Due to its high life-time prevalence, major depression is one of the most urging medical problems in public health care. In many depressed patients cognitive dysfunction is present not only during the depressive episode but also as a residual symptom after remission has been achieved. Residual symptoms like cognitive dysfunction impair the patients’ social functional level as well as their quality of life and they increase the risk of relapse. Up to now, only few studies have specifically examined the effects of antidepressants on cognitive dysfunction in depressed patients.
Vortioxetine is a multimodal antidepressant acting on serotonin (5-HT) receptors in several ways: as an antagonist on 5-HT3, 5-HT7, and 5-HT1D receptors, as a partial agonist on 5-HT1B receptors, and as an agonist on 5-HT1A receptors; furthermore, it inhibits the 5-HT transporter. In preclinical animal studies, vortioxetine showed positive effects on learning and memory. The effects of vortioxetine on cognitive dysfunction in depressed patients are discussed in the context of available studies with other antidepressants.
Key words: Depression, cognition, antidepressants, vortioxetine
Psychopharmakotherapie 2015; 22(01)