Analyse von CYP450-Wechselwirkungen – kleiner Aufwand, große Wirkung


Betablocker

Holger Petri, Bad Wildungen

Für die Bewertung des pharmakokinetischen Interaktionspotenzials der Betablocker ist das Ausmaß der Affinität zum Cytochrom-P450-Isoenzym 2D6 (CYP2D6) von maßgeblicher Bedeutung, andere Isoenzyme spielen nur eine untergeordnete Rolle bei der Metabolisierung dieser Stoffgruppe. Unabhängig von der gleichzeitigen Gabe möglicher Modulatoren (Abb. 1) sind genetische Polymorphismen von CYP2D6 von hoher klinischer Relevanz und daher bei der Dosisfindung zu beachten. In der Interaktionstabelle (Tab. 1) wird das Verhalten sechs verschiedener Betablocker zu Cytochrom-P450-Isoenzymen dargestellt.
Psychopharmakotherapie 2013;20:88–91.

Gemäß Arzneimittelverordnungs-Report wurden 2011 die Betablocker-Leitsubstanzen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) Bisoprolol mit 677,5 Mio. DDD (Defined daily doses, definierte Tagesdosen) und Metoprolol mit 900,8 Mio. DDD am häufigsten verordnet [2].

Anhand der zwei folgenden Beispiele soll das Risiko für Wechselwirkungen der beiden Betablocker dargestellt werden.

Substrat von CYP2D6

Metoprolol wird ausschließlich über CYP2D6 metabolisiert. Wird bei einem Patienten, der auf eine Therapie mit Metoprolol eingestellt ist, Fluoxetin neu angesetzt, kann unter dieser Kombination die AUC (Fläche unter der Konzentrations-Zeit-Kurve) des Betablockers um 400 bis 600% steigen [6]. Ursache dafür ist, dass Fluoxetin ein starker CYP2D6-Hemmer ist. Dadurch wird der Abbau von Metoprolol verzögert, der Plasmaspiegel steigt. Wird die Metoprolol-Dosis nicht reduziert, besteht die Gefahr einer unerwünschten Blutdrucksenkung und Bradykardie. Wenn Fluoxetin abgesetzt, die Dosis von Metoprolol jedoch nicht wieder erhöht wird, besteht das Risiko eines Therapieversagens. Bei einer Substanz wie Fluoxetin mit einer Halbwertszeit von etwa 15 Tagen kommt erschwerend hinzu, dass die Dosisanpassung von Metoprolol aufgrund der langen Auswaschphase des Antidepressivums (etwa 5 Halbwertszeiten) sukzessive vorgenommen werden muss.

Die Kombination von Bisoprolol mit einem CYP2D6-Hemmer birgt kein nennenswertes Interaktionsrisiko und wäre daher in diesem Fall die geeignetere Alternative [3].

In der Migräneprophylaxe gehören die beiden Betablocker Metoprolol und Propranolol zu den Mitteln der ersten Wahl [7]. Die gleichzeitige Gabe von CYP2D6-Hemmern sollte vermieden werden, andernfalls ist eine sorgfältige Überwachung der Therapie angezeigt.

Hemmung von CYP2D6

Metoprolol ist nicht nur Substrat, sondern auch Inhibitor von CYP2D6. Bei gleichzeitiger Einnahme des CYP2D6-Substrats Dextromethorphan mit Metoprolol kann der Plasmaspiegel des Hustenstillers steigen [5], wodurch es vermehrt zu zentralnervösen Nebenwirkungen kommen kann.

Bisoprolol hingegen besitzt keine hemmenden Eigenschaften auf CYP2D6, somit wäre eine Kombination mit Dextromethorphan in pharmakokinetischer Hinsicht unproblematisch [4].

Pharmakogenetik

Bedingt durch genetisch determinierte Allelvarianten variiert die Expression funktionsfähiger CYP2D6-Enzyme. Als Folge kann sich die Eliminationsgeschwindigkeit von CYP2D6-Substraten bis zu einem Faktor 100 unterscheiden. Es werden je nach Aktivität vier Typen von Metabolisierern unterschieden [1]:

  • Langsame Metabolisierer (Poor metabolizer; PM) stark reduzierter Stoffwechsel
  • Intermediäre Metabolisierer (Intermediate metabolizer; IM) reduzierter Stoffwechsel
  • Extensive Metabolisierer (Extensive metabolizer; EM normaler Stoffwechsel
  • Ultraschneller Metabolisierer (Ultrarapid metabolizer; UM) beschleunigter Stoffwechsel

Dies bedeutet, dass bei Substraten, die in klinisch relevantem Maß über CYP2D6 metabolisiert werden, das Ansprechen unter Standarddosis unabhängig von der Gabe weiterer Medikamente interindividuell verschieden ist. Bei Patienten mit UM-Status kann der Therapieerfolg ausbleiben, bei Patienten mit PM-Status ist die Verträglichkeit reduziert. Tabelle 1 enthält Angaben zur Häufigkeit von genetischen Polymorphismen, auch unter Berücksichtigung ethnischer Gruppen.

Bei der Einstufung der Betablocker in eine bestimmte Risikoklasse wurde auch deren Selektivität berücksichtigt, denn nichtselektive Betablocker besitzen ein höheres diabetogenes sowie respiratorisches Risikopotenzial.

Tab. 1. Übersicht der Cytochrom-P450-assoziierten Interaktionen von Betablockern (Stand: 1/2013)

Abb. 1. Auswahl von modulierenden Substanzen (stark wirkende fettgedruckt) mit klinisch relevanter Wirkung auf einzelne CYP450-Isoenzyme (Stand: 02/2013) [Quelle: mediQ-Interaktionsprogramm]

Literatur

1. Reinecke K, Böhm R, Haen E, Cascorbi I, et al. Arzneimittel und CYP2D6. Dtsch Apo Ztg 2012;47:60–6.

2. Schwabe U, Paffrath D. Arzneimittelverordnungs-Report 2012. Springer Verlag 2012.

3. Suchresultat Kombination Bisoprolol und Fluoxetin, mediQ, vom 21.1.2013.

4. Suchresultat Kombination Dextromethorphan und Bisoprolol, mediQ, vom 21.1.2013.

5. Suchresultat Kombination Dextromethorphan und Metoprolol, mediQ, vom 21.1.2013.

6. Suchresultat Kombination Metoprolol und Fluoxetin, mediQ vom 21.1.2013.

7. Therapie der Migräne, Leitlinie Deutsche Gesellschaft für Neurologie, Stand September 2012.

Nachdruck aus Krankenhauspharmazie 2013;34:157–9.

Der Artikel wurde unter Einbeziehung von Diskussionsbeiträgen von Dr. Jörg Brüggmann, Berlin, Prof. Dr. Christoph Hiemke, Mainz, und Dr. Jochen Weber, Bad Wildungen, erstellt.

Holger Petri, Zentral-Apotheke der Wicker Kliniken, Im Kreuzfeld 4, 34537 Bad Wildungen, E-Mail: hpetri@werner-wicker-klinik.de

Psychopharmakotherapie 2013; 20(02)