Reduktion depressiver Symptome und verbesserte Lebensqualität unter Piribedil bei Parkinson-Patienten


Ergebnisse einer Zwischenauswertung nach sechs Monaten

Reinhard Ehret, Berlin, und Karin Lohmüller, Hamburg

In einer offenen, nichtinterventionellen Studie werden derzeit der klinische Langzeiteffekt und die Verträglichkeit von Piribedil (Clarium®) über 2 bzw. 4 Jahre untersucht (PIR 008/K). Bislang liegen die Daten einer Zwischenauswertung nach einer Therapie von mindestens sechs Monaten von 631 Patienten vor. Die Parkinson-Patienten erhielten Piribedil in Monotherapie oder Kombination mit Levodopa und wurden neu eingestellt oder von einem anderen Dopaminagonisten umgestellt. Die mittlere Piribedil-Dosis betrug etwa 160 mg. Gemessen im UPDRS-III-Wert verbesserte sich die Beweglichkeit besonders ab einer Piribedil-Dosis über 200 mg (–7,3 Punkte versus –3,3 Punkte bei ≤150 mg). Bei Patienten mit einer depressiven Symptomatik ging der Ausgangswert im Beck-Depressions-Inventar (BDI) von durchschnittlich 23 auf 14 Punkte nach sechs Monaten Therapie zurück und erreichte somit nahezu normale Werte. Die Stimmungsaufhellung schlug sich auch in einer Verbesserung der allgemeinen Lebensqualität der Patienten nieder. Die Behandlung mit Piribedil zeigte in dieser offenen Studie insbesondere bei Dosierungen über 200 mg eine gute motorische Wirkung. Darüber hinaus konnte die depressive Symptomatik deutlich gelindert und die Lebensqualität der Patienten verbessert werden.
Schlüsselwörter: Parkinson, Piribedil, offene Studie, Depression, Lebensqualität
Psychopharmakotherapie 2012;19:69–71.

Seit November 2007 ist der Non-Ergot-Dopaminagonist Piribedil auf dem deutschen Markt verfügbar. Die Zulassung in Mono- und Kombinationstherapie mit Levodopa erfolgte auf Basis von zwei randomisierten, kontrollierten Studien der Phase III (Evidenz-Level Ib) [4, 8]. Im Juni 2011 schloss sich eine Dosiserweiterung auch in Kombination mit Levodopa auf bis zu 250 mg pro Tag an. Piribedil unterscheidet sich von anderen Non-Ergot-Dopaminagonisten durch sein pharmakodynamische Rezeptorprofil mit einem gleichzeitig dopaminergen und noradrenergen Effekt. Dieser beruht auf einem Dopamin-D2/D3-Agonismus und einem Alpha2-Antagonismus, der eine verstärkte Ausschüttung von Noradrenalin bewirkt. Aus den vorliegenden klinischen Studiendaten ist bekannt, dass Piribedil die Beweglichkeit verbessert und die Vigilanz und Kognition der Parkinson-Patienten positiv beeinflussen kann [6]. Abgesehen von der eingeschränkten Motorik sind auch nichtmotorische Symptome bei der Parkinson-Erkrankung häufig. Speziell depressive Verstimmungen schränken die Lebensqualität der Patienten stark ein. In der vorliegenden Zwischenauswertung nach sechs Monaten Piribedil-Therapie wurden deshalb neben der motorischen Symptomatik in der Unified Parkinson’s Disease Rating Scale, Teil III (UPDRS-III) auch depressive Verstimmungen und die Lebensqualität der Patienten mit spezifischen Fragebögen erfasst.

Patienten und Methoden

Im Rahmen der offenen nichtinterventionellen Studie (NIS) sollten die Daten zum Krankheits- und Behandlungsverlauf sowie zur Langzeitverträglichkeit von Piribedil unter Praxisbedingungen an einem größeren Patientenkollektiv dokumentiert und ausgewertet werden (ClinicalTrials.gov ID: NCT01519856). An der NIS nahmen 87 Fachärzte für Neurologie und Nervenheilkunde in niedergelassenen Praxen in Deutschland teil, in denen regelmäßig Parkinson-Patienten behandelt werden. Die einzelnen Zentren haben jeweils mindestens 1 und maximal 33 Patienten in die Studie eingebracht. Im Mittel dokumentierten die Zentren 7 Patienten Für die Teilnahme an der Studie kamen erwachsene Parkinson-Patienten infrage, die Piribedil erstmalig in Mono- oder Kombinationstherapie erhielten. Die Patienten konnten neu eindosiert oder von einem anderen Dopaminagonisten umgestellt werden. Die motorische Symptomatik wurde mittels UPDRS Teil III dokumentiert, depressive Symptome im Beck-Depressions-Inventar (BDI) erfasst und die Lebensqualität mit einer siebenstufigen visuellen Analogskala gemessen. Der geplante Beobachtungszeitraum umfasst für jeden Patienten 24 Monate und kann optional auf 48 Monate ausgeweitet werden. Die Zwischenauswertung sollte nach etwa sechs Monaten Behandlung mit Piribedil erfolgen.

Ergebnisse

In die Zwischenauswertung nach etwa sechs Monaten Therapie konnten insgesamt 631 Patienten aus 87 Zentren einbezogen werden. Die Patienten waren im Mittel 70,1 Jahre alt und befanden sich überwiegend in den Hoehn & Yahr-Stadien I–III. Der Anteil der männlichen Patienten war mit 59,1% der Patienten etwas höher als der Anteil der weiblichen. Im Durchschnitt wurden die Patienten 7,6 Monate mit Piribedil behandelt. Die mittlere Dosierung betrug 160 mg Piribedil. Diese und weitere Patientenmerkmale sind in Tabelle 1 zusammengefasst.

Tab. 1. Demographische und Baseline-Daten zur Behandlung mit Piribedil

Anzahl der Patienten [n]

631

Alter zu Beginn der NIS [Jahre]

70,1

Alter bei Erkrankungsbeginn [Jahre]

66,2

Hoehn & Jahr Stadium I–III [%]

89,1

Geschlecht männlich/weiblich [%]

59,1/40,9

Monotherapie [n*]

243

Kombinationstherapie mit Levodopa [n*]

383

Neueinstellung [n*]

374

Umstellung [n*]

240

Mittlere Piribedil-Dosis [mg]

160

Dauer der Therapie im Mittel [Monate]

7,6

* Nur gültige Patienten (= Patienten, für die alle Daten korrekt vorlagen)

Patienten, die mit mindestens 200 mg Piribedil (n=41) behandelt wurden, zeigten eine ausgeprägtere Besserung der motorischen Symptome als Patienten, die mit bis zu 150 mg Piribedil therapiert wurden (n=246). Der UPDRS-III-Wert verringerte sich bei den Patienten mit ≤150 mg Piribedil von 28,4 auf 25,1 Punkte und bei den Patienten mit ≥200 mg Piribedil von 31,8 auf 24,5 Punkte (–3,3 vs. –7,3 Punkte).

Im Bereich der nichtmotorischen Störungen lag ein Schwerpunkt auf der Beurteilung des antidepressiven Effekts von Piribedil. Bei 161 Patienten wurde das Vorliegen einer depressiven Symptomatik mit dem BDI erhoben. Insgesamt 49 Patienten hatten depressive Symptome. Bei den betroffenen Patienten mit depressiven Symptomen gingen diese von durchschnittlich 23 auf 14 Punkte im BDI zurück. Dies entspricht im Mittel einem Rückgang von „mittelschwerer Depression“ auf den Grenzwert zu „keiner Depression“ (Abb. 1).

Abb. 1. Besserung depressiver Symptome (Rückgang des BDI-Scores) nach 6 Monaten Piribedil-Behandlung bei Patienten mit Angaben zu depressiver Symptomatik (n=161); BDI: Beck-Depressions-Inventar

Die Lebensqualität, gemessen mit einer 7-stufigen visuellen Analogskala (VAS), verbesserte sich bei den 108 Patienten mit deutlicher Einschränkung im Mittel von 5,6 auf 4,2 Punkte. Dieser Wert entspricht einer unbeeinträchtigten Lebensqualität. Zu Beginn der Therapie gaben 315 Patienten an, unter Tagemüdigkeit zu leiden. Diese konnte bei 54,4% der Patienten gebessert werden. Auch bei den 90 Patienten mit Ödemen gingen diese in 62,8% der Fälle zurück. Weitere Parameter zur Sicherheit der Therapie werden nach Ablauf der vollen zwei bzw. vier Jahre Behandlungszeitraum ausgewertet, um eine Aussage zur Langzeitverträglichkeit treffen zu können.

Fazit

Neben der motorischen Symptomatik rücken in letzter Zeit auch nichtmotorische neuropsychiatrische Symptome in den Vordergrund des wissenschaftlichen Interesses [9]. Der Beitrag dieser Symptome auf die Lebensqualität von Parkinson-Patienten ist beträchtlich [5]. An ihrer Entstehung sind oft Neurotransmittersysteme beteiligt, die nicht Dopa-responsiv sind [2]. Aus Literaturdaten ist bekannt, dass der Non-Ergot-Dopaminagonist Piribedil aufgrund seiner alpha2-antagonistischen noradrenergen Wirkung die Vigilanz und Kognition positiv beeinflussen kann [6]. Antidepressive Effekte von Dopaminagonisten werden vorwiegend in Zusammenhang mit der D3-agonistischen Wirkung diskutiert. Hier besitzt Piribedil ebenfalls ein starkes Bindungsverhalten [6]. Daher verwundert es nicht, dass ein antidepressiver Effekt für Piribedil in präklinischen Untersuchungen gezeigt werden konnte. In einem anerkannten Nagetier-Modell zur Depression (Chronic mild stress model) konnte durch Piribedil die sogenannte stressinduzierte Anhedonie antagonisiert werden. Die Effektstärke entsprach hierbei in etwa der von Imipramin, wobei der Effekt von Piribedil noch früher einsetzte [3, 7]. In einer offenen Studie mit 113 vorher unbehandelten Parkinson-Patienten verbesserte die dreimonatige Therapie mit Piribedil den Wert in der Hamilton-Depressionsskala („HARD“, Hamilton depression rating scale) von 10,2 auf 7,3 Punkte (p<0,001) [10]. Außerdem bewirkte Piribedil bei Patienten mit Apathie und Depression nach tiefer Hirnstimulation in einer Pilotstudie den Rückgang dieser Symptome [1].

In der vorliegenden Zwischenauswertung der Langzeit-NIS mit Piribedil (PIR 008/K) nach sechs Monaten verbesserte der Non-Ergot-Dopaminagonist die motorische Symptomatik in der UPDRS-III. Weiterhin konnten depressive Symptome gemildert und die Lebensqualität der Patienten verbessert werden.

Danksagung

Wir möchten allen Studienzentren für die aktive Teilnahme an der Langzeit-NIS danken.

Interessenkonflikt

Die Mittel für die Durchführung der nichtinterventionellen Studie wurden vom Hersteller von Piribedil, der Desitin Arzneimittel GmbH, zur Verfügung gestellt.

Literatur

1. Ardouin C, et al. Piribedil improves apathy, depression and anxiety in Parkinson’s disease. Mov Disord 2009;24(Suppl 1):S233–S234.

2. Bonnet AM. Involvement of non-dopaminergic pathways in Parkinson’s disease: Pathophysiology and therapeutic implications. CNS Drugs 2000;13:351–64.

3. Brocco M, Dekeyne A, Papp M, Millan MJ. Antidepressant-like properties of the anti-Parkinson agent, piribedil, in rodents: mediation by dopamine D2 receptors. Behav Pharmacol 2006;17:559–72.

4. Castro-Caldas A, Delwaide P, Jost W, Merello M, et al. The Parkinson-Control study: a 1-year randomized, double-blind trial comparing piribedil (150 mg/day) with bromocriptine (25 mg/day) in early combination with levodopa in Parkinson’s disease. Mov Disord 2006;21:500–9.

5. Martinez-Martin P. The importance of non-motor disturbances to quality of life in Parkinson’s disease. J Neurol Sci 2011;310: 12–6. Epub 2011 May 31.

6. Millan MJ. From the cell to the clinic: A comparative review of the partial D2/D3 receptor agonist and α2-adrenoceptor antagonist, piribedil, in the treatment of Parkinson’s disease. Pharmacol Ther 2010;128:229–73.

7. Papp M, Gruca P, Bonhomme C, Bodjarian N. Piribedil is able to reverse stress-induced anhedonia in the chronic mild stress model. Mov Disord 2002;17(Suppl 5):S47–8.

8. Rascol O, Dubois B, Castro-Caldas A, Senn S, et al. Early piribedil monotherapy of Parkinson’s disease: A planned seven-month report of the REGAIN study. Mov Disord 2006;21:2110–5.

9. Riedel O, et al. Frequency of dementia, depression, and other neuropsychiatric symptoms in 1,449 outpatients with Parkinson’s disease. J Neurol 2010;257:1073–82.

10. Rondot P, Ziegler M. Activity and acceptability of piribedil in Parkinson’s disease: a multicentre study. J Neurol 1992;239(Suppl 1):S28–34.

Dr. Reinhard Ehret, Schlossstraße 29, 12163 Berlin, E-Mail: dr.ehret@neurologie-berlin.de

Karin Lohmüller, Abteilung Medizin, Desitin Arzneimittel GmbH, Weg beim Jäger 214, 22335 Hamburg

Reduction of depressive symptoms and improved quality of life in Parkinson’s patients with piribedil – Interim results after six months

In an open, non-interventional study (NIS) the long-term clinical effect and tolerability of piribedil (Clarium®) for 2 or 4 years are currently investigated (PIR 008/K). So far, the data of 631 patients are included in an interim analysis after treatment of at least 6 months. The Parkinson’s patients received piribedil in monotherapy or in combination with L-dopa and were naïve or switched from another dopamine agonist. The mean dose of piribedil was approximately 160 mg. Patients mobility measured in the UPDRS III scale especially improved with a piribedil dose >200 mg (–7.3 points versus –3.3 points at ≤150 mg). In patients with existing depressive symptoms these symptoms decreased on an average of 23 to 14 points in the Beck Depression Inventory (BDI) after 6 months of therapy, and thus reached almost normal levels. The improvement in mood was also reflected in an improvement of the quality of life of patients.

Treatment with piribedil in this open-label study showed in particular at doses above 200 mg a good motor effect. Moreover, the depressive symptoms were significantly alleviated and the quality of life improved.

Key words: Parkinson, Piribedil, open trial, depression, quality of life

Psychopharmakotherapie 2012; 19(02)