Abdol A. Ameri, Weidenstetten
Das primäre Ziel in der Epilepsietherapie ist, Anfallsfreiheit zu erreichen. Mit den derzeit verfügbaren Arzneimitteln wird jedoch nur knapp die Hälfte aller Patienten mit neu diagnostizierter Epilepsie unter einer ersten Monotherapie anfallsfrei und etwa ein Drittel der Patienten gilt als therapieresistent. Neue Antiepileptika werden daher dringend benötigt. Bei der Entwicklung neuer Wirkstoffe werden im Wesentlichen zwei Strategien verfolgt: einerseits die Verbesserung bereits eingeführter Wirkstoffe, andererseits die Entwicklung von Wirkstoffen mit neuen Wirkungsmechanismen [1].
Derzeit verfügbare Antikonvulsiva wirken auf spannungsabhängige Ionenkanäle (vor allem auf Natrium-, aber auch auf Calcium- und Kaliumkanäle), verstärken die GABAerge Inhibition oder modulieren die präsynaptische Freisetzung von Neurotransmittern. Die glutamaterge Neurotransmission wird nur durch wenige Antiepileptika beeinflusst (z.B. Felbamat, Topiramat) [2].
Neue Zielstruktur AMPA-Rezeptor
Die zentralnervöse Exzitation wird im Wesentlichen durch Glutamat und in geringerem Maße durch Aspartat und einige weitere exzitatorische Aminosäuren vermittelt. Im Tiermodell korreliert die Auslösbarkeit epileptischer Anfälle mit der Glutamatkonzentration; dieser wird daher eine Schlüsselrolle für die Generierung epileptischer Anfälle zugesprochen [1]. Glutamat bindet im Wesentlichen an drei ionotrope Rezeptoren (Ionenkanal-Rezeptoren, Tab. 1), daneben an metabotrope Glutamat-Rezeptoren (G-Protein-gekoppelte Rezeptoren) [3, 4].
Tab. 1. Ionotrope Glutamat-Rezeptoren [3, 4]
Ionenkanal-Rezeptor |
Ionenströme durch den Rezeptor nach Bindung von Glutamat |
NMDA-Rezeptor |
Calcium-Einstrom, daneben Natrium-Einstrom und Kalium-Ausstrom; |
AMPA-Rezeptor |
Natrium-Einstrom und Kalium-Ausstrom (teilweise auch Calcium-Einstrom) |
Kainat-Rezeptor |
Natrium-Einstrom und Kalium-Ausstrom |
NMDA: N-Methyl-D-Aspartat; AMPA: α-Amino-3-hydroxy-5-methyl-4-isooxazole-propionic acid
In der Vergangenheit hielt man vor allem den NMDA-Rezeptor für eine vielversprechende Zielstruktur für die Entwicklung neuer Antiepileptika. Einige selektive NMDA-Rezeptorantagonisten zeigten dann auch im Tiermodell eine eindrucksvolle antiepileptische Wirksamkeit, doch bei Menschen erwiesen sie sich wegen inakzeptabler, vor allem kognitiver und psychomimetischer Nebenwirkungen bislang als unbrauchbar für die Therapie der Epilepsie. Das Interesse der Forscher richtete sich daher verstärkt auf den AMPA-Rezeptor. Eine Aktivierung dieses Rezeptors durch Glutamat erzeugt in der postsynaptischen Zelle eine Depolarisierung. Man nimmt an, dass AMPA-Rezeptoren wesentlich an der Entstehung und Ausbreitung epileptischer Anfälle beteiligt sind. Mittlerweile gibt es gute Evidenz dafür, dass durch Modulation dieses Rezeptortyps eine klinisch bedeutsame antikonvulsive Wirkung erreicht werden kann [4].
Perampanel
Der neue Wirkstoff Perampanel ist ein nichtkompetitiver und hochselektiver AMPA-Rezeptorantagonist (Abb. 1), der oral eingenommen werden kann. Durch Bindung von Perampanel an AMPA-Rezeptoren wird der Einstrom von Natrium- und Calciumionen unterdrückt, die Kaskade der glutamatergen Erregung wird unterbrochen. Perampanel zeigte in verschieden Tiermodellen eine hohe antikonvulsive Wirksamkeit. Im Amygdala-Kindling-Modell, einem Modell für die Temporallappen-Epilepsie, führte die Verabreichung von Perampanel (10 mg/kg, eine Stunde vor der Stimulation) bei Ratten zu einer signifikanten Reduktion der Anfallsdauer, sowohl hinsichtlich der motorischen Symptome als auch hinsichtlich der Nachentladungen im Elektroenzephalogramm (EEG, Abb. 2) [1, 5].
Abb. 1. Perampanel
Abb. 2. Reduktion der Anfallsdauer durch Perampanel (oral, 1 Stunde vor Stimulation) im Amygdala-Kindling-Modell der Ratte (Mittelwert, Standardfehler) [6]
In zwei Phase-II-Studien wurde die Verträglichkeit von Perampanel (2–12 mg/Tag) bei Erwachsenen mit therapierefraktärer fokaler Epilepsie untersucht. Die Ergebnisse dieser Studien waren Anlass dafür, die Wirksamkeit und Verträglichkeit der Substanz (2, 4, 8, und 12 mg/Tag) in drei Plazebo-kontrollierten, doppelblinden, multizentrischen Phase-III-Studien als Add-on-Therapie bei erwachsenen Patienten mit schwer behandelbaren fokalen Anfällen zu untersuchen. Erste Ergebnisse einer dieser Phase-III-Studien wurden im Dezember 2010 bei der Jahrestagung der American Epilepsy Society vorgestellt; Perampanel (2–8 mg/Tag) reduzierte hier dosisabhängig die mediane Anfallsfrequenz um bis zu 33,5% (Plazebo –13,8%) [6]. Nach Angaben von Eisai wurden mittlerweile auch die anderen beiden Phase-III-Studien mit konsistenten Ergebnissen abgeschlossen, die Publikation der Ergebnisse steht aber noch aus [1, 4].
Quellen
1. Prof. Dr. med. Eugen Trinka, Salzburg, Prof. Dr. med. Bernhard J. Steinhoff, Kehl-Kork. Fachpressegespräch „Näher am Patienten: Strategien in der Entwicklung moderner Antiepileptika“, veranstaltet von Eisai anlässlich der 7. Gemeinsamen Jahrestagung der Deutschen, Österreichischen und Schweizerischen Liga gegen Epilepsie, Graz, 3. Juni 2011.
2. Schulze-Bonhage A. Epilepsien und ihre medikamentöse Behandlung. Med Monatsschr Pharm 2010;33:207–14.
3. Aktories K, Förstermann U, Hofmann FB, Starke K (Hrsg.). Allgemeine und spezielle Pharmakologie und Toxikologie. 10. Auflage. München: Elsevier, Urban & Fischer, 2009.
4. Rogawski MA. Revisiting AMPA receptors as an antiepileptic drug target. Epilepsy Currents 2011;11:56–63.
5. Hashizume Y, et al. Anticonvulsant activity of perampanel, a selective AMPA receptor antagonist, in rodent models of epileptic seizure. Neurology 2008; 70(Suppl):Poster P02.113.
6. Krauss GL, et al. Efficacy and safety of perampanel, an AMPA receptor antagonist, as an adjunctive therapy in a Phase III study of patients with refractory partial-onset seizures. Epilepsy Curr 2011;11(Suppl 1):555(abstract 2.380).
Psychopharmakotherapie 2011; 18(04)