Von der klinischen Forschung bis nach Patentablauf – die Palette der Psychopharmakotherapie


Prof. Dr. Walter E. Müller, Frankfurt/M.

Nach vielen Schwerpunktheften sind in der vorliegenden Ausgabe der PPT eine Reihe von Artikeln zu verschiedenen Aspekten der experimentellen und klinischen Psychopharmakotherapie zusammengefasst. Einen gewissen Schwerpunkt bilden einige Beiträge zu regulatorischen und/oder forensischen Bereichen der Anwendung von Psychopharmaka, die gleichwohl auch große Bedeutung für die Anwendung in der täglichen Praxis haben.

Im Beitrag von Rohner et al. (Haina) werden rechtliche Aspekte in der Anwendung von Psychopharmaka bei forensischen Patienten ausführlich diskutiert, ein Bereich, der in Deutschland erheblich historisch belastet ist, der aber trotzdem klare Vorgaben erfordert. Der Beitrag, der auf eine Tagung zu diesem Thema zurückgeht, behandelt besonders auch die Problematik der Zwangsbehandlung und weist darüber hinaus auf das erhebliche Problem hin, dass Besonderheiten der Therapie forensischer Patienten (z.B. hohe Aggressivität) aus den typischen Psychopharmaka-Studien nur schlecht beantwortet werden können, da solche Patienten hier eher ausgeschlossen sind. Ein klarer Forschungsbedarf wird hier zusammen mit der Forderung nach klaren rechtlichen Rahmenbedingungen formuliert. Im Bereich Gesundheitsökonomie beschreibt Fritze (Pulheim) die Möglichkeit einer Preisfindung für ein neues innovatives Medikament im Rahmen der aktuellen restriktiven Festbetragsregelungen. Wie sich dieses Medikament zur oralen Behandlung der multiplen Sklerose (Fingolimod) letztlich im Spektrum anderer oral applizierbarer Substanzen für diese Erkrankung darstellt, wird von Mäurer (Bad Mergentheim) ausführlich diskutiert.

Für die Bewertung von Effektivität und Sicherheit von Arzneimitteln haben Metaanalysen heute eine immer größere Bedeutung. Dass viele interessante und wichtige Zusatzinformationen, aber auch eine Reihe von Fehlinformationen durch Metaanalysen vermittelt werden können, geht aus dem kritischen Beitrag von Volz (Werneck) zur Bewertung von Metaanalysen hervor.

In einem weiteren Beitrag zum Einsatz von Psychopharmaka untersuchen Stübner et al. (München) den Einfluss des Marketings auf das Verordnungsverhalten von Ärzten, im spezifischen Fall über die Verordnungshäufigkeit vor und nach Ablauf des Patentschutzes. An den Beispielen Amisulprid, Risperidon, Citalopram und Mirtazapin wird sehr klar gezeigt, dass die hohe Verordnungslage dieser Medikamente zu Zeiten des Patentschutzes und zu Zeiten intensiven Marketings sich auch über viele Jahre nach Auslaufen des Patentschutzes bei fehlendem Marketing und vielen generischen Anbietern auf hohem Niveau gehalten hat. Nur bei Citalopram war ein leichter Rückgang zu verzeichnen, der aber mehr als deutlich kompensiert wurde durch die steigenden Verordnungen des unter verschiedenen Aspekten besseren Folgeprodukts Escitalopram.

Zwei Arbeiten beschäftigen sich direkt mit Problemen der Anwendung von Psychopharmaka: die Übersicht von Klampfl et al. (Würzburg) zu speziellen Problemen der Psychopharmakotherapie in der ambulanten Kinder- und Jugendpsychiatrie und die Kasuistik von Stephan et al. (Brugg) über eine besonders kritisch verlaufene chronische Lithium-Intoxikation mit schweren kardialen Überleitungsstörungen.

Einige Berichte zu Tagungen und aktuellen Arbeiten runden wie immer die breite Palette dieses Heftes ab und halten unsere Leser über aktuelle Themen auch weiterhin informiert.

Psychopharmakotherapie 2011; 18(03)