Prof. Dr. Hans-Christoph Diener, Essen
In Europa werden zur Prophylaxe der Migräne in erster Linie Betablocker, Calciumkanalblocker und Antiepileptika eingesetzt, trizyklische Antidepressiva sind Arzneistoffe der ersten Wahl für den chronischen Spannungskopfschmerz. In den Vereinigten Staaten sind trizyklische Antidepressiva sehr viel populärer als in Europa, was unter anderem daran liegt, dass dort Flunarizin (z.B. Natil-N®), ein Calciumkanalblocker, nicht verfügbar ist.
Eine Arbeitsgruppe aus den Vereinigten Staaten hat nun eine Metaanalyse der prospektiven, randomisierten Studien zum Einsatz von trizyklischen Antidepressiva bei Kopfschmerzen durchgeführt. Im Rahmen einer systematischen Literaturrecherche wurden hierfür 37 Studien identifiziert, in denen Patienten mit Migräne oder chronischem Spannungskopfschmerz mit trizyklischen Antidepressiva behandelt wurden.
Erfasst wurde die Häufigkeit sowie die Intensität der Kopfschmerzen und, soweit verfügbar, ein Kopfschmerzindex, der sich aus der Häufigkeit, der Dauer und der Intensität der Kopfschmerzen zusammensetzt. In den 37 Studien waren insgesamt 3176 Patienten eingeschlossen, die mittlere Patientenzahl in den Studien betrug 70 Teilnehmer. 73% der Teilnehmer waren Frauen, das mittlere Alter betrug 40 Jahre.
In 20 Studien wurden trizyklische Antidepressiva mit Plazebo verglichen. In einigen Studien wurden Trizyklika auch mit selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmern, Betablockern, anderen Antidepressiva, Buspiron (z.B. Anxut®), Dihydroergotamin (z.B. DET MS®), Flunarizin, Ritanserin (in Deutschland nicht zugelassen) oder einer Verhaltenstherapie verglichen. Am häufigsten wurde Amitriptylin untersucht, vorwiegend in einer Dosis zwischen 50 und 100 mg/Tag.
Die Studien hatten eine mittlere Beobachtungszeit von 10 Wochen, Studienendpunkt war in 19 Studien die Häufigkeit der Kopfschmerzen, in 5 Studien die Kopfschmerzintensität und in 13 Studien ein Kopfschmerzindex aus Häufigkeit, Dauer und Intensität.
Ergebnisse
Über alle Studien hinweg war die Zahl der Tage mit Spannungskopfschmerzen und die Häufigkeit von Migräneattacken unter einer Therapie mit trizyklischen Antidepressiva um 30% niedriger als unter Plazebo. Die Wirkung der Trizyklika nahm mit der Dauer der Einnahme zu. Die Wahrscheinlichkeit, dass eine Behandlung die Intensität der Kopfschmerzen um mindestens 50% verringert, war unter Trizyklika höher als unter Plazebo, und zwar um 41% bei Patienten mit chronischem Spannungskopfschmerz und um 80% bei Patienten mit Migräne.
Trizyklische Antidepressiva waren nicht nur gegenüber Plazebo überlegen, sondern auch signifikant besser wirksam als selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer.
Erwartungsgemäß hatten Trizyklika mehr Nebenwirkungen als Plazebo. Die am häufigsten genannten Nebenwirkungen waren Mundtrockenheit, Benommenheit und Gewichtszunahme.
Kommentar
Diese große Metaanalyse belegt, was in kleineren Studien und durch klinische Erfahrungen bereits bekannt ist. Trizyklische Antidepressiva sind zweifellos sowohl in der Migräneprophylaxe wie bei der Behandlung chronischer Spannungskopfschmerzen wirksam. Die Wirksamkeit ist besonders hoch bei Patienten, die gleichzeitig an einer Depression leiden. Die Metaanalyse belegt auch, was mehrere randomisierte Studien gezeigt haben, nämlich, dass trizyklische Antidepressiva signifikant besser wirksam sind als selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer.
Trizyklika verursachen allerdings eine ganze Reihe unangenehmer Nebenwirkungen, wobei im klinischen Alltag die Gewichtszunahme das größte Problem sein dürfte.
Quelle
Jackson JL, et al. Tricyclic antidepressants and headaches: systematic review and meta-analysis. BMJ 2010;341:c5222 (doi:10.1136/bmj.c5222).
Psychopharmakotherapie 2011; 18(01)