Antiepileptika

Anhaltende Reduktion der Anfallsfrequenz mit Eslicarbazepinacetat


Dr. Beate Fessler, München

Seit mehr als einem Jahr ist das Antiepileptikum Eslicarbazepinacetat auf dem Markt. Auf der Neurowoche 2010 wurden nun Erfahrungen aus der offenen Langzeitbehandlung präsentiert. Sie dokumentieren eine anhaltende Wirksamkeit in der längerfristigen Zusatztherapie fokaler epileptischer Anfälle bei Erwachsenen. Auch die Depression, eine häufig Komorbidität der Epilepsie, wird günstig beeinflusst.

Das Antiepileptikum Eslicarbazepinacetat (ESL, Zebinix®) steht seit April 2009 zur Begleittherapie bei Erwachsenen mit partiellen epileptischen Anfällen mit oder ohne sekundäre Generalisierung zur Verfügung. Es handelt sich um eine Weiterentwicklung von Carbamazepin, die vergleichbar wirksam ist, aber ein günstigeres Nebenwirkungsprofil besitzt. Untersuchungen im Tiermodell zeigen, dass ESL ein besseres Verhältnis von Wirksamkeit zu Toxizität hat als Oxcarbazepin und Carbamazepin.

Zulassungsstudien: Reduktion der Anfallsfrequenz

Die EU-Zulassung von ESL stützt sich auf die Ergebnisse von drei randomisierten, doppelblinden Plazebo-kontrollierten Phase-III-Studien mit 1049 vorbehandelten Patienten. Sie erhielten über 26 Wochen ESL zusätzlich zu mindestens einem, meist zwei anderen Antiepileptika, vor allem Carbamazepin (56%), Valproinsäure (24%) oder Lamotrigin (21%). In Tagesdosen von 800 mg und 1200 mg war die Add-on-Therapie mit ESL Plazebo signifikant überlegen; die Ansprechraten, definiert als Reduktion der Anfallsfrequenz um mehr als 50%, betrugen 36,3% (p=0,0001) beziehungsweise 43,5% (p<0,0001) (Plazebo: 21,5%). Als ZNS-assoziierte Nebenwirkungen traten unter der höchsten Dosierung von 1200 mg bei 28,9% Schwindelgefühl, bei 15% Somnolenz und bei 13,6% Kopfschmerzen auf. Diese Nebenwirkungen waren in der Regel leicht bis mäßig ausgeprägt; ihre Häufigkeit lag nach sechs Behandlungswochen auf Plazebo-Niveau. Die Inzidenz von Hautausschlägen war mit 3,2% unter der Maximaldosierung vergleichsweise niedrig.

Offene Ein-Jahres-Daten: auch langfristig wirksam

Die Erfahrungen aus der offenen Langzeitbehandlung über ein Jahr zeigten, dass die Reduktion der Anfallsfrequenz mindestens erhalten werden kann. Unter einer medianen Tagesdosis von 800 mg ließ sich innerhalb der zwölfmonatigen Beobachtungsphase eine anhaltende Abnahme der Anfallsfrequenz um 39 bis 58% erreichen. Die durchschnittliche Retentionsrate lag bei 73,5%: 612 von 833 Patienten wurden nach einem Jahr weiterhin mit ESL behandelt.

Depressive Symptomatik beachten

Da nahezu alle zur Behandlung fokaler epileptischer Anfälle zugelassenen Arzneistoffe die epileptischen Anfälle vergleichbar gut unterdrücken, entscheiden über die Wahl des Medikaments letztlich andere Kriterien. Bei Patienten mit therapieresistenter fokaler Epilepsie finden sich erkrankungsspezifische und behandlungsbedingte Eigenheiten, die in der Therapieentscheidung zu berücksichtigen sind. Dazu gehört auch die depressive Symptomatik, eine wichtige Begleitmorbidität der Epilepsie. Neben dem Nebenwirkungsprofil der Antiepileptika kann bei Patienten mit schwerer Epilepsie das Ausmaß der Depression für die Lebensqualität entscheidender sein als die Zahl der Anfälle. Auf depressiogene Antiepileptika sollte deshalb nach Meinung von Dr. Günter Krämer, Zürich, verzichtet werden. Er betonte die günstigen Effekte von ESL auf die depressive Symptomatik bei Epilepsiepatienten, wie sie in der offenen Langzeitbeobachtung gezeigt werden konnte. Dazu war der veränderungssensitive Depressionsfragebogen MADRS (Montgomery-Åsberg-Depression-Rating-Skala) herangezogen worden, den insgesamt 828 Patienten zu Beginn der ESL-Therapie (mediane Tagesdosis: 800 mg) sowie nach maximal einem Jahr in der offenen Weiterführung beantworteten. Es zeigte sich ein günstiger Einfluss von ESL auf die depressive Symptomatik, unabhängig davon ob es sich um eine schwerwiegende oder moderate bis leichte Depression handelte. In den meisten Subskalen, wie etwa Traurigkeit, verminderter Schlaf oder Gefühllosigkeit, wurde eine Verbesserung erreicht.

Keine Bildung von neurotoxischem Epoxid

Patienten mit Epilepsie klagen häufig auch über kognitive Störungen wie Vergesslichkeit und langsames Denken. Vorrangig betroffen sind Menschen mit Temporallappenepilepsie, bei denen die für das Auftreten von Anfällen verantwortliche strukturelle Läsion in einem Hirnareal liegt, das für die Bildung und Festigung von Gedächtnisinhalten zuständig ist. Unter einer Polytherapie mit Carbamazepin (CBZ) treten solche kognitiven Störungen häufiger auf als unter einer Monotherapie, und zwar vermutlich wegen der vermehrten Bildung von neurotoxischem Epoxid. Zu dieser Erkenntnis kamen bereits 1988 Gilham et al. (Neurol Neurosurg Psychiatry 1988;51:929–33), die die kognitive Leistungsfähigkeit und den Grad der Sedierung bei Patienten unter CBZ in der Mono- und Polytherapie untersuchten. Bei ansonsten weitgehender Vergleichbarkeit der klinischen Variablen wiesen die mit CBZ in Kombinationstherapie behandelten Patienten bei äquivalenter CBZ-Konzentration im Blut zum Teil deutlich schlechtere kognitive Leistungen und einen höheren Grad an Sedierung auf als unter einer CBZ-Monotherapie. Als wahrscheinlichsten Grund für diesen Effekt identifizierten die Autoren einen deutlichen Unterschied in der Konzentration des Epoxid-Metaboliten von CBZ. Seine Konzentration war unter einer Kombinationstherapie mit Phenytoin, Phenobarbital und Valproinsäure nahezu doppelt so hoch wie unter einer CBZ-Monotherapie.

Bei der Metabolisierung von ESL entsteht kein Epoxid.

Bei Epilepsie-Patienten oft problematisch: die Compliance

Dass mangelnde Compliance ein großes Problem in der Epilepsietherapie darstellt, zeigte die RANSOM-Studie, in der retrospektiv die Daten von mehr als 30000 Patienten ausgewertet wurden. Unzureichende Compliance ging dabei mit einer erhöhten Mortalitätsrate, häufigeren stationären Aufnahmen und höheren Kosten einher. Angestrebt werden sollte deshalb ein möglichst einfaches Therapieschema, etwa mit Substanzen, die wie ESL einmal täglich verabreicht werden können. Erleichtert wird die Behandlung mit ESL auch durch die schnelle Eindosierbarkeit innerhalb von einer bis zwei Wochen.

Die vorgestellten, unter offenen Bedingungen gewonnenen Daten erscheinen eindrucksvoll. Die sich hier abzeichnenden Vorteile von Eslicarbazepinacetat müssten aber in randomisierten kontrollierten Studien im Vergleich zu Carbamazepin beziehungsweise Oxcarbazepin bestätigt werden. Prof. Dr. Jürgen Fritze

Kommentar

Die vorgestellten, unter offenen Bedingungen gewonnenen Daten erscheinen eindrucksvoll. Die sich hier abzeichnenden Vorteile von Eslicarbazepinacetat müssten aber in randomisierten kontrollierten Studien im Vergleich zu Carbamazepin beziehungsweise Oxcarbazepin bestätigt werden. Prof. Dr. Jürgen Fritze

Quelle

Prof. Dr. med. Frithjof Tergau, Hildesheim, Dr.med. Günter Krämer, Zürich, Dr. med. Sebastian von Stuckrad-Barre, Wiesbaden; Fachpressegespräch „Anforderungen an die moderne Epilepsietherapie: Beitrag von Zebinix® zu einer patientenorientierten Behandlung“, veranstaltet von Eisai GmbH im Rahmen der Neurowoche 2010, Mannheim, 24. September 2010.

Psychopharmakotherapie 2011; 18(01)