Alkoholmissbrauch

Naltrexon hilft abstinent zu werden


Dr. med. Nana Mosler, Leipzig

Seit 1. August 2010 ist der Opioid-Rezeptorantagonist (Adepend®) in Deutschland zur Unterstützung der Alkoholentwöhnung nach dem Entzug von Alkoholabhängigen verfügbar. Der Wirkstoff wurde in dieser Indikation bei einem Pressegespräch der Firma Desitin Arzneimittel GmbH vorgestellt.

In Deutschland sterben jährlich 42000 Menschen an den Folgen eines schädlichen Alkoholgebrauchs. Die Dunkelziffer der Alkoholabhängigen ist groß: schätzungsweise jeder zehnte Patient einer Durchschnittspraxis missbraucht Alkohol oder ist abhängig. Letztlich kommen aber nur 10% der Alkoholabhängigen zur Behandlung. Früh sollte dabei das Ziel Abstinenz angestrebt werden. Die Rückfallgefahr liegt in den ersten drei Abstinenzmonaten bei etwa 50% und innerhalb der ersten 12 Monate sogar bei 80%.

Naltrexon vermindert über die Blockade der µ-Opioid-Rezeptoren das Glücks- und Belohnungsgefühl beim Trinken. Denn je höher die Verfügbarkeit von µ-Rezeptoren, desto höher ist auch der Suchtdruck. Adepend® wird nach der Entgiftung eingesetzt, um das Craving (Verlangen nach Alkohol) zu reduzieren, die Abstinenzdauer zu verlängern und bei Abstinenzunterbrechungen Rückfälle zu verhindern. Dabei zeigt Naltrexon keine unerwünschten Wirkungen in der Kombination mit Alkohol und auch kein eigenes Suchtpotenzial (weder psychisch noch physisch).

Neben der Psychotherapie kamen bisher vor allem sogenannte Anti-Craving-Substanzen wie beispielsweise Acamprosat zum Einsatz. In einer Vergleichsstudie von Rubio et al. (2001) waren 54% der 77 einbezogenen Patienten, die mit Naltrexon therapiert wurden, nach einem Jahr abstinent. Von den 80 Alkoholabhängigen, die mit Acamprosat behandelt wurden, waren es nur 27%. Auch die Zeit bis zum ersten Rückfall war unter Naltrexon signifikant länger (63 versus 42 Tage). Zudem blieben Patienten, die mit dem Opioid-Rezeptorantagonisten behandelt wurden, deutlich mehr Wochen in der Therapie und nahmen signifikant häufiger an den notwendigen Sitzungen teil.

Naltrexon wirkt unabhängig von der Erkrankungsdauer des Patienten. Es ist auch einsetzbar, wenn der Alkoholabhängige zusätzlich medikamentensüchtig sein sollte. Die Behandlung mit Naltrexon kann während der stationären Entzugsbehandlung, aber auch ambulant begonnen werden. Sie sollte mindestens drei Monate dauern, die Wirksamkeit ist jedoch belegt bis 12 Monate. Die Dosierungsempfehlung lautet 50 mg/Tag.

Naltrexon ist bereits in den USA und zahlreichen europäischen Ländern zur Alkoholrückfallprävention zugelassen. Es wurde bis heute in über 20 kontrollierten Studien über 3 bis 12 Monate an mehr als 3000 Patienten untersucht. Naltrexon ist gut verträglich. Mögliche Nebenwirkungen – in den ersten zwei bis drei Wochen – sind gastrointestinale Beschwerden (Erbrechen >10%) und Kopfschmerzen. Es kann auch zu einer Antriebsminderung oder -steigerung des Patienten kommen. Da Naltrexon die Alkoholtoxizität nicht erhöht, kann es auch bei einem Rückfall weiter angewendet werden.

Quellen

Prof. Dr. Falk Kiefer, Mannheim/Heidelberg. Pressegespräch „Adepend®“, München, 2. Juli 2010, veranstaltet von der Desitin Arzneimittel GmbH.

Rubio et al. Naltrexone versus acamprosate: One year follow-up of alcohol dependence treatment. Alcohol & Alcoholism 2001;36:419–25.

Psychopharmakotherapie 2010; 17(05)