Prof. Dr. med. Heinz Reichmann, Dresden
Die Faszination der Neurofächer – Neurologie und Psychiatrie – speist sich aus verschiedenen Quellen. Zum einen verstehen wir die Funktionsweise des Gehirns immer besser und können deswegen auch Fehlfunktionen besser einordnen, zum anderen haben sich die diagnostischen Möglichkeiten insbesondere von Seiten der Bildgebung und der Molekulargenetik unglaublich verbessert und früher rein deskriptiv beschriebene Erkrankungen können jetzt bis zur Punktmutation diagnostiziert und charakterisiert werden. Unstrittig ist aber weiterhin, dass wir ständig daran arbeiten müssen, schwer erkrankten Patienten in unseren Fächern neue Therapien anbieten zu können. Es muss sich dabei um Therapieformen handeln, die hinsichtlich des Nebenwirkungsprofils besser als die herkömmlichen Therapien sind und insbesondere von Seiten der Effektivität deutliche Fortschritte bringen. Fingolimod bei multipler Sklerose und Eslicarbazepinacetat bei fokalen Epilepsien sind hervorragende Beispiele für diesen Wunsch.
In der Therapie der schubförmigen multiplen Sklerose gelang ein wesentlicher Fortschritt durch die Entwicklung der Interferone und des Glatirameracetats, wodurch bei Erkrankten die Schubrate und Schubstärke um etwa 30% reduziert werden konnte. Nach Einführung von Natalizumab konnte die Effektivität in der Schubreduktion bis auf 70% gesteigert werden. Problematisch bei dieser Therapie ist allerdings das mögliche Auftreten einer progressiven multifokalen Leukenzephalopathie (PML). Somit besteht weiterhin großer Bedarf an effektiven und nebenwirkungsarmen Therapien. Fingolimod scheint hier eine hervorragende Option zu sein, die eventuell sogar als FirstLine-Medikation die Behandlung mit Interferonen und Glatirameracetat in der schubförmigen multiplen Sklerose ergänzen könnte. Gold und Mitarbeiter stellen diese Substanz in dieser Ausgabe in einem sehr spannenden Übersichtsartikel vor.
Bei der Behandlung fokaler Epilepsien wurden in den letzten Jahren ebenfalls ständig Fortschritte erzielt und hervorragende neue Antikonvulsiva wurden zur Verfügung gestellt. Eine Fortentwicklung des Carbamazepin ist Oxcarbazepin, das sich bereits etabliert hat, und nun, in einem weiteren Schritt, das Eslicarbazepinacetat, das uns in diesem Heft vorgestellt wird. Auch dieses zeichnet sich durch eine sehr gute Verträglichkeit und einfache Handhabung aus, so dass neue Informationen über diese Substanz bei unseren Lesern sicherlich auf hohes Interesse stoßen werden.
Das Heft wird vervollständigt durch hervorragende Übersichten zu medizinrechtlichen Problemen bei der Behandlung seltener Krankheiten und durch eine ausgezeichnete Übersicht zur Psychopharmaka-Verordnung 2009. Somit müsste auch diese Ausgabe der Psychopharmakotherapie wieder auf hohes Interesse stoßen und sowohl die psychiatrisch als auch die neurologisch interessierten Fachkollegen mit wichtigem neuen Wissen versorgen.
Psychopharmakotherapie 2010; 17(05)