Prof. Dr. H.-C. Diener, Essen
Es gibt eine Vielzahl von zerebellären Ataxien, die ganz überwiegend hereditär bedingt sind. Bisher gibt es keine kausale Therapie, um das Fortschreiten dieser neurodegenerativen Erkrankungen aufzuhalten. Riluzol (Rilutek®) hemmt die Glutamat-vermittelte Exotoxizität und ist für die Behandlung der amyotrophen Lateralsklerose (ALS) zugelassen. Die Hemmung der neuronalen Überregbarkeit könnte auch bei zerebellärer Ataxie ein pathophysiologisch begründeter Therapieansatz sein.
Eine italienische Arbeitsgruppe führte deshalb eine randomisierte, doppelblinde, Plazebo-kontrollierte Pilotstudie mit Riluzol bei 40 Patienten mit zerebellären Ataxien unterschiedlicher Ätiologie durch; 17 Patienten hatten eine erbliche Ataxie, 10 eine sporadische Ataxie und die übrigen Patienten andere Ursachen für eine progrediente Ataxie. 20 Patienten erhielten 100 mg Riluzol pro Tag, die anderen 20 Plazebo. Die Behandlung erfolgte über acht Wochen. Es gab zwei primäre Endpunkte, nämlich den Anteil der Patienten mit einer Abnahme von mindestens 5 Punkten auf der International Cooperative Ataxia Rating Scale (ICARS) nach vier und acht Wochen verglichen mit dem Ausgangswert und die mittlere Änderung des ICARS-Werts im Vergleich zur Baseline. Der ICARS-Score kann im ungünstigsten Fall 100 Punkte betragen. Die Patienten waren im Durchschnitt seit knapp 10 Jahren erkrankt und hatten einen ICARS-Score von 39,3 (Riluzol-Gruppe) bzw. 37,1 (Plazebo-Gruppe).
Eine Abnahme des ICARS-Werts um mindestens 5 Punkte erreichten
- nach vier Wochen 9 von 19 versus 1 von 19 Patienten in der Verum- und Plazebo-Gruppe,
- nach acht Wochen 13 von 19 versus 1 von 19 Patienten.
Beide Unterschiede waren statistisch signifikant (p=0,003 bzw. p=0,001). Die mittlere Abnahme des Ataxie-Scores betrug 7,05 versus 0,16 nach acht Wochen (p<0,001). Nebenwirkungen spielten keine wesentliche Rolle.
Diese Studie legt nahe, dass Riluzol als symptomatische Therapie bei unterschiedlichen Formen der zerebellären Ataxie wirksam sein könnte.
Kommentar
Dies ist die erste Pilotstudie, die nahe legt, dass Riluzol möglicherweise bei Patienten mit unterschiedlichen Formen progredienter zerebellärer Ataxien eine symptomatische Wirkung hat. Kritisch muss allerdings angemerkt werden, dass die Patientenzahl sehr niedrig und die Beobachtungszeit sehr kurz ist. Aufgrund des Verträglichkeitsprofils von Riluzol ist eine Entblindung durch Nebenwirkungen sehr unwahrscheinlich. Vor dem therapeutischen Einsatz sollte das Ergebnis allerdings in einer größeren multizentrischen Studie reproduziert werden.
Quelle
Ristori G, et al. Riluzole in cerebellar ataxia: a randomized, double-blind, placebo-controlled pilot trial. Neurology 2010;74:839–45.
Psychopharmakotherapie 2010; 17(05)