Dominik Dabbert und Martin Heinze, Bremen
Eine Störung der Glucosetoleranz ist unter antipsychotischer Medikation nicht ungewöhnlich. In der klinischen Praxis fallen solche Effekte zumeist unter Clozapin und Olanzapin auf. Im vorliegenden Fall berichten wir über einen Patienten, bei dem eine Hyperglykämie mit Blutzuckerwerten bis 695 mg/dl unter Risperidon dokumentierte wurde.
In der CATIE-Studie (The clinical antipsychotic trials of intervention effectiveness study) fielen vor allem unter Olanzapin erhöhte Blutglucosespiegel und erhöhte HbA1c(glykosyliertes Hämoglobin)-Werte auf, diese Effekte wurden aber auch unter Risperidon und Quetiapin beobachtet [5]. Von einem metabolischen Syndrom unter Olanzapin, das leider nicht durch Routinekontrollen und daher erst sehr spät erkannt wurde, haben wir 2009 berichtet [1].
Fallbericht
Wir berichten über einen Fall aus dem AMSP(Arzneimittelsicherheit in der Psychiatrie)-Meldesystem, einem Erfassungs- und Bewertungsprojekt für unerwünschte Arzneimittelwirkungen in Europa, vornehmlich im deutschsprachigen Raum [2].
Der 31-jährige Mann mit einer Schizophrenie und Adipositas (Body-Mass-Index 31,1) wurde in der Klinik aufgenommen, um eine Umstellung der antipsychotischen Medikation von Fluphenazin 6 mg/Tag und Olanzapin 15 mg/Tag auf Risperidon durchzuführen. Die vorbestehende weitere Medikation von Levomepromazin (50 mg/Tag), Mirtazapin (45 mg/Tag) und Lorazepam (4 mg/Tag) wurde beibehalten. Unter dieser Vormedikation wurde ein Blutzuckerspiegel von 119 mg/dl nüchtern gemessen.
Die Umstellung auf Risperidon erfolgte zunächst auf 4 mg/Tag, im Verlauf dann sukzessive auf 7 mg/Tag über 15 Tage hinweg (Abb. 1). Olanzapin wurde zu Beginn der Risperidon-Gabe ohne Ausschleichen abgesetzt, Fluphenazin wurde mit Beginn der Risperidon- Gabe halbiert und vier Tage später abgesetzt. Die Begleitmedikation wurde unverändert belassen, insbesondere die Levomepromazin- und Mirtazapin- Gabe.
Abb. 1. Gemessene Blutglucosespiegel (siehe Text)
((Bitte Markierung für Risperidon an den Maßstab der Zeitachse anpassen: wann erhielt der Patient welche Dosis? siehe Frage im Text))
Am Tag nach der Steigerung auf 7 mg Risperidon (3–0–4 mg) (10.12.09) wurde um 11:00 Uhr erneut eine Blutzuckerkontrolle durchgeführt, die einen Wert von 695 mg/dl ergab. Klinisch war der Patient nicht beeinträchtigt. Daraufhin wurde Risperidon umgehend abgesetzt, die weitere antipsychotische Behandlung erfolgte mit Ziprasidon 120 mg/Tag.
Nach Absetzen von Risperidon sank die Blutzuckerkonzentration rasch: am 13.12.09 wurde ein Blutzuckerspiegel von 401 mg/dl gemessen, am 16.12.09 ein Blutzuckerspiegel von 146 mg/dl (Abb. 1).
Eine Blutprobe zur Bestimmung des Risperidon-Spiegels wurde am 10.12.09 abgenommen – die Bestimmung war jedoch wegen interferierender Substanzen in der Probe nicht möglich. Aufgrund dieses (fehlenden) Ergebnisses wurde sechs Tage nach Absetzen von Risperidon (am 17.12.09) eine erneute Blutprobe genommen, in der noch Reste von Risperidon und 9-Hydroxyrisperidon (5 ng/ml) festgestellt werden konnten; allerdings ließ sich nicht mehr feststellen, ob die Risperidon-Konzentration zum Zeitpunkt der Hyperglykämie im therapeutischen Bereich war. Es konnte aber die Therapieadhärenz gesichert werden.
Bei der Blutuntersuchung vom 10.12.09 wurde außerdem festgestellt, dass der Serumcholesterolspiegel im Referenzbereich lag und der Triglycerid-Spiegel bei vorbestehender Adipositas erhöht war (457 mg/dl; Referenzbereich bis 250 mg/dl). Während der Risperidon-Einnahme wurde das Gewicht beobachtet: es konnte keine Gewichtszunahme, sondern eher eine leichte Gewichtsreduktion um 2 kg festgestellt werden.
Im weiteren Verlauf der Behandlung wurden unter Ziprasidon keine erhöhten Blutzuckerspiegel festgestellt. Der Triglyceridspiegel blieb jedoch erhöht, wenn auch nicht mehr so sehr wie während der Risperidon-Einnahme (17.12.09: 306 mg/dl).
Diskussion
Auch unter Levomepromazin und Mirtazapin sind Störungen der Glucosehomöostase bekannt. Die Komplettremission der unerwünschten Arzneimittelwirkung im vorliegenden Fall bei Fortbestehen der Medikation mit Levomepromazin und Mirtazapin lässt jedoch eher an einen Kausalbezug zur Risperidon-Gabe denken.
Eine Erhöhung der Serumglucose unter Risperidon wird in der Fachinformation als gelegentliche Nebenwirkung mit einer Häufigkeit zwischen 1:100 und 1:1000 angegeben; Hyperglykämie, Exazerbation eines vorbestehenden Diabetes mellitus und diabetische Ketoazidose treten sehr selten auf [3]. In der Literatur wird der Einfluss von Risperidon auf den Glucosehaushalt und die Entwicklung einer Insulinresistenz im Vergleich zum Einfluss von Olanzapin und Clozapin meist als geringer ausgeprägt eingestuft [4, 6].
Interessant am vorliegenden Fall ist der enge zeitliche Zusammenhang zwischen der Aufdosierung von Risperidon und der Hyperglykämie. Darüber hinaus ist der Umstand von Interesse, dass der Patient vor der Umstellung auf Risperidon unter anderem Olanzapin erhielt, darunter jedoch keine erhöhten Blutzuckerwerte festgestellt wurden.
Es ist zwar eine leichte Hemmung von Cytochrom P450-2D6 durch Levomepromazin beschrieben, die theoretisch zu einer Hemmung der Metabolisierung von Risperidon führen könnte. Der am 17.12.2009 gemessene metabolische Quotient von Risperidon zu 9-OH-Risperidon von 0,6 ng/ml zu 5 ng/ml legt jedoch keinen relevanten Effekt im dargestellten Fall nahe.
Ein Effekt der zuvor beendeten Olanzapin-Gabe auf den Glucosestoffwechsel ist bei einer Eliminationshalbwertzeit von 33,8 Stunden nicht mehr anzunehmen. Unter Olanzapin wurden bei täglich mehrfachen Kontrollen immer normale Glucosewerte gemessen, der erste pathologische Wert fiel am 10.12.2009, also 16 Tage entsprechend 11 Halbwertszeiten nach Absetzen von Olanzapin auf.
Fazit
Der vorliegende Fall unterstreicht die Notwendigkeit von routinemäßigen Blutzuckerkontrollen bei der Therapie mit Neuroleptika, und zwar nicht nur bei Therapie mit Substanzen wie Clozapin und Olanzapin, bei denen ein erhöhtes Risiko bekannt ist. Durch die routinemäßige Kontrolle konnte die klinisch noch erstaunlich stumme Nebenwirkung erkannt und aufgrund der Reversibilität des Effekts ein schlimmerer Schaden für den Patienten vermieden werden.
Literatur
1. Dabbert D, Heinze M. Reversibles metabolisches Syndrom unter Olanzapin. Psychopharmakotherapie 2009;16:32–3.
2. Degner D, Grohmann R, Kropp S, Rüther E, et al. Severe adverse drug reactions of antidepressants: results of the German multicenter drug surveillance program AMSP. Pharmacopsychiatry 2004;37(Suppl 1):S39–45.
3. Fachinformation Risperdal® (Stand 02/2010).
4. Henderson DC, Sharma B, Fan X, Copeland PM, et al. Dietary saturated fat intake and glucose metabolism impairments in non-diabetic, non-obese patients with schizophrenia on clozapine or risperidone. Ann Clin Psychiatry 2010;22:33–42.
5. Lieberman JA, Stroup TS, McEvoy JP, Swartz MS, et al. Effectiveness of antipsychotic drugs in patients with chronic schizophrenia. N Engl J Med 2005;353:1209-23.
6. Smith RC, Lindenmayer JP, Davis JM, Kelly E, et al. Effects of olanzapine und risperidone on glucose metabolism and insulin sensitivity in chronic schizophrenic patients with long-term antipsychotic treatment: a randomized 5-month study. J Clin Psychiatry 2009;70:1501–13.
Dr. med. Dominik Dabbert, Priv.-Doz. Dr. med. Martin Heinze, Klinikum Bremen Ost, Psychiatrische Behandlungszentren Mitte/West, Züricher Straße 40, 28325 Bremen, E-Mail: dominik.dabbert@klinikum-bremen-ost.de
Case report: Hyperglycaemic reaction to risperidone-treatment
Elevated blood glucose levels are a common adverse advent under antipsychotic medikation, especially ocurring under treatment with atypic neuroleptics like clozapine or olanzapine. In this case we report a reversible hyperglycaemic reaction to risperidone in a young psychotic man without a history of prior metabolic disorders. This case stresses the importance of control examination in patients with antipsychotic medication.
Key words: Hyperglycaemia, risperidone, reversible diabetes mellitus
Psychopharmakotherapie 2010; 17(04)