Manfred Gerlach und Andreas Warnke, Würzburg
Lithiumsalze gehören zu den klassischen Vertretern der sogenannten Stimmungsstabilisatoren (Mood stabilizer). Stimmungsstabilisatoren sind Arzneimittel, die vor allem zur Behandlung bipolarer Störungen, einer Untergruppe der affektiven Störungen, angewendet werden. Sie beseitigen oder vermindern die mit den Krankheitsepisoden einhergehenden starken Stimmungsschwankungen sowie die während und zwischen den Episoden auftretende Affektlabilität.
Indikationen
In Tabelle 1 sind die in Deutschland zugelassenen Lithiumsalz-Fertigarzneimittel mit ihren Wirkstoffen und Indikationen sowie Hinweise zur Anwendung bei Kindern und Jugendlichen zusammengefasst. Danach ist kein Lithiumsalz-Präparat in Deutschland zur Behandlung von Personen unter 12 Jahren zugelassen. Nach den Leitlinien zu Diagnostik und Therapie von psychischen Störungen im Säuglings-, Kindes- und Jugendalter [14] sind Lithiumsalze allerdings auch im Kindes- und Jugendalter Arzneistoffe der ersten Wahl zur Behandlung manischer Episoden sowie zur Phasenprophylaxe bei bipolarer affektiver Störung. Darüber hinaus finden sie Verwendung bei episodisch auftretenden impulsiv-explosiven Ausbrüchen von Aggressivität. Lithiumsalze sind jedoch nicht bei allen Patienten mit impulsiv-aggressivem Verhalten indiziert und sollten erst dann angewendet werden, wenn pädagogische, psychotherapeutische Maßnahmen und andere medikamentöse Behandlungsversuche, etwa mit atypischen Neuroleptika, nicht zu einer hinreichenden Verminderung der aggressiven Ausbrüche geführt haben. Geplante, instrumentell angelegte dissozial-aggressive Handlungen sind keine Indikation für Lithiumsalze [2, 5].
Tab 1. In Deutschland zugelassene Lithiumsalz-Fertigarzneimittel [18–21]
Handelsname |
Wirkstoff |
Indikationen |
Hinweise zur Anwendung bei Kindern und Jugendlichen |
Hypnorex® retard |
Lithiumcarbonat |
Prophylaxe der bipolaren affektiven Störung und Episoden einer Major-Depression; Behandlung bestimmter akuter Depressionen, z.B. bei Therapieresistenz oder Unverträglichkeit von Antidepressiva; Therapie der manischen Episode |
Bei Kindern unter 12 Jahren nicht empfohlen, da bei dieser Altersgruppe keine Daten zu Wirksamkeit und Unbedenklichkeit vorliegen |
Lithium Apogepha® |
Lithiumcarbonat |
Prophylaxe der bipolaren affektiven Störung und Episoden einer Major-Depression; Behandlung der manischen Episode |
Bei Kindern unter 12 Jahren nicht zu empfehlen, da bei dieser Altersgruppe keine Daten zu Sicherheit/Wirksamkeit vorliegen |
Lithium Aspartat |
Lithium-D,L-hydrogenaspartat |
Therapie der manischen Episode, gegebenenfalls in Kombination mit Neuroleptika; Therapie bestimmter akuter Depressionen, z.B. bei Therapieresistenz oder Unverträglichkeit von Antidepressiva; Prophylaxe von Episoden einer Major-Depression |
Keine Gegenanzeigen und Hinweise |
Quilonum® retard |
Lithiumcarbonat |
Prophylaxe der bipolaren affektiven Störung (auch im Rahmen schizoaffektiver Psychosen) und Episoden einer Major-Depression; Behandlung der manischen Episode, gegebenenfalls in Kombination mit Neuroleptika; Behandlung bestimmter akuter Depressionen, z.B. bei Therapieresistenz oder Unverträglichkeit von Antidepressiva, bei Verdacht auf Umschlag in eine Manie, gegebenenfalls in Kombination mit Antidepressiva; anfallsweise auftretender/chronischer Cluster-Kopfschmerz (Bing-Horton-Syndrom) |
Bei Kindern unter 12 Jahren nicht zu empfehlen, da bei dieser Altersgruppe keine Daten zu Sicherheit/Wirksamkeit vorliegen |
Die antimanische Wirkung von Lithiumsalzen wurde bei Erwachsenen in mehreren doppelblind und Plazebo-kontrolliert durchgeführten Studien nachgewiesen [11, 16]. Die Anwendung von Lithiumsalzen zur Therapie von Manien im Kindesalter wurde in nicht randomisierten (Evidenzgrad III) und nicht experimentellen Studien (Evidenzgrad IV) untersucht [3, 6]; der Einsatz bei Manien im Jugendalter beruht auf Evidenzgrad II (mindestens eine kontrollierte randomisierte Studie) [4].
Für die Indikation der Phasenprophylaxe bei bipolaren Störungen liegt für das Kindesalter der Evidenzgrad V (Berichte/Meinungen von Expertenkreisen und Konsensuskonferenzen sowie klinische Erfahrungswerte) vor [7]. Für das Jugendalter besteht der Evidenzgrad IV [15].
Zur Anwendung von Lithiumsalzen bei episodisch-impulsiver Aggressivität im Kindes- und Jugendalter liegen Daten aus kontrollierten randomisierten Studien vor (Evidenzgrad II) [1, 2, 8].
Dosierungsempfehlungen
Die Anwendung von Lithiumsalzen außerhalb des altersbezogenen Zulassungsbereichs erfolgt im Rahmen eines individuellen Heilversuchs unter bestimmten Voraussetzungen. Hierbei sind verschiedene Gesichtspunkte besonders zu beachten (siehe Beitrag von Gerlach et al., Psychopharmakotherapie 2010;17:118–24).
Die Dosierung ist aufgrund der relativ geringen therapeutischen Breite von Lithiumsalzen streng an der Lithium-Serumkonzentration auszurichten. Nicht retardierte Präparate werden in der Regel zweimal täglich eingenommen (morgens und abends). Abgesehen vom Lithiumspiegel muss bei der Dosierung auch das subjektive und objektive Befinden des Patienten berücksichtigt werden. In Tabelle 2 sind Dosierungsempfehlungen für die verschiedenen Indikationen zusammengefasst.
Tab. 2. Dosierungsempfehlungen, Arzneimittel- und Nahrungsmittelwechselwirkungen von Lithiumsalz-Präparaten (nach [13])
Dosierung: |
– Bei Kindern: Beginn mit 4–8 mmol/Tag (z.B. 150–300 mg Lithiumcarbonat) verteilt auf 2–3 Einzeldosen; Aufdosierung im Abstand von 3–5 Tagen um jeweils 4–8 mmol/Tag (z.B. 150–300 mg Lithiumcarbonat); um den Wirkspiegel von 0,6 bis – in Ausnahmefällen – 1,2 mmol/l zu erreichen, sind bei Kindern unter 25 kg Körpergewicht kaum mehr als 56 mmol/Tag (z.B. 2100 mg Lithiumcarbonat), verteilt auf mehrere Einzeldosen, erforderlich. Kontrolle der Lithium-Serumspiegel alle 3–5 Tage nach Veränderung der Dosis 12 Stunden nach letzter Applikation. – Bei Jugendlichen: Beginn mit 8 mmol/Tag (z.B. 300 mg Lithiumcarbonat) verteilt auf 2–3 Dosen; Steigerung der Tagesdosis alle 3–5 Tage um maximal 8 mmol (z.B. 300 mg Lithiumcarbonat) bis zu einem Blutspiegel von 0,6 bis – in Einzelfällen – 1,2 mmol/l bei bipolarer manisch-depressiver Psychose. Übliche Ziel-Lithiumspiegel, die in Verbindung mit der klinischen Wirkung beurteilt werden müssen, sind bei der Akuttherapie des manischen Syndroms 1,0–1,2 mmol/l, bei der Phasenprophylaxe 0,6–0,8 mmol/l, bei der Behandlung aggressiver impulsiver Ausbrüche 0,6–1,2 mmol/l und für die Verstärkung antidepressiver Medikation 0,4–0,8 mmol/l. |
Toxische Dosis: |
– Blutspiegel über 3,0 mmol/l sind oftmals letal – Toxische Symptome wie Müdigkeit, psychomotorische Verlangsamung, Dysarthrie, Ataxie, kognitive Verwirrtheit, Bewusstseinseintrübung, delirante Symptome und zerebrale Anfälle treten bei Lithium-Serumspiegeln von >1,5 mmol/l (in Ausnahmefällen auch darunter) auf – Bei Verdacht auf Intoxikation Lithiumsalz-Präparat sofort absetzen und intensivmedizinische Behandlung einleiten: Kontrolle des Wasser- und Elektrolythaushalts, Diurese (nicht mit Thiazid-Diuretika!), Hämodialyse über ca. 2 Wochen |
Absetzen der Medikation: |
– Das plötzliche Absetzen der Medikation erhöht das Risiko für ein Wiederauftreten der manisch-depressiven Symptomatik – Die Therapie sollte zur Prophylaxe über mindestens 18 Monate lang fortgesetzt und dann über einen Zeitraum von etwa drei Monaten ausgeschlichen werden |
Arzneimittel- und Nahrungsmittelwechselwirkungen (Auswahl): |
– Antipsychotika: möglicher Anstieg des Lithium-Serumspiegels – Carbamazepin: auch bei normalen Lithium-Serumkonzentrationen kann es – wenn auch selten – bei gleichzeitiger Einnahme von Carbamazepin zu neurotoxischen Wirkungen kommen – Phenytoin: erhöhte Lithiumtoxizität – SSRI (selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer): selten serotoninerges Syndrom – Thiazid-Diuretika, Schleifendiuretika: Intoxikationsgefahr durch Anstieg des Lithium-Serumpiegels – Kochsalzarme Diät: Intoxikationsgefahr durch Anstieg des Lithium-Serumspiegels – Antibiotika: substanzabhängig unter Umständen Anstieg des Lithium-Serumspiegels |
Da die manische Symptomatik unter einer Therapie mit Lithiumsalzen erst nach ein bis zwei Wochen zurückgeht, werden bei ausgeprägten Manien initial zusätzlich Neuroleptika verabreicht [13]. Eine rezidivprophylaktische Wirkung bei uni- oder bipolaren depressiven Störungen ist erst nach 6 bis 12 Monaten zu erwarten.
Bei Jugendlichen beträgt die Anfangsdosierung 8 mmol/Tag (z.B. 300 mg Lithiumcarbonat). Alle drei bis fünf Tage kann die Dosis um weitere 8 mmol/Tag gesteigert werden. Spiegelkontrollen sollten in der Akutphase zweimal wöchentlich jeweils 12 Stunden nach der letzten Einnahme erfolgen. In der Akuttherapie eines manischen Syndroms ist ein Lithium-Serumspiegel von 1,0 bis maximal 1,2 mmol/l anzusteuern. Zur Phasenprophylaxe sollte der Lithium-Serumspiegel zwischen 0,6 und 0,8 mmol/l liegen. In der Behandlung aggressiver impulsiver Ausbrüche hat sich ebenfalls eine Lithium-Serumkonzentration zwischen 0,6 und 1,2 mmol/l bewährt.
Die erforderlichen Tagesdosen können ähnlich hoch sein wie bei Erwachsenen, allerdings sind bei Kindern und Jugendlichen große intraindividuelle Schwankungen der Serumkonzentrationen zu beobachten [4, 10].
Für Kinder unter 25 kg Körpergewicht wird eine Anfangsdosis von 4 bis 8 mmol/Tag (z.B. 150–300 mg Lithiumcarbonat, siehe Tab. 2), verteilt auf 2 bis 3 Einzeldosen, empfohlen. Nach drei bis fünf Tagen kann die Dosis um 4 bis 8 mmol/Tag (150–300 mg Lithiumcarbonat) gesteigert werden. In der Regel sind zum Erreichen des erforderlichen Wirkspiegels nicht mehr als 56 mmol Lithiumsalz pro Tag (Tagesdosis 2100 mg Lithiumcarbonat), verteilt auf zwei Einzeldosen, notwendig. Serumspiegelkontrollen sollten drei bis fünf Tage nach einer Erhöhung beziehungsweise Veränderung der Dosierung in einem Abstand von 12 Stunden nach der letzten Applikation erfolgen.
Ob ein Lithiumsalz als Retardform verabreicht wird, sollte in Abhängigkeit von Compliance und Verträglichkeit individuell entschieden werden. Spätestens beim Auftreten unerwünschter Arzneimittelwirkungen (UAW) sollte jedoch versuchsweise auf die Retardform umgestellt werden, da diese im Allgemeinen besser verträglich ist. Allerdings können unter Retardpräparaten gehäuft weiche Stühle und Diarrhöen auftreten.
Soll die Therapie nach einer Unterbrechung wieder aufgenommen werden, kann sofort mit der Dosis begonnen werden, unter der der Patient früher einen adäquaten Wirkspiegel erreicht hatte. Eine erneute Titrierung ist nur erforderlich, wenn inzwischen – beispielsweise altersbedingt – eine körperliche Veränderung erfolgt oder ein Nierenleiden eingetreten ist.
Behandlungsdauer
Zur Prophylaxe sollte die Behandlung über mindestens 18 Monate fortgeführt und dann über einen Zeitraum von ungefähr drei Monaten ausgeschlichen werden. Treten Anzeichen für ein Rezidiv auf, muss die Prophylaxe meist über Jahre, gegebenenfalls sogar lebenslang fortgesetzt werden.
Wenn Lithiumsalze nach längerer Anwendung beispielsweise aufgrund von UAW abgesetzt werden müssen, müssen die Patienten darauf hingewiesen werden, dass nach dem Absetzen über einen Zeitraum von ungefähr sechs Monaten verstärkt Lebensüberdrussgedanken auftreten können.
Unerwünschte Arzneimittelwirkungen
Die Lithium-Intoxikation stellt das entscheidende Risiko einer Langzeitprophylaxe dar. Deshalb setzt die prophylaktische Behandlung mit Lithiumsalzen eine vertrauensvolle, enge Kooperation zwischen Arzt und Patient beziehungsweise dessen Sorgeberechtigten voraus. Lässt sich eine solche Basis, die unter anderem Aspekte der Compliance und Absprachefähigkeit des Patienten beziehungsweise Sorgeberechtigten beinhaltet, nicht herstellen, so sollte von vorneherein auf eine Langzeitbehandlung mit Lithiumsalzen verzichtet werden. Bei der Aufklärung der Patienten oder Sorgeberechtigten sollte insbesondere auf Frühsymptome einer Überdosierung und Intoxikation wie Erbrechen, Diarrhö, dysarthrische Sprache, grobschlägigen Tremor, Myoklonien und Koordinationsstörungen eingegangen werden. Um eine Lithium-(Sub)Intoxikation zu vermeiden, ist eine strikte, regelmäßige Überwachung des Lithiumspiegels unabdingbar.
Feinschlägiger Tremor, subjektiv erlebte kognitive Störungen, Gewichtszunahme, Polyurie und euthyreote Struma sind die häufigsten UAW (Tab. 3).
Tab. 3. Unerwünschte Arzneimittelwirkungen (UAW) unter der Therapie mit Lithiumsalz-Präparaten [nach 9, 12]
Art der UAW |
Symptomatik |
Neuromuskulär und zentralnervös |
– Feinschlägiger Tremor (bei Bedarf Therapie mit 10 bis 40 mg Propranolol/Tag) – Ataxie – Muskelschwäche – Muskuläre Zuckungen – Kognitive Verlangsamung |
Gastrointestinal |
– Dyspepsie – Gewichtszunahme (zweithäufigste Nebenwirkung) – Übelkeit – Erbrechen – Diarrhö Symptome meist nur vorübergehend |
Dermatologisch |
– Haarausfall – Akne (häufig) – Psoriasis |
Kardial |
– T-Wellen-Veränderungen – Sinusknotensyndrom (selten) – AV-Block (selten) |
Renal |
– Nephropathie (eher selten) – Polydipsie, Polyurie |
Hämatologisch |
– Leukozytose |
Wasserhaushalt |
– Ödeme |
Endokrinologisch |
– Hypothyreose (in 20% der Fälle) – TSH-Anstieg (in 30% der Fälle) – Euthyreote Struma |
Tremor und leichte kognitive Störungen können oftmals durch eine vorsichtige Absenkung des Lithiumspiegels reduziert werden, ohne dass es im Einzelfall zum Wirkungsverlust kommt. Ist eine Dosisreduktion bei relevanter Beeinträchtigung durch den Tremor (z.B. unleserliche Schrift) nicht möglich, wird die Gabe von Propranolol in einer Dosierung von 10 bis 140 mg pro Tag empfohlen [12]. Falls nicht bereits erfolgt, sollte zunächst auf ein Lithium-Retardpräparat umgestellt und zudem auf den Genuss von Coffein verzichtet werden. Euthyreote Strumata können durch Gabe geringer Dosen Levothyroxin behandelt werden.
Zeichen eines toxischen Lithiumspiegels sind neurologische Symptome wie grobschlägiger Tremor, Rigor, Hyperreflexie, Ataxie, Schwindel, Dysarthrie und Verwirrtheit bis hin zu delirantem Verhalten. Da zerebrale Anfälle, Bewusstseinstrübung bis zum Koma sowie Herz-/Kreislaufstillstand auftreten können, müssen Patienten mit gesicherter Lithium-Intoxikation intensivmedizinisch behandelt werden.
In sehr seltenen Fällen kann es bei jahrzehntelanger Lithiumsalz-Einnahme zu einer irreversiblen Nierenschädigung (interstitielle Nephritis) kommen. Daher sollte die Nierenfunktion mindestens einmal jährlich überprüft werden (Serumcreatinin-Bestimmung, Abschätzen der glomerulären Filtrationsrate [GFR] nach Cockcroft und Gault [17]). Eine Veränderung des Lithium-Serumspiegels bei konstanter Dosierung ist ein möglicher Indikator einer veränderten glomerulären Funktion. Im Gegensatz zur interstitiellen Nephritis sind der unter Umständen auftretende Diabetes insipidus und die Polyurie nach Absetzen der Lithium-Medikation reversibel.
Von den dermatologischen Symptomen ist Akne das häufigste Problem. Es kann auch zu einer Exazerbation präexistenter Dermatosen wie einer Psoriasis kommen.
Gewichtszunahme und kognitive Beeinträchtigungen (Verlangsamung, Gedächtnisstörungen) sind die wichtigsten Risikofaktoren bezüglich der Compliance.
Arzneimittelinteraktionen
Die wichtigsten Wechselwirkungen zwischen den Lithiumsalzen und anderen Medikamenten ergeben sich im Rahmen der Elimination. In der Folge steigen die Lithium-Serumspiegel und damit die Gefahr einer Lithium-Intoxikation.
Eine Auswahl von Arzneimitteln, die in Kombination mit einer Lithiumsalz-Therapie eingesetzt werden, und mögliche Interaktionen sind in Tabelle 2 zusammengefasst. Vorsicht ist darüber hinaus bei ACE-Hemmern und Calciumkanalblockern geboten, unter denen es auch bei normalen Lithium-Serumkonzentrationen zu einer erhöhten Neurotoxizität kommen kann. Außerdem besteht bei der gleichzeitigen Gabe von nichtsteroidalen Antirheumatika wie Diclofenac ein Intoxikationsrisiko aufgrund einer verminderten renalen Lithium-Clearance. Diese Wechselwirkung tritt nicht bei Acetylsalicylsäure auf.
Arzneimittelwechselwirkungen von Lithiumsalzen mit trizyklischen Antidepressiva sind in der Regel nicht zu erwarten. Allerdings kann bei gleichzeitiger Einnahme von Amitriptylin ein durch die Lithium-Therapie induzierter Tremor verstärkt werden. Zu beachten ist auch, dass bei gleichzeitiger Einnahme von Serotonin-Wiederaufnahmehemmern (SSRI) das Risiko für ein Serotoninsyndrom erhöht ist.
Notwendige Kontrollunter- suchungen
Bei der Verordnung von Lithiumsalz-Präparaten muss eine kontinuierliche Kontrolle der psychopathologischen Entwicklung sowie der Labordaten sichergestellt werden (Tab. 4). Lithium-Serumspiegel und Serumcreatinin sollten etwa einmal monatlich überprüft werden; gleichzeitig sollten Schilddrüsenparameter, Körpergewicht und Halsumfang kontrolliert werden. Um eine renale Toxizität zu vermeiden, sind regelmäßig Nierenfunktionsprüfungen (24-Stunden-Urinvolumen, Creatinin-Clearance) durchzuführen. Etwa in viertel- bis halbjährlichen Abständen sollte ein EKG abgeleitet werden.
Tab. 4. Empfohlene Kontrolluntersuchungen bei der Therapie mit Lithiumsalz-Präparaten im Kindes- und Jugendalter [nach 13]
Vor der Therapie: |
– Anamnese, Exploration und Untersuchung bezüglich absoluter und relativer Kontraindikationen – Bei weiblichen Jugendlichen: Schwangerschaftstest (aufgrund der Teratogenität von Lithiumsalzen effektive Kontrazeption sicherstellen!) – Labor: Urinstatus, Creatinin-Clearance, Schilddrüsenwerte (T3, T4, TSH), Blutbild, Elektrolyte, Blutglucose – Blutdruck, Puls und EKG – EEG – Halsumfang (Struma?) – Körpergewicht (Gewichtszunahme?) |
Während der Therapie: |
– Lithium-Serumspiegelkontrolle: Bei Aufdosierung alle 3–5 Tage nach Änderung der Dosierung; ansonsten im ersten Monat der Medikation wöchentlich; danach ein- bis zweimal wöchentlich bis zum Erreichen des optimalen Wirkspiegels; danach über ein halbes Jahr monatlich, in der Folge etwa alle 3 Monate – Bestimmung des Creatinin-Spiegels im Serum parallel zur Bestimmung der Lithium-Serumkonzentration – Bei jeder Konsultation Überprüfung des psychopathologischen Befunds und Kontrolle hinsichtlich möglicher UAW (u. a. Gewichtszunahme, Struma, Zeichen der Intoxikation) – Mindestens einmal jährlich Laboruntersuchungen wie vor Einstellung auf Lithiumsalz-Präparat |
Einige Patienten entwickeln bereits bei niedrignormalen Lithium-Serumspiegeln Zeichen einer Intoxikation (Schläfrigkeit, Übelkeit, Erbrechen, Ataxie) und haben eine optimale Wirkdosis bei Spiegeln unterhalb oder an der unteren Grenze der empfohlenen Spiegelbereiche, während bei anderen Patienten auch bei Lithium-Serumspiegeln von >1,5 mmol/l keine ausreichende Wirksamkeit, aber auch keine UAW, feststellbar sind. Um eine adäquate Dosierung zu erreichen, sind daher kontinuierliche Verlaufskontrollen erforderlich. Ist ein stabiler Blutspiegel erreicht, kann die zunächst zweimal wöchentlich stattfindende Spiegelbestimmung auf einmal wöchentlich reduziert werden. Wird nicht innerhalb von vier Wochen bei adäquatem Blutspiegel eine hinreichende Wirkung erreicht, muss eine zusätzliche Medikation erwogen werden.
Bei der Dauermedikation mit Lithiumsalz-Präparaten gilt ein Serumspiegel von durchschnittlich 0,8 mmol/l als optimal. Spiegel über 0,8 mmol/l sollten in der Langzeittherapie wegen des höheren Risikos für renale und neurotoxische UAW möglichst vermieden werden. Konzentrationen unterhalb 0,4 mmol/l sind im Allgemeinen nicht mehr wirksam. Nach Erreichen des optimalen individuellen Wirkspiegels kann auf monatliche Serumspiegelkontrollen umgestellt werden, nach einem halb- bis einjährigen stabilen Verlauf kann auf eine vierteljährliche Spiegelbestimmung reduziert werden. Die Kontrollabstände richten sich jedoch immer auch nach der Verlässlichkeit des Patienten oder Sorgeberechtigten und der klinischen Befindlichkeit des Patienten.
Bei einem Krankheitsrezidiv ist die Compliance zu prüfen und bei Anzeichen einer Intoxikation unabhängig vom Medikationsschema eine sofortige Lithiumspiegel-Kontrolle vorzunehmen (zwölf Stunden nach der letzten Lithiumsalz-Einnahme!). Besteht das Risiko einer Nierendysfunktion und bei Erkrankungen, die mit Erbrechen oder Diarrhö einhergehen, ist eine Verlaufskontrolle des Spiegels erforderlich.
Literatur
1. Campbell M, Small AM, Wayne HG, Jennings SJ et al. Behavioral efficacy of haloperidol and lithium carbonate. Arch Gen Psychiatry 1984;41:650–6.
2. Campbell M, Adams PB, Small AM, Kafantaris V, et al. Lithium in hospitalized aggressive children with conduct disorders: A double-blind- and placebo-controlled study. J Am Acad Child and Adolesc Psychiatry 1995;34:445–53.
3. Davanzo P, Gunderson B, Belin T, Mintz J, et al. Mood stabilizers in hospitalized children with bipolar disorder: a retrospective review. Psychiatry Clin Neuroscience2003; 57:504–10.
4. Geller B, Couper TB, Sun K, Zimerman B, Frazier J, et al. Double-blind- and placebo-controlled study of lithium for adolescent bipolar disorders with secondary substance dependency. J Am Acad Child Adolesc Psychiatry 1998;37:171–8.
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6. Kowatch RA, Suppes T, Carmody TJ, Bucci JP, et al. Effect size of lithium, divalproex sodium, and carbamazepine in children and adolescents with bipolar disorder. J Am Acad Child Adolesc Psychiatry 2000;39:713–20.
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9. Möller H, Müller WE, Volz H. Psychopharmakotherapie. 2. Auflage, Stuttgart: Kohlhammer, 2000.
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11. Rothenhöfer S, Scheifele M, Wewetzer C. Manische Episode (F30) und bipolare affektive Störung (F31). In: Gerlach M, Mehler-Wex C, Walitza S, Warnke A, Wewetzer C (Hrsg.). Neuro-Psychopharmaka im Kindes- und Jugendalter. Grundlagen und Therapie, 2. Auflage. Heidelberg: Springer, 2009:447–59.
12. Schatzberg AF, Cole JO, de Battista C. Manual of Clinical Psychopharmacology. 4th edition. Washington: American Psychiatric Publishing, 2003.
13. Scheifele M, Warnke A, Gerlach M. Stimmungsstabilisatoren. In: Gerlach M, Mehler-Wex C, Walitza S, Warnke A, Wewetzer C (Hrsg.). Neuro-Psychopharmaka im Kindes- und Jugendalter. Grundlagen und Therapie, 2. Auflage. Heidelberg: Springer, 2009:319–29.
14. Steinberger K, Wagner-Ernsgraber C, Friedrich MH. Manische und bipolare affektive Störungen (F30, F31). In: Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie, Bundesarbeitsgemeinschaft Leitender Klinikärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie und Bundesverband der Ärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie (Hrsg.). Leitlinien zu Diagnostik und Therapie von psychischen Störungen im Säuglings-, Kindes- und Jugendalter. 3. überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln: Deutscher Ärzte-Verlag, 2007:45–56.
15. Strober M, Morrell W, Lampert C, Burroughs J. Relapse following discontinuation of lithium maintenance therapy in adolescents with bipolar I illness: a naturalistic study. Am J Psychiatry 1990;147:457–61.
16. Volz HP, Sauer H. Behandlung der akuten Manie mit Lithium und anderen Pharmaka. In: Müller-Oerlinghausen B, Kreil W, Berghöfer A (Hrsg.). Die Lithiumtherapie, 2. Auflage. Berlin Heidelberg: Springer, 1997:163–77.
17. Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft. Arzneiverordnungen. 22. Auflage, Berlin 2009;1305.
18. Fachinformation Hypnorex® retard, Stand Mai 2008
19. Fachinformation Lithium Apogepha®, Stand September 2008
20. www.koehler-pharma.de/index_2/indexf.html (Zugriff am 29.06.2010)
21. Fachinformation Quilonum® retard; Stand Dezember 2009
Prof. Dr. rer. nat Manfred Gerlach, Prof. Dr. med. Andreas Warnke, Universitätsklinikum Würzburg, Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie, Füchsleinstraße 15, 97080 Würzburg, E-Mail: manfred.gerlach@uni-wuerzburg.de
Therapy with mood stabilizers in child and adolescent psychiatry
Lithium salts are pharmacologically classified as mood stabilizers and are medications of first choice in children and adolescents for the treatment of manic episodes and relapse prevention in bipolar disorders. In addition, these drugs can be used for the treatment of episodic impulsive aggressiveness. However, the pharmaceutical forms on the German market are not labelled for the use in children and adolescents. The level of evidence for the treatment of acute mania with lithium salts is II in adolescents but only III–IV in children. For the relapse prevention in bipolar disorders in childhood the level of evidence is only V, whereas there is a higher level of evidence for adolescents (IV). With respect to episodic impulsive aggressiveness there is a good evidence base (II) in children as well as adolescents. Due to the narrow therapeutic index, dosing should be based on serum concentrations of lithium between 0.6 and 1.2 mmol/l. In the long-term treatment, however, concentrations should not exceed 0.8 mmol/l. Dosage adaptations should be done according to the clinical status. Side effects have to be monitored very carefully to avoid lithium(sub)intoxication.
Key words: Lithium, mania, bipolar disorders, off-label-use, impulsive aggressions, children and adolescents
Psychopharmakotherapie 2010; 17(04)