Prof. Dr. med. Hans Christoph Diener, Essen
Sowohl für das Trizyklikum Nortriptylin als auch für den Membranstabilisator Gabapentin ist die Wirksamkeit bei Patienten mit neuropathischen Schmerzen belegt. Die Substanzen haben naturgemäß einen unterschiedlichen Wirkungsmechanismus, so dass es theoretisch möglich sein müsste, durch die Kombinationstherapie eine bessere Wirksamkeit zu erlangen. In der klinischen Praxis wird die Kombination auch bereits sehr häufig bei Patienten angewandt, bei denen eine Monotherapie nicht ausreichend wirksam ist. Das Konzept wurde nun in einer doppelblinden Cross-over-Studie systematisch untersucht.
In die Studie wurden Patienten mit diabetischer Polyneuropathie oder postzosterischer Neuralgie eingeschlossen. Sie wurden im Verhältnis 1:1:1 randomisiert und erhielten in unterschiedlicher Reihenfolge jeweils sechs Wochen lang Nortriptylin oder Gabapentin als Monotherapie oder die Kombination. Die angestrebten wirksamen Tagesdosen waren 3600 mg Gabapentin und 100 mg Nortriptylin. Die einzelnen Behandlungsintervalle waren durch Auswaschphasen getrennt.
Der primäre Studienparameter war die durchschnittliche Schmerzintensität. Sie wurde bei den 47 Patienten mit zwei vollständigen Behandlungsphasen ausgewertet. Von diesen schlossen 45 Patienten alle drei Behandlungsphasen ab. Die mittlere Schmerzintensität auf einer Skala von 0 bis 10 betrug
- zu Beginn 5,4 (95%-Konfidenzintervall 5,0–5,8),
- unter Gabapentin 3,2 (2,5–3,8),
- unter Nortriptylin 2,9 (2,4–3,4) und
- in der Kombinationstherapie 2,3 (1,8–2,8).
Die Kombination war signifikant wirksamer als die jeweilige Monotherapie. Die häufigste Nebenwirkung war Mundtrockenheit.
Kommentar
Die Autoren dieser Studie sind zu beglückwünschen, da es außerordentlich schwierig ist, eine so komplizierte Studie durchzuführen und insbesondere die Patienten zu motivieren, die gesamte Studie durchzuhalten. Das Studienergebnis rechtfertigt aber den Aufwand. Wie in der klinischen Praxis zeigte sich, dass die maximal tolerierte Dosis für beide Substanzen deutlich niedriger war als vorgesehen. So lag diese zwischen 2000 und 2400 mg für Gabapentin und zwischen 50 und 60 mg für Nortriptylin. Die Studie zeigte darüber hinaus, dass auch die Schlafqualität deutlich verbessert war. Der einzige Kritikpunkt an dieser Studie ist die Tatsache, dass es keine Plazebo-Gruppe gab. Dies hätte allerdings die Studie so kompliziert gemacht, dass sie wahrscheinlich nicht mehr durchzuführen gewesen wäre. Die Studie sollte darüber hinaus Anlass sein, auch in anderen Indikationsgebieten Kombinationstherapien wissenschaftlich zu validieren.
Quelle
Gilron I, et al. Nortriptyline and gabapentin, alone and in combination for neuropathic pain: a double-blind, randomised controlled cross-over trial. Lancet 2009;374:1252–61.
Die Psychopharmakotherapie im Internet:
Psychopharmakotherapie 2010; 17(01)