Wirksamkeit und Verträglichkeit von Pregabalin bei Patienten mit generalisierten Angststörungen in der täglichen Praxis


Hans-Jürgen Möller, München, Matthias Brasser, Berlin, Siegfried Kasper, Wien, Hans-Peter Volz, Werneck, Reinhard J. Boerner, Quakenbrück, und Borwin Bandelow, Göttingen

Pregabalin, ein Alpha2-delta-Ligand an spannungsabhängigen Calciumkanälen, zeigte bei Patienten mit generalisierter Angststörung (GAS) in klinischen Studien rasche Wirksamkeit und gute Verträglichkeit. In der vorliegenden offenen, nicht randomisierten Beobachtungsstudie wurde die Substanz bei Patienten mit GAS unter Bedingungen der täglichen Praxis untersucht. Psychiater und Nervenärzte in Deutschland (n=331) schlossen 578 erwachsene Patienten mit GAS in die Studie ein und dokumentierten die Behandlung mit Pregabalin über vier Wochen. Der GAS-Schweregrad wurde zu Beginn, nach einer Woche und am Ende der Studie mit der Hospital Anxiety and Depression Scale (HADS) sowie täglich mit einer visuellen Analogskala (VAS Angst) dokumentiert, das Ansprechen auf die Therapie mit der PGIC(Patient global impression of change)-Skala. Die Dosierung war flexibel und wurde vom behandelnden Arzt bestimmt. Die meisten Patienten erhielten Pregabalin in einer Startdosis von 150 mg/Tag, die dann auf 300 mg/Tag erhöht wurde. Der mittlere HADS-A-Score nahm von 15,4 (95%-Konfidenzintervall: 15,1–15,6) zu Beobachtungsbeginn signifikant auf 9,5 (9,1–9,8) zum Studienende ab. Der mittlere VAS-Angstscore nahm signifikant von 62,3 (59,9–64,7) auf 26,5 (23,6–29,4) ab, und 74% bzw. 63% der Patienten erreichten eine >30%ige bzw. >50%ige Abnahme. Hinsichtlich des PGIC berichteten 90,4% der Patienten eine Verbesserung. 26 unerwünschte Ereignisse (UE) traten während der Studie auf, die meisten leicht oder mittelschwer, und nur 1,2% der Patienten brachen die Behandlung wegen UE vorzeitig ab. Unter Bedingungen der täglichen Praxis war Pregabalin bei unselektierten Patienten mit GAS rasch wirksam und gut verträglich. Diese Ergebnisse bestätigen die Befunde aus den randomisierten kontrollierten Studien.
Schlüsselwörter: Generalisierte Angststörung, Pregabalin, Beobachtungsstudie, ambulante Behandlung, flexible Dosierung
Psychopharmakotherapie 2009;16:211–7.

Die generalisierte Angststörung (GAS) gehört zu den häufigsten psychiatrischen Erkrankungen: in den USA erkrankten 4 bis 7% der Bevölkerung wenigstens einmal während ihres Lebens [21]. In einer aktuellen Querschnittsstudie wurde eine Prävalenz von 4% berichtet [15]. In der hausärztlichen Versorgung ist die Prävalenz der GAS sogar noch höher; etwa 8% aller Patienten zeigen eine GAS in voller Ausprägung und weitere 4% erfüllen zumindest teilweise die Kriterien der Erkrankung (im Sinne eines subsyndromalen Störungsbilds) [27, 38]. Zu den psychischen Symptomen der GAS gehören Angst, Besorgtheit, Anspannung, und Grübeln. Hinzu kommt eine Vielzahl von autonomen, muskuloskelettalen, gastrointestinalen und respiratorischen Symptomen. Die GAS verläuft meistens chronisch fluktuierend, wobei die typische Erkrankungsdauer mehr als zehn Jahre beträgt [8, 21]. Im Hinblick auf das Symptommuster und die Chronizität der Erkrankung sind Beeinträchtigungen der Funktionalität und der Lebensqualität, in ähnlicher Weise wie bei einer Major Depression, evident [34, 37]. Auch die ökonomischen Folgen für den Patienten wie auch für das Gesundheitssystem sind beträchtlich [18].

Vor diesem Hintergrund ist eine stringente Behandlung der Erkrankung erforderlich [3, 8]. Pregabalin bindet an das Alpha2-delta-Protein, eine auxiliare Untereinheit von spannungsabhängigen Calciumkanälen im zentralen Nervensystem [4]. Interessanterweise ist Pregabalin am GABA-A- und GABA-B-Rezeptor inaktiv, und die Substanz wird auch nicht zu GABA oder einem GABA-Agonisten metabolisiert [12]. Die Bindung an den genannten Rezeptor reduziert den Einstrom von Calciumionen an den Nervenendigungen und reduziert die Freisetzung von verschiedenen Neurotransmittern, insbesondere Glutamat, Noradrenalin und Substanz P [12]. Es resultieren daraus verschiedene, aber durchaus komplementäre Wirkungen. Seit einigen Jahren wird Pregabalin zur Behandlung peripherer und zentraler neuropathischer Schmerzen und als Zusatztherapie bei partiellen epileptischen Anfällen angewendet und ist seit 2006 auch für die Therapie der GAS zugelassen [24].

Pregabalin wurde für die Behandlung der GAS auf der Grundlage von mehreren kontrollierten, randomisierten, klinischen Studien zugelassen. In diesen Studien wurde ein fixes Dosierungsschema vorgegeben, und die Patienten wurden nach den in solchen kontrollierten Studien üblichen Ein- und Ausschlusskriterien ausgewählt [10, 11, 29–31, 33]. Studien bei GAS unter Alltagsbedingungen liegen bislang noch nicht vor. Deshalb wurde in der vorliegenden nichtinterventionellen Studie die Wirksamkeit und Verträglichkeit von Pregabalin bei Patienten mit GAS unter den Bedingungen der täglichen Praxis untersucht.

Patienten und Methoden

Studiendesign

An der prospektiven, offenen Beobachtungsstudie mit dem Akronym CALM (Common practice generalized anxiety: Lyrica® management) der Phase IV nahmen Ärzte aus 331 Praxen in Deutschland teil. Die Studie wurde in Übereinstimmung mit den Empfehlungen des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) geplant und durchgeführt [6]. Sie wurde bei der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und beim BfArM angezeigt; ein Ethikvotum war – im Gegensatz zu den heutigen Regelungen – zum Zeitpunkt der Durchführung der Studie noch nicht erforderlich. Die Daten wurden anonymisiert erhoben und verarbeitet.

Drei Dokumentationstermine waren vorgesehen, nämlich zu Studienbeginn (Baseline), etwa eine Woche nach Beginn der Behandlung und zum Abschluss der Behandlung (etwa vier Wochen nach Behandlungsbeginn). Nachfolge-Visiten waren möglich, sofern sie medizinisch indiziert waren. In die Studie wurden GAS-Patienten eingeschlossen, die von ambulanten Psychiatern, Neurologen oder Nervenärzten oder von Ärzten in Ambulanzen für Angststörungen behandelt wurden. Ausschlusskriterien waren die Vorbehandlung mit Pregabalin sowie die Diagnose „Major Depression“. Komorbiditäten zu Beobachtungsbeginn wurden anhand einer vorgegebenen Liste sowie als Freitext dokumentiert (Antwortkategorien: keine relevante Anamnese, früher, jetzt vorhanden). Die Behandlung mit Pregabalin (Lyrica®, pharmazeutischer Hersteller Pfizer Pharma GmbH Deutschland) erfolgte entsprechend den Vorgaben der Fachinformation. Pregabalin konnte als Monotherapie oder in Kombination mit anderen anxiolytischen Substanzen verabreicht werden. Lyrica®-Hartgelatinekapseln in allen zugelassenen Dosierungen (25, 50, 75, 100, 150, 175, 200, 225 oder 300 mg) standen zur Verfügung. Die Behandlung richtete sich ausschließlich nach den Erfordernissen der Patienten und der Entscheidung des behandelnden Arztes. Im Hinblick auf den beobachtenden Charakter der Studie wurden keine diagnostischen oder therapeutischen Maßnahmen vorgegeben. Die geplante Beobachtungsdauer betrug vier Wochen.

Instrumente

Im Rahmen der Studie wurden verschiedene etablierte Skalen zu Beobachtungsbeginn und -ende eingesetzt.

Die deutsche Version der Hospital Anxiety and Depression Scale [17] wurde vom Patienten selbst ausgefüllt, wobei die Subskalen für Angst (HADS-A) und Depression (HADS-D) jeweils aus sieben Fragen zusammengesetzt waren, die jeweils mit einer 4-stufigen Likert-Skala beantwortet wurden. Höhere Scores bedeuten stärkere Symptome von Angst und/oder Depression. Diese Skala wurde auch nach einer Woche eingesetzt.

Der GAD-7-Fragebogen ist ein neues, vom Patienten auszufüllendes Screening-Instrument für GAS und umfasst 7 Items bezüglich der Häufigkeit von Angstsymptomen, die von „überhaupt nicht“ (0 Punkte) bis „nahezu jeden Tag“ (3 Punkte) reichen [22, 35]. Aus der Summe der Punkte für die 7 Fragen wurde ein Gesamtwert gebildet. Er wurde explorativ mit erhoben, um zu prüfen, ob er sich auch für die Verlaufsbeobachtung der GAS eignet.

Schlafqualität, Schlafquantität und Tagesschläfrigkeit wurden mit der Medical Outcomes Study Sleep Scale (MOS) beurteilt [16, 32]. Hierzu beantworteten die Patienten 14 Fragen zu ihrem Schlaf sowie zur Einschlafzeit und Schlafdauer über die vorangegangenen vier Wochen.

Mittels des Health Survey Questionnaire Short Form 12 (SF-12) gaben die Patienten Auskunft über ihren allgemeinen Gesundheitszustand.

Darüber hinaus füllten die Patienten noch täglich Tagebücher aus, in denen sie visuelle Analogskalen (VAS) zu Schmerz, Schlafqualität und Angst an jedem Tag zwischen dem Screening und der Abschlussuntersuchung dokumentierten. Hierbei wurden die Schmerz- und Schlafskalen nach dem Frühstück und die Angstskala unmittelbar vor dem Zubettgehen ausgefüllt.

Bei Beobachtungsende wurde die Veränderung des Befindens des Patienten vom Patienten selbst mit der PGIC(Patient global impression of change)-Skala beurteilt, die 7-stufige Antwortmöglichkeiten umfasst [14]. Patienten mit den Antworten „sehr starke“, „starke“, „geringe“ Verbesserung wurden als PGIC-Responder eingestuft. Die Ärzte beurteilten die Veränderung des Gesundheitszustands der Patienten mithilfe der CGIC(Clinical global impression of change)-Skala [14].

Zur Dokumentation der Verträglichkeit der Substanz wurden alle unerwünschten Ereignisse (UE) unabhängig von der möglichen Kausalität zur Prüfsubstanz in Case Report Forms (CRF) dokumentiert. Hierzu wurden den Ärzten sechs ganzseitige Erhebungsbögen ausgehändigt. Schwerwiegende UE wurden vom Arzt binnen 24 Stunden an den Sponsor der Studie oder an die Behörden berichtet. Weitere Sicherheitskriterien waren die vorangegangene und gleichzeitig gegebene Medikation, Dosierungswechsel und Studienabbrüche. UE [9] und die medizinische Vorgeschichte wurden mithilfe des Medical Dictionary for Regulatory Activities (MedDRA 10.1) kodiert.

Statistische Methoden

Die Dateneingabe und -verarbeitung wurde durch Winicker Norimed GmbH in Nürnberg entsprechend den „Empfehlungen für Gute Epidemiologische Praxis“ durchgeführt [1]. Entsprechend dem Analyseplan wurden Plausibilitäts- und Konsistenzprüfungen der Daten vorgenommen.

Die Wirksamkeitsanalysen wurden mit den Patienten durchgeführt, die mindestens eine Dosis der Studienmedikation erhalten hatten und von denen eine Dokumentation von Wirksamkeitsparametern nach Beobachtungsbeginn vorlag (Full Analysis Set). Die Sicherheitspopulation wurde für die Baseline- und Sicherheitsanalysen herangezogen; sie umfasst alle Patienten, die mindestens eine Dosis der Studienmedikation erhalten hatten. Für kategorielle Variablen wurden Häufigkeiten und prozentuale Häufigkeiten berechnet. Pearson-Korrelationskoeffizienten wurden bei Normalverteilung, Spearman-Korrelationskoeffizienten für nicht normal verteilte Parameter verwendet. Bei kontinuierlichen Variablen wurden die Anzahl der Patienten, der Mittelwert und die Standardabweichung (SD) bestimmt. Für die Skalenveränderungen wurden zusätzlich 95%-Konfidenzintervalle (95%-KI) berechnet: wenn ein Konfidenzintervall den Wert 0 enthielt, war die Veränderung nicht signifikant.

Ergebnisse

Patientenzahl und -charakteristika bei Baseline

Im Rahmen der Studie wurden 578 Patienten in 331 Praxen bzw. Ambulanzen im Mittel über 31,0 Tage mit Pregabalin behandelt. Während der Studie beendeten 39 Patienten (6,7%) die Behandlung vorzeitig, hiervon 22 im Zusammenhang mit der Studienmedikation (7 wegen UE, 6 wegen Nichtansprechen der Behandlung, 9 aus einem anderem Grund).

Das mittlere Alter der Patienten lag bei 48,1±13,7 Jahren (18–44 Jahre in 39,6%, 45–64 Jahre in 45,8%, ≥65 Jahre in 13,3%). Weibliche Patienten überwogen im Kollektiv (60,2%). Die mittlere Erkrankungsdauer in Hinblick auf GAS betrug 4,3 Jahre. Komorbiditäten waren häufig, insbesondere Schlafstörungen wurden am häufigsten genannt, außerdem Panikstörung, soziale Phobie und depressive Symptome (Tab. 1).

Tab. 1. Komorbiditäten bei Beobachtungsbeginn

Vorhanden bei Beginn

Erkrankung/Syndrom

[n]

[%]

Psychische Störungen

Schlafstörungen

261

45,1

Panikstörung

191

33,0

Soziale Phobie

140

24,2

Depressive Symptome

111

19,2

Chronischer Schmerz

61

10,5

Spezifische Phobien

58

10,0

Andere Erkrankungen

Radikulopathie

43

7,4

Diabetische Polyneuropathie

23

3,9

Andere schmerzhafte Neuropathie

11

1,9

Nennung ≥1% nach der Klassifikation des Medical Dictionary for Regulatory Activities (MedDRA 10.1); Einmalnennung pro Patient für jede(s) spezifische Erkrankung/Syndrom in der Tabelle

Vorbehandlung und Dosierungsschema mit Pregabalin

Am häufigsten wurden die Patienten mit Opipramol (25,3%), Benzodiazepinen (23,7%), Paroxetin (18,9%) und Citalopram (17,8%) vorbehandelt.

Pregabalin wurde zu Therapiebeginn bei 285 Patienten (49,3%) mit 150 mg/Tag und bei 192 Patienten (33,2%) mit 75 mg/Tag (n=192; 33,2%) eingesetzt. Die am häufigsten verwendete Dosierung zum Beobachtungsende waren 150 mg/Tag (n=228; 39,4%) bzw. 300 mg/Tag (n=187; 32,3%). Die am häufigsten verwendeten Dosierungspfade waren: Initialdosis von 150 mg/Tag mit Steigerung auf 300 mg/Tag bei 123 (21,2%), Initialdosis von 75 mg/Tag mit Steigerung auf 150 mg/Tag bei 100 (17,3%), Initialdosis von 150 mg/Tag ohne Veränderung im Studienverlauf bei 99 Patienten (17,1%).

Wirksamkeit

HADS. Der HADS-A wurde von einem Ausgangswert von 15,4 bis zum Beobachtungsende um 5,9 Punkte (95%-KI: –6,3 bis –5,5) signifikant reduziert (Tab. 2, Abb. 1). Bereits ab der ersten Behandlungswoche war eine signifikante Reduktion der Skalenwerte nachweisbar (Abb. 1).

Tab. 2. Veränderungen von Studienparametern im 4-wöchigen Verlauf

Ausgangswert

Abschlussuntersuchung

Parameter

n

Mittelwert (SD)

n

Veränderung (SD)

GAD-7 Gesamt-Score

569

15,0 (4,0)

561

–6,1 (4,6)

HADS-D Subskala

563

13,1 (4,2)

551

–5,1 (4,8)

HADS-A Subskala

562

15,4 (3,4)

555

–5,9 (4,5)

MOS Schlaf-Index 6 Items

564

71,8 (23,2)

554

–27,0 (25,2)

MOS Schlaf-Index 9 Items

562

58,8 (18,4)

549

–22,7 (19,5)

SF-12

555

31,0 (2,6)

505

+0,5

Patiententagebuch

VAS Schlaf

305

68,8 (19,9)

254

–36,6 (29,4)

VAS Schmerz

203

48,7 (29,5)

88

–18,4 (29,7)

VAS Angst

307

62,3 (21,4)

239

–36,0 (29,9)

HADS-A: Subskala Angst der Hospital Anxiety and Depression Scale; HADS-D: Subskala Depression der Hospital Anxiety and Depression Scale; MOS: Medical Outcomes Study; GAD-7: Generalised Anxiety Disorder Screening mit 7 Items; SD: Standardabweichung; SF-12: Short form 12 Items (höherer Wert=besserer Gesundheitsstatus); VAS: visuelle Analogskala

Abb. 1. Hospital Anxiety and Depression Score (Subskala für Angst: HADS-A) im Studienverlauf (Mittelwerte und 95%-Konfidenzintervall). Bereits nach 1 Woche zeigt sich ein deutlicher Effekt.

Auch depressive Symptome wurden im HADS-D-Score signifikant reduziert; hier waren die Baseline-Werte niedriger (Tab. 2), da Patienten mit einer Major Depression von der Studienteilnahme ausgeschlossen waren.

GAD-7. Angstsymptome im GAD-7 wurden von einem Ausgangswert von 15,0 um 6,1 Punkte (95%-KI: –6,5 bis –5,7) nach 4-wöchiger Behandlung signifikant reduziert (Tab. 2).

MOS-Schlafindex. Der aus 9 Items bestehende MOS-Schlafindex wurde von einem Ausgangswert von 58,8 um 22,7 (95%-KI: –24,4 bis –21,1) auf 36,1 bei Beobachtungsende signifikant reduziert (Tab. 2, Abb. 2).

Abb. 2. Medical Outcomes Study (MOS) Schlafskala mit 9 Items im Studienverlauf (Full analysis set). Der Box-Whisker-Plot zeigt Median (grauer Querstrich), Mittelwert (roter Querstrich), Quartilen (Box) und „Whiskers“ für 5%- und 95%-Perzentile. Sterne zeigen Einzelwerte außerhalb des 5%- bis 95%-Bereichs.

SF-12. Die Einschätzung der Patienten hinsichtlich ihres allgemeinen Gesundheitszustands war zu Beobachtungsbeginn (Mittelwert 31,0) und -ende (31,5) unverändert (Tab. 2).

PGIC. Beim Beobachtungsende gab die Mehrzahl der Patienten an, ihr Zustand habe sich durch die Behandlung verbessert: bei 69 (12,1%), 254 (44,5%) und 193 Patienten (33,8%) war der Zustand sehr stark, stark oder etwas verbessert (Abb. 3). Bei 31 (5,4%), 12 (2,1%) und 3 Patienten (0,5%) war der Zustand unverändert, etwas schlechter oder viel schlechter. Insgesamt waren 516 (90,4%) PGIC-Responder.

Abb. 3. Patient Global Impression Scale (PGIC) zum Studienende (Differenz zu 100% bedingt durch fehlende Angaben)

CGIC. Auch die Ärzte beurteilten zum Studienende für die Mehrzahl ihrer Patienten eine Verbesserung des allgemeinen Status: 57 (10,0%), 236 (41,3%) und 205 (35,9%) der Patienten hatten nach Arztbeurteilung eine deutliche, mittlere oder minimale Verbesserung. Dagegen hatten 62 (10,9%) keine Veränderung, 3 (0,5%) eine leichte und ein Patient (0,2%) eine mittelstarke Verschlechterung. Insgesamt wurden 498 (87,2%) als CGIC-Responder klassifiziert.

Patiententagebücher

Hinsichtlich Angst, Schlafstörungen und Schmerz wurden von den Patienten konsistent Verbesserungen berichtet (Tab. 2).

Zwischen der Veränderung im GAD-7 und HADS-A wurde eine hohe, signifikante Korrelation festgestellt (Pearson-Korrelationskoeffizient: 0,72). Zwischen den Veränderungen im GAD-7 und der VAS für Angst fanden sich geringere, aber ebenfalls signifikante Korrelationen (Pearson-Korrelationskoeffizient 0,48) wie auch für die Korrelation zwischen CGIC und Änderung des GAD-7 (Spearman-Korrelationskoeffizient 0,55).

Verträglichkeit

Im Verlauf dieser Studie wurden 26 UE dokumentiert. Von diesen wurden 16 als mit der Prüfmedikation in Verbindung stehend bewertet (jeweils ein Fall von Erbrechen, Reizbarkeit, Alkoholintoxikation, Muskelspasmen, Hypästhesie, Sedierung, Agitation, Insomnie, Unruhe und undefinierte Beschwerden sowie jeweils zwei Ereignisse von Schwindel, Ermüdung und Benommenheit). Die meisten UE waren leicht bis mittelgradig ausgeprägt. Nur 1,2% der Patienten brachen die Behandlung wegen UE ab. Ein schwerwiegendes UE, das allerdings als nicht mit Pregabalin in Bezug stehend bewertet wurde, wurde berichtet (vorübergehende Bewusstlosigkeit).

Diskussion

In der vorliegenden offenen Studie führte eine 4-wöchige Behandlung mit Pregabalin zu signifikanten und klinisch relevanten Verbesserungen der Angstsymptomatik, gemessen auf verschiedenen Symptomskalen für Angst, der begleitenden Depressivität sowie der Schlafstörungen, und zwar nach den Ergebnissen mit der HADS bereits ab der ersten Behandlungswoche. Die Substanz wurde gut vertragen. Die Behandlungseffekte waren hinsichtlich einer Reihe unterschiedlicher Skalen, die beim Arzt oder vom Patienten mittels Patiententagebuch ausgefüllt wurden, konsistent.

Die vorliegende Studie ergänzt den Datenpool aus insgesamt sechs Plazebo-kontrollierten, doppelblinden Studien, die mit Pregabalin durchgeführt wurden und allesamt positive Ergebnisse zeigten. In zwei dieser Studien diente Lorazepam als aktive Kontrolle [11, 29], in einer Studie Alprazolam [33], in zwei weiteren Studien Venlafaxin [19, 25], eine weitere Kurzzeitstudie hatte keine aktive Kontrolle [31] und eine 6-Monats-Langzeitstudie wurde mit einer Plazebo-Kontrolle durchgeführt [10]. In allen Studien zeigte sich, unabhängig von den verwendeten Skalen, ein rasch eintretender und anhaltender Effekt von Pregabalin hinsichtlich der GAS-Symptomatik. Bereits nach einer Woche, wie auch in unserer Studie, zeigte sich eine Verbesserung, die bis zum Studienende hin anhielt. Die 6-Monats-Langzeitstudie von Feltner et al. zeigte, dass eine Dauertherapie mit Pregabalin (450 mg/Tag) bei ambulant behandelten Patienten effektiv Rückfälle verhindert [10].

In Subgruppen-Analysen zeigte sich, dass die Wirkung von Pregabalin auch in den vorab definierten Subgruppen, unterteilt nach Alter, Geschlecht, komorbider depressiver Symptome und Einsatz von Pregabalin in der Primär- versus Sekundärtherapie, konsistent nachweisbar war [5]. Dies erleichtert den Einsatz der Substanz in der täglichen Praxis substanziell. In unserer Studie wurde ein hoher Anteil von Komorbiditäten dokumentiert, wobei nicht wie in früheren epidemiologischen Erhebungen Depressionen [7, 20], sondern Schlafstörungen und Panikstörungen vorherrschten. Bemerkenswert ist auch der Effekt von Pregabalin auf diese Komorbiditäten. Begleitende depressive Symptome wie auch Schlafstörungen wurden deutlich reduziert. Ähnliche Befunde ergaben sich unter Pregabalin auch in anderen Indikationen, wie zum Beispiel der Behandlung von neuropathischen Schmerzen und deren Komorbiditäten [23]. Auch in dieser Indikation finden sich häufig generalisierte Angststörungen, Schlafstörungen und symptomatische Depressivität, die konsistent unter Pregabalin-Therapie verbessert werden [23].

Die Wirkung von Pregabalin setzte bereits ab der ersten Woche ein. Pregabalin wurde flexibel dosiert, das heißt nach Maßgabe des behandelnden Arztes. Dieses Dosierungsschema kommt den Erfordernissen der täglichen Praxis näher als die fixen Dosierungen, die in den früheren klinischen Studien verwendet wurden [11, 25, 29, 33].

Bei der Interpretation der Ergebnisse sind einige methodische Besonderheiten zu beachten. Bei den Studienpatienten handelte es sich um eine für die Praxis typische Klientel mit einem breiten Spektrum von Begleiterkrankungen und -medikationen. Die Hauptmessgrößen wurden durch die Patienten selbst beurteilt, was in Hinblick auf einen möglichen Untersucher-Bias Vorteile aufweist. Die Studie war auf vier Wochen beschränkt, das heißt, sie bildet nur den ersten Teil einer möglicherweise jahrelang notwendigen Therapie ab. GAS ist eine Erkrankung, die zu Chronifizierung neigt, weshalb neben der Akutwirkung in unserer Studie auch die Langzeitwirkung, insbesondere hinsichtlich der Prävention von Rückfällen, gezeigt werden muss. Eine solche doppelblinde Studie liegt bereits für ein fixes Behandlungsschema in der ambulanten Praxis vor [10] und zeigt eine anhaltende Wirksamkeit über sechs Monate.

Pregabalin wurde in dieser Studie gut vertragen, was sich an den niedrigen Zahlen von unerwünschten Ereignissen und Studienabbrechern zeigte. Die berichteten unerwünschten Ereignisse waren meist leicht oder mittelschwer. Sie stimmen mit dem bekannten Profil der Substanz überein [24]. Allerdings sind die berichteten Raten niedriger als in den kontrollierten Studien, möglicherweise bedingt durch die unvollständige Mitteilung (Underreporting) von unerwünschten Arzneimittelwirkungen, wie man es auch von anderen Phase-IV-Studien kennt [13]. Andererseits könnten bekannte Nebenwirkungen, auf die Arzt und Patient vorbereitet sind, weniger gravierend beziehungsweise störend empfunden und insofern in geringerem Maße explizit berichtet werden. Zu beachten ist, dass die Nebenwirkung Sedierung nicht explizit untersucht wurde (hierfür wären eigene Instrumente verfügbar), was die geringe Nennung in dieser Studie erklärt.

Da die vorliegende Studie offen durchgeführt wurde, ist ihre Aussagekraft eingeschränkt, unter anderem da bei der Behandlung der generalisierten Angststörung mit hohen Plazebo-Effekten gerechnet werden muss. Allerdings liegen die dokumentierten Responseraten weit über denen der Plazebo-Gruppen aus zahlreichen randomisierten kontrollierten Studien. Solche Studien, die nach wie vor als methodischer Goldstandard gelten, reduzieren zwar den Einfluss von Erwartungs- und Plazebo-Effekten, unterscheiden sich jedoch wegen artifizieller Studienbedingungen oft deutlich von der Realität der alltäglichen medizinischen Versorgung (hinsichtlich Patientenselektion, Studienzentren-Effekten, Ein- und Ausschlusskriterien, Komorbiditäten, Art der Intervention und Endpunkten) [36]. Deshalb können Beobachtungsstudien in der täglichen medizinischen Versorgung dazu beitragen, durch den Blick auf „typische“ Patienten und Ärzte die Lücke zwischen „efficacy“ (Wirksamkeit) und „effectiveness“ (Wirkung) zu schließen [26]. Ein Vergleich der Ergebnisse offener und kontrollierter Studien in der Prüfung von Neuroleptika bestätigte die Aussagekraft offener Studien [28]. Die British Association for Psychopharmacology bezieht deshalb – neben den klassischen Evidenz-Kategorien – auch eine weitere Kategorie für die Evidenz aus Beobachtungsstudien (effectiveness) in die Betrachtung mit ein [2]. Besonders aussagekräftig kann die parallele Durchführung von verschiedenen Studientypen zu einer vergleichbaren Fragestellung sein, etwa wenn randomisierte kontrollierte Studien durch Beobachtungsstudien ergänzt werden.

Zusammenfassend zeigt sich, dass die Behandlung mit Pregabalin in einer flexiblen Dosierung entsprechend der Maßgabe des behandelnden Arztes bei Patienten mit GAS zu einer raschen und deutlichen Reduktion der Angstsymptomatik sowie zu einer signifikanten Verbesserung der assoziierten Komorbiditäten führt. Die Substanz wird hierbei gut vertragen. Diese Studie unter den Bedingungen der täglichen Praxis bestätigt damit die Datenlage aus den zahlreichen randomisierten, kontrollierten Studien zu Pregabalin in dieser Indikation.

Interessenskonflikte und Danksagung

Die Studie wurde von der Pfizer Pharma GmbH, Berlin durchgeführt. Dr. Brasser ist Mitarbeiter der Medizinischen Abteilung der Pfizer Pharma GmbH.

Prof. Möller hat Zuwendungen für Forschung, Vorträge und Beratungstätigkeiten von den folgenden Firmen erhalten: AstraZeneca, Bristol-Myers Squibb, Eli Lilly, Eisai, GlaxoSmithKline, Janssen-Cilag, Lundbeck, Merck, Novartis, Organon, Pfizer, Sanofi Aventis, Sepracor, Servier, Wyeth. Er war als Berater oder als Mitglied von Advisory Boards tätig für AstraZeneca, Bristol-Myers Squibb, Eli Lilly, GlaxoSmithKline, Janssen-Cilag, Lundbeck, Organon, Pfizer, Sepracor, Servier, Wyeth. Ferner hat er für Vorträge Honorare erhalten von AstraZeneca, Bristol-Myers Squibb, Eli Lilly, Eisai, GlaxoSmithKline, Janssen-Cilag, Lundbeck, Organon, Pfizer, Sanofi Aventis und Sepracor.

Prof. Kasper hat Zuwendungen für Forschung von den folgenden Firmen erhalten: Eli Lilly, Lundbeck, Bristol-Myers Squibb, GlaxoSmithKline, Organon, Sepracor und Servier. Er war als Berater oder als Mitglied von Advisory Boards tätig für AstraZeneca, Bristol-Myers Squibb, GlaxoSmithKline, Eli Lilly, Lundbeck, Pfizer, Organon, Schwabe, Sepracor, Servier, Janssen und Novartis. Ferner hat er für Vorträge Honorare erhalten von AstraZeneca, Eli Lilly, Lundbeck, Schwabe, Sepracor, Servier, Pierre Fabre und Janssen.

Prof. Volz war für folgende Firmen als Berater in den letzten drei Jahren tätig: Lundbeck, Hormosan Pharma, Wyeth, AstraZeneca, Pfizer, Merz Pharmaceuticals, Merckdura, Otsuka, Lichtwer Pharma (MCM Klosterfrau), Dr. Willmar-Schwabe, Steigerwald Arzneimittelwerk, Lilly Deutschland, Janssen-Cilag. Er hat für Vorträge in den letzten drei Jahren Zuwendungen erhalten von folgenden Firmen: Lundbeck, Hormosan Pharma, Wyeth, AstraZeneca, Pfizer, Merz Pharmaceuticals, Merckdura, Otsuka, Lichtwer Pharma (MCM Klosterfrau), Dr. Willmar-Schwabe, Steigerwald Arzneimittelwerk, Lilly Deutschland, Janssen-Cilag, Bristol-Myers Squibb, Servier Deutschland.

Dr. Boerner ist Mitglied des Advisory Boards und hat für Vorträge Honorare erhalten von Pfizer.

Prof. Bandelow hat in den letzten drei Jahren Honorare für Vorträge und Advisory Boards erhalten von AstraZeneca, Bristol-Myers Squibb, Cephalon, Dainippon-Sumitomo, Glaxo, Janssen, Jazz, Lilly, Lundbeck, Pfizer, Roche, Servier, Solvay, Wyeth und Xian-Janssen.

Die Autoren danken den Studienärzten für ihre Teilnahme und Priv.-Doz. Dr. D. Pittrow, Institut für Klinische Pharmakologie der TU Dresden, für Beiträge zur Interpretation der Daten. Ergebnisse der CALM-Studie wurden unter anderem auf der Jahrestagung der DGPPN 2008 vorgestellt.

Literatur

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Dr. med. Matthias Brasser (Korrespondenzautor), Senior Medical Advisor, Pfizer Pharma GmbH, Linkstraße 10, 10785 Berlin, E-Mail: matthias.brasser@pfizer.com
Prof. Dr. Hans-Jürgen Möller, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Ludwig-Maximilians-Universität, Nussbaumstraße 7, 80336 München
O. Univ.-Prof. Dr. Siegfried Kasper, Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Medizinische Universität, Währinger Gürtel 18–20, 1090 Wien, Österreich
Prof. Dr. Hans-Peter Volz, Krankenhaus für Psychiatrie, Psychotherapie und psychosomatische Medizin Schloss Werneck, Balthasar-Neumann-Platz 1, 97440 Werneck
Dr. med. Dipl.-Psych. Reinhard J. Boerner, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Christliches Krankenhaus Quakenbrück, Goethestraße 10, 49610 Quakenbrück
Prof. Dr. med. Dipl.-Psych. Borwin Bandelow, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universität Göttingen, von-Siebold-Straße 5, 37075 Göttingen

Effectiveness and tolerability of pregabalin in patients with generalized anxiety disorders in routine clinical care

In a comprehensive clinical trial program, pregabalin, an alpha2 delta-ligand of voltage-gated calcium channels, has shown efficacy and safety in treatment of generalized anxiety disorder (GAD). The present open-label, non-interventional, observational trial aimed to prospectively investigate the efficacy and tolerability in a real life setting.

331 psychiatrists recruited 578 adult patients with GAD and documented treatment with pregabalin over four weeks. GAD severity was rated at baseline, after one week and at study end by the Hospital Anxiety and Depression Scale (HADS) and on a daily basis, with a visual analogue scale (VAS anxiety). Response to treatment was measured with the Patient Global Impression of Change scale (PGIC).

Dosing was flexible and at the discretion of the treating physician. Most patients received an initial daily dose of 150 mg pregabalin, which was then increased to 300 mg/day. Mean HADS scores decreased significantly from 15.4 (95% CI: 15.1–15.6) at baseline to 9.5 (9.1–9.8) at the final visit. VAS anxiety scores significantly decreased from 62.3 (59.9–64.7) to 26.5 (23.6–29.4) with 74% and 63% of subjects achieving a >30% and >50% reduction, respectively. Regarding the PGIC, 90.4% of patients reported improvement. A total of 26 adverse events (AEs) occurred during the trial, mostly rated mild to moderate in severity, with no treatment related serious events. Only 1.2% of subjects discontinued treatment due to AEs.

Under clinical practice conditions, pregabalin in unselected patients with GAD was effective, with a rapid onset of action, and well tolerated. These results are in line with those from randomized, controlled clinical trials.

Keywords: Generalized anxiety disorder, pregabalin, non-interventional study, outpatient treatment, flexible dosing

Psychopharmakotherapie 2009; 16(05)