Prof. Dr. Heinz Reichmann, Dresden
Nach stürmischen Monaten in Sorge bezüglich der Vergütung der niedergelassenen Neurologen, Psychiater, Nervenärzte und Psychotherapeuten scheint es in den meisten Regionen Deutschlands im ersten Quartal zu einem positiven Auszahlungsergebnis gekommen zu sein. Dieses lässt darauf hoffen, dass die Kassenärztlichen Vereinigungen nicht zu viel Geld zurückgehalten haben, um ihre Rücklagen hochzuhalten, sondern das Geld, wie eigentlich vorgesehen, in die ambulante Versorgung eingebracht haben. Offen bleibt aus meiner Sicht nach wie vor die Frage, ob politisch das Sterben der Einzelpraxis erwünscht ist und/oder zumindest darauf hingearbeitet wird, dass technische Leistungen in Praxen nicht mehr erbracht werden, sondern diese in medizinische Versorgungszentren (MVZ), größere Gemeinschaftspraxen und Kliniken verlagert werden. Trotz dieser Unsicherheit glaube ich, dass die positiven Entwicklungen auf dem Honorarsektor uns allen wieder erlauben, uns auf das eigentliche Kernanliegen unseres Ärztetums, nämlich die Betreuung von Patienten und wissenschaftliche Fortbildung, zu konzentrieren.
In dieses Umfeld fällt die neueste Ausgabe der „Psychopharmakotherapie“, der es aus meiner Sicht erneut gelungen ist, eine sehr spannende Vielfalt für die Neurologen und Psychiater anzubieten. In einem ersten Artikel wird über das S-Enantiomer des Zopiclons, nämlich Eszopiclon, berichtet, das in den Vereinigten Staaten seit 2004 zugelassen ist. Der Zulassungsantrag für Deutschland bzw. die EU wurde im Mai 2009 zurückgezogen, weil Eszopiclon als nicht neuer Wirkstoff klassifiziert wurde. Abzuwarten bleiben Vergleichsstudien zwischen den beiden Substanzen, so dass im Artikel von Doerr und Riemann noch keine abschließende Wertung vorgenommen werden konnte. Von Seiten des neurologischen Fachs gibt es interessante Entwicklungen der Enzymersatztherapien, was am Beispiel der Muskelkrankheit Morbus Pompe und der neurovaskulären Erkrankung Morbus Fabry von Schoser und Kollegen sehr eindrucksvoll beschrieben wird. Dieser Artikel ist als Pars pro Toto besonders interessant, um die Hintergründe der modernen Enzymersatztherapie verstehen zu lernen. Ein wichtiges Thema ist auch die Umstellung von Originalpräparaten auf Generika, die zum Beispiel von den Epileptologen mit breitem Konsens abgelehnt wird. Volz und Kollegen besprechen dieses Problem in Bezug auf Psychopharmaka und kommen zu dem Schluss, dass diese Umstellung durchaus Probleme bringen kann und im Einzelfall zumindest sehr genau in Hinblick auf Compliance und Rückfälle analysiert werden muss.
In einer Anwendungsbeobachtung wurde bei Patienten mit tardiver Dyskinesie die Wirksamkeit von Tetrabenazin geprüft; 70% der Ärzte und 66% der Patienten beurteilten den Behandlungserfolg als gut bis sehr gut. Nebenwirkungen dieser Therapie waren Müdigkeit, Parkinsonsyndrome, Schwindel und Depression. Insgesamt kommen aber Dose et al. zu dem Schluss, dass dies eine durchaus empfehlenswerte Therapieform für tardive Dyskinesien darstellt. Angststörungen sind in der täglichen Praxis ein häufiges Phänomen und erfordern neben Gesprächstherapie häufig auch eine psychopharmakotherapeutische Intervention. Bei generalisierten Angstörungen zeigt Pregabalin, das wir auch aus der Epilepsie und Schmerztherapie kennen, positive Effekte. In einer Studie von Möller et al. wurden insgesamt 578 Patienten mit einer generalisierten Angststörung eingeschlossen und 4 Wochen lang untersucht. Sie erhielten im Schnitt 300 mg Pregabalin, das sich auch in dieser Studie als rasch wirksam und gut verträglich erwies.
Es folgen ein Fallbericht über prokonvulsive Wirkungen einer komplexen Psychopharmaka-Therapie in Verbindung mit Schlafentzug sowie Studienreferate zum Einsatz von Alemtuzumab und retardiertem Fampridin bei multipler Sklerose. Weitere Kurzberichte zum Einsatz verschiedener Psychopharmaka bei unterschiedlichen Indikationsstellungen machen auch diese Ausgabe der PPT zu einer Fundgrube aktueller Informationen, so dass ich hoffe, dass diese Ausgabe für den Leser eine wertvolle Bereicherung seines Kenntnisstands neurologischer und psychiatrischer Pharmakotherapie darstellen wird.
Psychopharmakotherapie 2009; 16(05)