Dr. Barbara Kreutzkamp, Hamburg
Die Prävalenz der generalisierten Angsterkrankung (GAS) beträgt bei älteren Menschen rund 7%; bei Patienten in ärztlicher Versorgung dürfte die Quote noch höher liegen. GAS-Patienten haben eine schlechte Lebensqualität, suchen häufiger ihren Arzt auf und leiden öfter unter kognitiven Defiziten. Auch somatische Erkrankungen wie Asthma bronchiale, kardiovaskuläre und onkologische Erkrankungen kommen bei ihnen häufiger vor.
Den Patienten werden häufig Benzodiazepine verordnet. Benzodiazepine sind gut wirksam, erhöhen aber die Gefahr von Stürzen und Autounfällen und können die Kognition weiter verschlechtern. Eine Alternative stellen die selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) dar, die bei jüngeren GAS-Patienten gute Erfolge zeigen, bisher bei Älteren mit einer GAS allerdings kaum untersucht sind.
Methodik und Ergebnisse
In einer randomisierten kontrollierten Studie erhielten 177 GAS-Patienten über 60 Jahre über 12 Wochen Escitalopram (n=85) oder Plazebo (n=92). Die Behandlung begann mit 10 mg/Tag. Bei unzureichender Wirkung konnte die Dosis nach vier Wochen auf 20 mg/Tag erhöht werden; davon machten 77% bzw. 80% der Patienten Gebrauch. Primärer Endpunkt war das Ansprechen, definiert als CGI-I(Clinical Global Impressions- Improvement)-Skalenwert 1 (sehr stark verbessert) oder 2 (stark verbessert).
In der primären Analyse, bei der die Daten von Studienabbrechern zum Zeitpunkt des Drop-outs zensiert wurden, ergab sich eine durchschnittliche kumulative Ansprechrate auf Escitalopram von 69% vs. 51% unter Plazebo (p=0,03). In der konservativen Intention-to-treat-Analyse zeigte sich allerdings kein Unterschied mehr in der durchschnittlichen kumulativen Ansprechrate (57% vs. 45%, p=0,11).
Eine stärkere Verbesserung als mit Plazebo erzielten die mit Escitalopram behandelten Patienten bei den Parametern Angstsymptome und Rollenfunktion (Clinical Global Impressions-Improvement-Scale: Effektgröße 0,93, p<0,001; Penn State Worry Questionnaire: 0,30, p=0,01; Einschränkung von Aktivitäten: 0,32, p=0,04; rollenspezifische emotionale Verschlechterung und soziale Funktionsfähigkeit: 0,96, p=0,04). Unterschiede in der Ansprechrate zeigten sich erst in den Wochen 5 bis 8.
Häufige Nebenwirkungen von Escitalopram, deren Inzidenzen signifikant über denen von Plazebo lagen, waren Fatigue oder Somnolenz (35 Patienten [41,1%]), Schlafstörungen (12 [14,1%]) und Harnwegsbeschwerden (8 [9,4%]). Patienten mit einem hohen Blutdruck oder einer hohen Herzfrequenz hatten einen größeren Abfall der entsprechenden Werte im Vergleich zu den Patienten unter Plazebo. Bei Patienten mit normalem Blutdruck und normaler Herzfrequenz blieben die Werte unter Escitalopram-Therapie aber konstant, Hypotensionen wurden nicht festgestellt.
Zusammenfassung und Diskussion
Ältere Patienten mit einer generalisierten Angststörung sprechen auf eine Behandlung mit dem SSRI Escitalopram an, vor allem die Angstsymptomatik und die Rollenfunktion bessern sich im Vergleich zu Plazebo. Allerdings hatten die Patienten unter Verum auch eine erhöhte Rate von Nebenwirkungen wie Fatigue oder Somnolenz.
Eine deutlich bessere Wirksamkeit des SSRI im Vergleich zu Plazebo war erst nach mehr als vier Wochen Behandlung zu erkennen, nachdem bei vielen Patienten die Dosis auf 20 mg/Tag erhöht worden war. Eine Tagesdosis von 10 mg Escitalopram ist für die meisten älteren Menschen wohl zu gering. Das Ergebnis deckt sich außerdem mit Beobachtungen, dass bei depressiven älteren Patienten eine komorbide Angststörung das Ansprechen auf eine antidepressive Therapie hinauszögern kann. Weiterhin ist eine SSRI-Monotherapie bei vielen Senioren nicht ausreichend wirksam. Augmentation, Medikamentenswitch oder zusätzliche nichtpharmakologische Interventionen können das Behandlungsergebnis möglicherweise noch verbessern. Aber auch an eine Non-Compliance als Ursache für ein mangelhaftes Ansprechen sollte gedacht werden.
Quelle
Lenze EJ, et al. Escitalopram for older adults with generalized anxiety disorder. A randomized controlled trial. JAMA 2009;301:295–303.
Psychopharmakotherapie 2009; 16(05)