Prof. Dr. Hans Christoph Diener, Essen
Es gibt eine Reihe von extrapyramidal-motorischen Erkrankungen, die Symptome eines Parkinson-Syndroms aufweisen, aber zusätzlich eine Manifestation anderer zentralnervöser Strukturen aufweisen. Diese Erkrankungen haben mit dem Parkinson-Plus-Syndrom gemeinsam, dass sie relativ schlecht auf Levodopa oder Dopaminagonisten ansprechen.
Eines der beiden Syndrome ist die progressive supranukleäre Blicklähmung, bei der es neben Bewegungsstörungen zu einer vertikalen Blickparese und zu häufigen Stürzen kommt. Bei der Multisystematrophie sind andere Systeme als beim idiopathischen Parkinson-Syndrom mitbetroffen. Diese Krankheit geht mit Spastik, Kleinhirnsymptomen oder einer Demenz einher.
Allen neurodegenerativen Erkrankungen gemein ist, dass es zu einer vermehrten Freisetzung exzitatorischer Aminosäuren im Gehirn kommt. Daher kam eine große europäische Forschergruppe auf die Idee, Riluzol (Rilutek®) für diese beiden neurodegenerativen Erkrankungen zu untersuchen. Bei der amyotrophen Lateralsklerose ist die Wirksamkeit von Riluzol belegt.
Insgesamt wurden 767 Patienten randomisiert. Die eine Hälfte erhielt Riluzol in einer Dosis zwischen 50 und 200 mg einmal täglich, die andere Hälfte Plazebo. Die Behandlungsdauer war 36 Monate. Der primäre Endpunkt war das Überleben, sekundäre Endpunkte waren die Ergebnisse verschiedener funktionellen Skalen zur Messung der Geschwindigkeit der Krankheitsprogression.
Von den Patienten, die für die Auswertung infrage kamen, hatten 362 eine primäre supranukleäre Blicklähmung und 398 eine Multisystematrophie. Während der Studie starben 342 Patienten. Die statistische Analyse ergab keinen Unterschied zwischen den Patienten, die Riluzol erhielten, und denen, die Plazebo erhielten. Auch die Geschwindigkeit der Krankheitsprogression war in beiden Gruppen dieselbe. Es gab keine schwerwiegenden Nebenwirkungen unter der Einnahme von Riluzol.
Kommentar
Diese große europäische Studie hat positive und negative Aspekte. Positiv ist, dass es den Untersuchern gelungen war, für eine so große Studie Fördermittel der europäischen Gemeinschaft zu bekommen. Der zweite positive Aspekt war, dass die neuropathologischen Untersuchungen bei den verstorbenen Patienten eine hohe Übereinstimmung mit der klinischen Einschätzung und Gruppierung hatten; das bestätigte die Validität der diagnostischen Kriterien – ein weiteres Ziel der Studie.
Negativ ist das Ergebnis, dass Riluzol bei diesen beiden extrapyramidal-motorischen Erkrankungen nicht in der Lage, ist den Krankheitsverlauf aufzuhalten. Dies spricht sehr dafür, dass beide Krankheitsbilder eine andere Pathophysiologie als die amyotrophe Lateralsklerose haben, und dass die Überexpression oder Freisetzung von Glutamat hier offenbar eine weitaus geringere Rolle spielt als bei der ALS. Im Moment gibt es daher weiterhin keine kausale Therapie, die in der Lage ist, die Krankheitsprogression bei den beiden Subtypen der Parkinson-Erkrankung aufzuhalten.
Quelle
Bensimon G, et al. for the NNIPPS Study Group. Riluzole treatment, survival and diagnostic criteria in Parkinson plus disorders: the NNIPPS study. Brain 2009;132:156–71.
Psychopharmakotherapie 2009; 16(04)