Dr. Beate Fessler, München
Im Gegensatz zur erektilen Dysfunktion ist die Ejaculatio praecox (EP) bislang nicht als ernst zu nehmendes Krankheitsbild akzeptiert. Dabei ist der vorzeitige Samenerguss mit einer weltweit einheitlichen Prävalenz von 25% häufig und beeinträchtigt die Lebensqualität der betroffenen Männer und ihrer Partnerinnen nachhaltig. Depressionen und psychischer Stress sind häufig, Selbstwertgefühl und Selbstachtung sinken, ebenso wie die Orgasmusfähigkeit der Frau. Dabei geht es, genau genommen, nur um wenige Minuten. In einer Studie mit 1587 Männern, bei denen die Dauer des Geschlechtsverkehrs durch die Partnerin per Stoppuhr gemessen wurde, lag die mittlere Zeit bei diagnostizierter EP bei 1,8 Minuten, ohne EP bei 7,3 Minuten. Wichtiger als die reine Zeit ist aber das Bewusstsein, die Dauer des Geschlechtsverkehrs nicht steuern zu können. Die fehlende Steuerbarkeit der Sexualität gehört zu den drei Kernvariablen der EP, neben der Ejakulationslatenz und dem Leidensdruck. Dabei ist die EP keineswegs ein Problem junger, unerfahrener Männer. Sie ist im Alter ebenso häufig wie in jungen Jahren und damit kein Problem, das sich mit den Jahren löst. Die überwiegende Zahl der betroffenen Männer leidet ein Leben lang und unabhängig von der Partnerin darunter. Nur selten ist die EP situativ und vorübergehend.
SSRI Dapoxetin: ideale Pharmakokinetik für die Bedarfstherapie
Mit Dapoxetin (Priligy®; Abb. 1) steht nun seit 1. Juni 2009 das erste offiziell zugelassene Medikament für die bedarfsorientierte Therapie der Ejaculatio praecox zur Verfügung. Der kurz wirksame selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer wird rasch absorbiert; die maximale Dapoxetin-Plasmakonzentration ist nach 1 bis 3 Stunden erreicht. Nach 24 Stunden sind weniger als 5% der maximalen Plasmakonzentrationen messbar. Eine Akkumulation im Blut findet auch nach mehrfacher Dosierung nicht statt. Damit ist Dapoxetin ein idealer Kandidat für eine Bedarfstherapie. Im Gegensatz zu langwirksamen SSRI werden Sexualstörungen wie etwa eine Libidoabnahme unter Dapoxetin nicht beobachtet.
Abb. 1. Dapoxetin
Kontrollfähigkeit verbessert, Koitusdauer verlängert
Dapoxetin wurde in verschiedenen Phase-III-Studien bei über 6000 Männern weltweit untersucht. In einer der Untersuchungen nahmen Europäer mit mittelschwerer bis schwerer EP sowie Männer aus Südamerika, Mexiko, Kanada, Israel und Südafrika (n = 1162, mittleres Alter: 40 Jahre) teil. Die Studienteilnehmer nahmen während des Beobachtungszeitraums von 24 Wochen eine bis zwei Stunden vor dem Koitus Dapoxetin 30 mg, Dapoxetin 60 mg oder Plazebo ein. Die Koitusdauer wurde von der Partnerin per Stoppuhr gemessen. Die Dauer des Geschlechtsverkehrs erhöhte sich unter Dapoxetin von 0,9 Minuten auf 3,1 Minuten unter der 30-mg-Dosierung und auf 3,5 Minuten unter der 60-mg-Dosierung (Plazebo: von 0,8 auf 1,9 Minuten). Außerdem berichteten die Männer unter Dapoxetin häufiger von einer besseren Kontrollfähigkeit und Zufriedenheit im Vergleich zur Ausgangssituation als Männer, die Plazebo erhielten. Der Wert auf der CGI (Clinical global impression) besserte sich bei 30,6% bzw. 39,2% der Patienten (Plazebo: 15,6%). Auch die Partnerschaft profitierte wesentlich. 80% bzw. 89% der Männer hatten nach 24 Wochen keinen oder nur noch geringeren Stress in der Partnerschaft.
Die häufigsten unerwünschten Arzneimittelwirkungen waren Übelkeit, Schwindel, Durchfall und Kopfschmerzen. Schwindel und Übelkeit können auch Vorbote einer Synkope sein, die in den Phase-III-Studien bei bis zu 0,23% der Patienten auftrat und deren Risiko in Kombination mit Alkohol erhöht sein kann.
Fazit
Alle drei Kernvariablen – Zeit bis zur Ejakulation, Kontrollfähigkeit der Ejakulation und Leidensdruck des Mannes und seiner Partnerin, werden durch Dapoxetin verbessert. Die unerwünschten Wirkungen entsprechen denen, die vor allem zu Beginn einer Depressionsbehandlung mit länger wirksamen SSRI auftreten.
Quellen
Prof. Dr.med. Uwe Hartmann, Hannover, Prof. Dr. med. Hartmut Porst, Hamburg, Dr.med. Kornelia Hackl, München, Pressesymposium „Rechtzeitig statt vorzeitig – Neuigkeiten zur medikamentösen Therapie der Ejaculatio praecox“, München, 7. Mai 2009, veranstaltet von Janssen-Cilag.
Fachinformation Priligy® (Stand April 2009).
Psychopharmakotherapie 2009; 16(04)