Escitalopram zur Behandlung von komorbider Angst und Depression


Ergebnisse einer Anwendungsbeobachtungsstudie

Gerd Laux, Wasserburg, und Michael Friede, Hamburg

Der selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer Escitalopram ist das S-Enantiomer von Citalopram, zugelassen zur Behandlung von Episoden einer Major Depression, zur Behandlung von Panikstörung mit oder ohne Agoraphobie, sozialer Phobie, generalisierter Angststörung und Zwangsstörung. In einer Anwendungsbeobachtung (AWB) mit 2911 Patienten wurden über 16 Wochen die Wirksamkeit und Verträglichkeit von Escitalopram bei Patienten mit komorbider Depression und Angststörung untersucht. Die Wirksamkeit von Escitalopram wurde mit Hilfe folgender Fremd- und Selbstbeurteilungsskalen erfasst: Eine modifizierte Version der Montgomery-Åsberg Depression Rating Scale (svMADRS), die Hamilton Anxiety Scale (HAMA) und die Hospital Anxiety Depression Scale (HADS-D). Schweregrad der Erkrankung und Verbesserung des klinischen Gesamteindrucks wurden mit der Clinical Global Impression Scale festgestellt (CGI-S, CGI-I). Die Anwendungsbeobachtung beendeten 2718 Patienten. Im Verlauf der AWB verringerte sich der durchschnittliche Schweregrad der Depression von 33,0 auf 8,9 Punkte der svMADRS. Die Remissionsrate (svMADRS nach der Behandlung ≤12) lag bei 72,9%, die Responderrate (Abnahme ≥50%) bei 83,1% (LOCF). Der durchschnittliche Schweregrad der Angststörung verringerte sich von 28,8 auf 8,8 Punkte der HAMA-Skala. Hier lag die Remissionsrate (HAMA nach der Behandlung <10) bei 63,9%, die Responderrate (Abnahme ≥50%) bei 80,2%. Zum Abschluss der AWB wurde bei 92% der Patienten der Zustand mit „sehr viel besser“ oder „viel besser“ beschrieben (Skalenpunkte CGI-I ≤2). Das Nebenwirkungsspektrum war vergleichbar mit dem in kontrollierten klinischen Studien, am häufigsten traten Übelkeit (1,6%), Unruhe (1,1%) und Ermüdung (0,66%) auf. Die große Mehrheit der Patienten (96,1%) und der Ärzte (97,4%) bezeichnete die Verträglichkeit als „sehr gut“ oder „gut“. Der größte Teil der Patienten (87,5%) setzte im Anschluss an die Studie die Behandlung mit Escitalopram fort. Escitalopram bestätigte unter praxisnahen Bedingungen seine aus kontrollierten klinischen Studien bekannte therapeutische Wirksamkeit. Patienten mit komorbiden Depressionen und Angststörungen zeigten im Verlauf der vorliegenden Anwendungsbeobachtung signifikante Verbesserungen im Schweregrad ihrer Erkrankung, bei guter Verträglichkeit der Medikation.
Schlüsselwörter: Angst, Depression, Escitalopram, Komorbidität
Psychopharmakotherapie 2009;16:106–13.

Zur medikamentösen Behandlung von Depressionen und Angststörungen werden heute vor allem selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) eingesetzt. Aufgrund ihrer guten Wirksamkeit und Verträglichkeit haben sie die trizyklischen Antidepressiva weitgehend abgelöst [14, 17]. Unterschiede zwischen den SSRI hinsichtlich Wirkung und Nebenwirkungsprofil ergeben sich hauptsächlich aufgrund pharmakokinetischer Faktoren und unterschiedlicher Bindungseigenschaften an den Serotonintransporter.

Escitalopram (Cipralex®) ist ein hoch selektiver Serotonin-Wiederaufnahmehemmer. Er wurde entwickelt aus Citalopram, das aber ein Razemat zweier Enantiomere mit unterschiedlichen Eigenschaften darstellt. Für die Wirksamkeit von Citalopram ist dabei das Enantiomer S-Citalopram verantwortlich, das R-Enantiomer trägt nicht zur therapeutischen Wirkung bei, sondern inhibiert das S-Enantiomer [16, 33, 34]. Mit Escitalopram gelang es, das reine S-Enantiomer herzustellen. So zeigte eine Analyse gepoolter Daten, dass mit 10 bis 20 mg/Tag Escitalopram eine höhere Wirksamkeit und schnellere Symptomverbesserung als mit 20 bis 40 mg/Tag Citalopram erzielt wird [15, 23]. Die überlegene antidepressive Wirksamkeit von Escitalopram (20 mg/Tag) gegenüber Citalopram (40 mg/Tag) wurde in einer randomisierten kontrollierten Studie belegt [29], ebenso die gute Verträglichkeit von Escitalopram, die mindestens ebenso gut ist wie die von Citalopram [5, 15].

Escitalopram ist zugelassen als Arzneimittel zur Behandlung von Episoden einer Major Depression, zur Behandlung von Panikstörung mit oder ohne Agoraphobie, von sozialer Phobie, zur Behandlung von generalisierter Angststörung (GAD) sowie zur Behandlung von Zwangsstörung [11]. Die Wirksamkeit in jeder einzelnen dieser Indikationen wurde durch Plazebo-kontrollierte, randomisierte klinische Studien gezeigt [Depression: 5, 21, 30, 39; Angststörung: 9; Panik: 35; soziale Phobie: 19; Zwangsstörungen: 12, 36]. Darüber hinaus belegen auch zahlreiche nicht Plazebo-kontrollierte Studien (Äquivalenz- bzw. Kohortenstudien) die therapeutische Wirksamkeit von Escitalopram bei Depression oder GAD: In Vergleichsstudien war Escitalopram bei Depression mindestens so wirksam wie Venlafaxin [3, 28] und ohne Anpassung der Dosis genauso wirksam wie Sertralin [37]. Eine GAD wurde in einer 12-wöchigen Vergleichsstudie unter Escitalopram signifikant stärker gebessert als unter Paroxetin [2]. Eine Langzeitbehandlung von Depressionen mit Escitalopram beugte Rückfällen vor und erhöhte die Zahl der Patienten mit Remission [32, 38]. Die Wirksamkeit von Escitalopram zur Rezidivprophylaxe der GAD demonstrierten Allgulander et al. (2005) [1].

Für den wissenschaftlichen Nachweis der Wirksamkeit in einer streng kontrollierten randomisierten klinischen Studie ist die Beschränkung auf eine Indikation wünschenswert, im Praxisalltag kommen jedoch die Indikationen Angststörung und Depression häufig in Kombination vor. Insbesondere die generalisierte Angststörung tritt selten isoliert auf: bei 90% der Patienten mit GAD finden sich in der Krankengeschichte noch andere psychische Störungen, in zwei Drittel der Fälle sind dies Depressionen [18]. Umgekehrt wird geschätzt, dass 20% bis 30% der Patienten mit Major Depression auch an GAD leiden [31]. Die Ergebnisse einer prospektiven longitudinalen Kohortenstudie in Neuseeland [26] zeigten sogar noch etwas höhere Werte: von den Patienten mit Depressionen litten 48% zu irgendeiner Zeit ihres Lebens auch an Angststörungen und umgekehrt hatten von den Patienten mit GAD 72% auch Depressionen in ihrer Krankengeschichte. Insgesamt waren von den 1037 untersuchten Personen 12% komorbide mit Depression und Angststörung. Die Autoren kamen zu dem Schluss, dass ein größerer Teil der Bevölkerung an komorbiden Depressionen und Angststörungen leidet, als bisher angenommen.

Im Rahmen einer Anwendungsbeobachtung (AWB) kann der praxisnahe, naturalistische Einsatz eines Arzneimittels besser geprüft werden als in einer selektionslastigen klinischen Studie. In der vorliegenden Studie sollten daher die Wirksamkeit und Verträglichkeit von Escitalopram unter Routinebedingungen bei Patienten mit komorbider Angst und Depression untersucht werden.

Patienten und Methoden

Die Daten der vorliegenden Studie wurden von November 2005 bis Dezember 2006 multizentrisch in Deutschland erhoben. 994 niedergelassene Ärzte verschiedener Fachrichtungen (Allgemeinmediziner, praktische Ärzte, Internisten und Fachärzte für Psychiatrie) behandelten 2911 Patienten jeweils 16 Wochen lang ambulant mit Escitalopram. Die teilnehmenden Patienten waren mindestens 18 Jahre alt und litten an angstgeprägten depressiven Erkrankungen ohne Behandlungsresistenz (definiert als fehlendes Ansprechen auf zwei verschiedene Antidepressiva mit unterschiedlichen Wirkungsschwerpunkten in ausreichender Dosierung jeweils über mindestens zwei Wochen). Dabei war Komorbidität von Angst und Depression definiert als eine Verbindung der Diagnose „Depression“ nach ICD-10-Klassifizierung F32 oder F33 mit der Diagnose „Angst“ ICD-10-Klassifizierung F40 und/oder F41. Die Patienten durften keine Unverträglichkeit gegenüber Escitalopram oder Citalopram oder eine Kontraindikation für die Anwendung von Escitalopram aufweisen. Auch durften sie nicht gleichzeitig an einer anderen Studie teilnehmen.

Patienten mit diesen Charakteristika wurden über 16 Wochen mit Escitalopram (Cipralex®-Filmtabletten oder Cipralex®-Tropfen) therapiert, die Dosis bestimmte der behandelnde Arzt. In diesem Zeitraum fanden im Rahmen der Studie vier Untersuchungen statt: eine Einschlussuntersuchung (Woche 0), zwei Folgeuntersuchungen (Woche 2 und Woche 8) und eine Abschlussuntersuchung (Woche 16).

Bei der Einschlussuntersuchung wurden demographische Daten und Daten zur Anamnese erhoben. Um die Wirksamkeit der Therapie mit Escitalopram zu bestimmen, wurden bei allen vier Untersuchungen mehrere psychometrische Bewertungsskalen eingesetzt (Tab. 1).

Tab. 1. Erhebungsplan

Patientenbesuch

Beobachtungsbeginn

1. Folgeuntersuchung

2. Folgeuntersuchung

Abschlussuntersuchung

Woche

0

2

8

16

Demographische Daten

X

Größe und Gewicht

X

Anamnese und Diagnose

X

Psychotrope Vorbehandlung

X

Begleiterkrankungen

X

Begleitmedikation

X

Behandlung

X

X

X

X

CGI-S

X

X

X

X

CGI-I

X

X

X

HAMA

X

X

X

X

svMADRS

X

X

X

X

HADS-D

X

X

X

X

Unerwünschte Ereignisse

X

X

X

Beurteilung von Wirksamkeit und Verträglichkeit

X

CGI-S: Clinical Global Impression of Severity scale (Beurteilung des Schweregrads der Krankheit)

CGI-I: Clinical Global Impression of Improvement scale (Beurteilung der Zustandsänderung)

HAMA: Hamilton Anxiety Scale (Beurteilung des Schweregrads der Angst)

svMADRS: Montgomery-Åsberg Depression Rating Scale – short version (Beurteilung des Schweregrads von Symptomen der Depression)

HADS-D: Hospital Anxiety Depression Scale – deutsche Version (Selbstbeurteilung der Angst- und Depressionssymptome durch Patienten)

Zur Beurteilung des Schweregrads der Krankheit diente die Clinical Global Impression of Severity Scale (CGI-S), zur Beurteilung der Zustandsänderung die Clinical Global Impression of Improvement Scale (CGI-I) [7]. Die CGI-I-Skala umfasst 7 Punkte, von „Zustand ist sehr viel schlechter“ (7 Punkte) bis „Zustand ist viel besser“ (2 Punkte) und „Zustand ist sehr viel besser“ (1 Punkt). Patienten, deren Zustand nach der Behandlung mit „viel besser“ oder „sehr viel besser“ beschrieben wurde, galten als „Responder“.

Die Schweregrade der Angst beziehungsweise der Depression wurden mit Hilfe der deutschen Versionen etablierter Fremdbeurteilungsskalen gemessen, der Hamilton Anxiety Scale (HAMA) [7] und der Montgomery-Åsberg Depression Rating Scale (svMADRS) [25].

Bei der svMADRS (sv=short version) handelt es sich um eine modifizierte Version der Montgomery-Åsberg Depression Rating Scale, die ebenfalls alle zehn Fragen beinhaltet sowie eine Beurteilung vom Arzt von 0 bis 6. Es werden lediglich keine Ankerpunkte verwendet und die Symptome werden nicht definiert, sondern nur genannt. Bei der Originalversion der MADRS entspricht ein Wert zwischen 30 und 60 Punkten einer schweren Depression, ein Wert zwischen 13 und 21 entspricht im Einzelfall einer leichten Depression und ein Wert zwischen 0 und 12 einer Remission.

Die maximale Punktzahl des HAMA-Gesamtscores beträgt 56, ab einer Punktzahl von 10 spricht man von einer Angststörung, ab einer Punktzahl von 20 von einer generalisierten Angststörung (GAD).

Für die Selbstbeurteilung der Angst- und Depressionssymptome durch die Patienten diente die deutsche Version der Hospital Anxiety Depression Scale (HADS-D) [7].

Die Dosierung von Escitalopram wurde nach der Einschlussuntersuchung vom behandelnden Arzt individuell festgelegt. Folgende Darreichungsformen standen zur Auswahl: Cipralex®-Filmtabletten 10 mg und 20 mg, Cipralex®-Tropfen zum Einnehmen, Lösung mit 10 mg/ml. Je nach Behandlungserfolg war eine Änderung der Dosierung zu jedem Zeitpunkt der Studie zulässig.

Primäre Zielkriterien der Auswertung waren die Remissionsraten gemessen anhand der svMADRS (Remission=Abnahme auf ≤12) und HAMA-Scale (Remission=Abnahme auf ≤ 10). Als sekundäre Zielkriterien wurden der Verlauf der Veränderungen und Responderraten festgestellt (svMADRS-Response=Abnahme ≥50%; HAMA-Scale-Response=Abnahme ≥50%; CGI-I-Response=viel besser oder sehr viel besser). Am Ende des Beobachtungszeitraums beurteilten Patienten und Ärzte getrennt voneinander Wirksamkeit und Verträglichkeit, anhand der Skala „sehr gut“, „gut“, „mäßig“ und „unzureichend“.

Unerwünschte Ereignisse wurden während der ganzen Anwendungsbeobachtung dokumentiert. Dabei galten alle nicht erwarteten Ergebnisse und Effekte als „unerwünschte Ereignisse“, selbst wenn sie nicht unbedingt in kausalem Zusammenhang mit dem Arzneimittel standen. Hierzu gehörte die Verschlechterung eines bereits bestehenden Zustands, nicht jedoch mangelnde Wirksamkeit. Als schwerwiegende unerwünschte Ereignisse galten Begleiterscheinungen, die zum Tode oder zu bleibenden Schäden führten, lebensbedrohlich waren, einen Krankenhausaufenthalt notwendig machten oder verlängerten, kongenitale Anomalien und Geburtsfehler. Ebenso wurden Ereignisse als schwerwiegend und unerwünscht eingestuft, die eine medizinische Intervention notwendig machten, um eines der oben genannten Kriterien zu verhindern.

Die Auswertung der Anwendungsbeobachtung erfolgte mit Methoden der deskriptiven Statistik. Für den Vergleich der Dosisgruppen 10 mg/Tag und 20 mg/Tag bezüglich stetiger Parameter wurden varianzanalytische (multiple lineare Regressionen) und kovarianzanalytische Modelle verwendet (einfache Kovarianzanalyse und wiederholte Messungen), für den Vergleich der Dosisgruppen 10 mg/Tag und 20 mg/Tag bezüglich binärer Parameter (z.B. Remissionsraten) logistische Regressionen. Kategoriale Daten wurden mit dem Chi2-Test verglichen.

Die Programmierung von Tabellen, Abbildungen, Datenlisten und der formalen statistischen Analysen erfolgt mit dem Statistical Software Package SAS®.

Ergebnisse

Demographische Angaben

Insgesamt wurden 2911 Patienten (Gesamtkollektiv) in die Studie aufgenommen. Von ihnen erfüllten 2185 einen engeren Satz von Kriterien: Komorbidität im Sinne der Diagnosestellung ICD-10-Klassifizierung F32/F33 plus F41/F40 und gleichzeitig ein erhöhter Vorbefund der Skalen svMADRS (>12) und HAMA (≥10) sowie Dokumentation über die vollen 16 Wochen der Anwendungsbeobachtung. Diese Gruppe von Patienten wurde als „Full-Analysis-Set“ bezeichnet und an einigen Stellen getrennt ausgewertet. Vorzeitiger Studienabbruch wegen Non-Compliance fand in 109 Fällen statt.

Das Gesamtkollektiv (n=2911) konnte in vier Diagnosegruppen unterteilt werden: Komorbidität (81,4%), ausschließlich Depression (9,8%), ausschließlich Angst (6,5%) und sonstige Diagnosen (2,3%). Einen Überblick über die demographischen Daten des Gesamtkollektivs gibt Tabelle 2.

Tab. 2. Demographische und klinische Daten (Gesamtkollektiv)

Alter

47,5±14,4 Jahre

≤30 Jahre

13,1%

31–40 Jahre

20,0%

41–50 Jahre

25,5%

51–65 Jahre

30,4%

>65 Jahre

11,0%

Geschlecht

Männlich

32,0%

Weiblich

68,0%

Gewicht Männer

82,1±11,6 kg

Gewicht Frauen

69,8±12,4 kg

Größe Männer

178±6 cm

Größe Frauen

167±6 cm

BMI

25,3±4,1 kg/m2

Familienstand

Allein lebend

30,2%

In Partnerschaft

69,8%

Klinische Parameter

svMADRS

33,0±9,4

HAMA

28,8±8,6

HADS-D

29,6±6,4

Das Alter bei erstmaligem Auftreten einer depressiven Episode betrug im Median 35 Jahre, die Dauer der Erkrankung im Median zehn Jahre. Die Schwere der bisherigen Episoden wurde überwiegend als mittelgradig eingestuft. Das Alter beim erstmaligen Auftreten von Angststörungen betrug im Median 38 Jahre, entsprechend einer medianen Dauer der Erkrankung von sechs Jahren. Eine Vorbehandlung früherer Depressionen oder Angstzustände wurde von 55,8% der Patienten berichtet. Die mediane Dauer der aktuellen psychischen Erkrankung zur Zeit der Studie betrug sechs Wochen, eine Vorbehandlung hatte bei 35,7% der Patienten stattgefunden. Von den Patienten der Gruppe „Komorbidität“ litten 39,5% zusätzlich an einem somatischen Syndrom und 11,1% hatten noch eine weitere psychische Störung.

Medikation

Zu Beginn der Anwendungsbeobachtung wurde die Mehrheit der Patienten (70,4%) mit 10 mg/Tag Escitalopram behandelt, 21,5% erhielten 20 mg/Tag. Bei 8,1% wurde die Dosis gegenüber der Erstverordnung mindestens einmal geändert, überwiegend in der 10-mg-Gruppe (59,7%) in Form einer Dosissteigerung.

Für 87,5% der Patienten wurde Escitalopram auch für die Weiterbehandlung in der Erhaltungsphase vorgesehen. Dabei sollten 48,8% der Patienten mit 10 mg/Tag eingestellt werden und 43,3% mit 20 mg/Tag.

Schweregrad der Depression (svMADRS)

Der mittlere Schweregrad der Depression veränderte sich im Verlauf der Anwendungsbeobachtung von 33,0±9,4 Skalenpunkten der svMADRS auf 8,9±8,7 Skalenpunkte, entsprechend einer mittleren Differenz von –24,0±11,6 (Abb. 1). Bei Beobachtungsbeginn wurde bei 68,5% der Patienten laut svMADRS eine schwere Depression festgestellt, mit im Mittel 33,0±9,4 Skalenpunkten. Eine mittelschwere Depression hatten 19,4% der Patienten und eine leichte Depression 10,2%. In dieser Patientengruppe mit erhöhtem Vorbefund zeigten nach 16 Wochen 83,1% der Patienten eine Response (mindestens 50% Verbesserung der svMADRS-Punktzahl) und 72,9% der Patienten eine Remission (svMADRS-Punktzahl ≤12) (Tab. 3).

Tab. 3. Überblick der Ergebnisse nach 16 Wochen Behandlung. Differenz der Skalenpunkte zwischen Einschluss- und Abschlussuntersuchung (Verlauf) im Gesamtkollektiv. Remissions- und Responserate [%] der Patienten mit erhöhtem Vorbefund gemessen durch svMADRS (Depression), HAMA (Angst) und HADS-D (Schwere der Erkrankung).

svMADRS

HAMA

HADS-D

CGI-I

Verlauf (Skalenpunkte)

–24,0±11,6
(n=2900)

–20,0±10,0
(n=2900)

–18,9±9,5
(n=2737)

–1,27±0,79*
(n=2183)

Responserate

83,1%
(n=2848)

80,2%
(n=2881)

92%
(n=2183)

Remissionsrate

72,9%
(n=2848)

63,9%
(n=2881)

55,2%
(n=2726)

Definition „Erhöhter Vorbefund“: svMADRS >12, HAMA >10, HADS-D >10

* Mit dem CGI-I wird eine Zustandsänderung gegenüber dem Studienbeginn beschrieben, daher wird hier die Punktedifferenz zwischen erster Kontrolle und Abschlussuntersuchung gebildet.

Schweregrad der Angst (HAMA)

Der mittlere Schweregrad der Angststörung verbesserte sich im Verlauf der Studie von 28,8±8,6 Skalenpunkten der HAMA-Scale auf 8,8±7,9 Skalenpunkte, entsprechend einer mittleren Differenz von –20,0±10,0 (Abb. 1). Bei Beobachtungsbeginn hatten 99,3% der Patienten einen Gesamtscore von >10 auf der HAMA-Skala. In dieser Patientengruppe mit erhöhtem Vorbefund zeigten nach 16 Wochen 80,2% der Patienten eine Response (mindestens 50% Verbesserung des HAMA-Gesamtscores) und 63,9% der Patienten eine Remission (HAMA-Gesamtscore <10) (Tab. 3).

Abb. 1. svMADRS-, HAMA- und HADS-D-Gesamtscores im Verlauf der Studie

Selbstbeurteilung von Angst und Depression (HADS-D)

In der Selbstbeurteilung der Schwere der Erkrankung durch die Patienten mit Hilfe der HADS-D veränderte sich im Verlauf der Anwendungsbeobachtung der mittlere Gesamtscore von 29,6±6,4 Skalenpunkte auf 10,7±7,8, entsprechend einer mittleren Abnahme von 18,9±9,5 Punkten (Abb. 1). Zu Beginn der Studie erreichten 99,6% der Patienten bei der Selbstbeurteilung Gesamtscores von >10. In dieser Patientengruppe mit erhöhtem Vorbefund betrug die Remissionsrate nach 16 Wochen 55,2% (HADS-D-Gesamtscore <10) (Tab. 3). Bereits bei der ersten Folgeuntersuchung (Woche 2) wurde bei 3,1% der Patienten eine Remission festgestellt, bei der 2. Folgeuntersuchung (Woche 8) bei weiteren 24,2% der Patienten und bei der Abschlussuntersuchung (Woche 16) waren es 27,9% (Abb. 2).

Abb. 2. Anteil der Patienten [%] mit Remission im Verlauf der Studie, beurteilt anhand HADS-D

Schweregrad und Veränderung des Krankheitszustands (CGI-S, CGI-I)

Im Gesamtkollektiv wurde eine Abnahme der CGI-S-Skalenpunkte von 4,97±0,76 auf 2,57±1,17 ermittelt, entsprechend einer mittleren Differenz von 2,41±1,30 Skalenpunkten. Im Full-Analysis-Set fiel die mittlere Differenz mit 2,54±1,22 noch etwas deutlicher aus. Bei dieser Patientengruppe lag der CGI-S-Score zu Beginn der Studie bei 5,02±0,74 Punkten, bei der Abschlussuntersuchung bei 2,48±1,11 Punkten. Behandlungserfolge waren bereits bei der ersten Folgeuntersuchung sichtbar: im Full-Analysis-Set war nach zwei Wochen die mittlere Punktzahl von 5,02±0,74 auf 4,30±0,97 zurückgegangen, nach acht Wochen auf 3,18±1,06 und bei der Abschlussuntersuchung (Woche 16) auf 2,48±1,11.

Schon in der ersten Folgeuntersuchung (Woche 2) konnten 31,8% der Patienten im Full-Analysis-Set als „Responder“ bezeichnet werden, das heißt, ihr Zustand wurde mit „sehr viel besser“ oder „viel besser“ beschrieben. Nach acht Wochen fielen 82,1% der Patienten in diese Kategorie und nach 16 Wochen 92,0% (Abb. 3). Die zugehörigen mittleren Scores des CGI-I betrugen 2,84±0,83 in Woche 2, 1,95±0,75 in Woche 8 und 1,57±0,75 zum Abschluss der Studie.

Abb. 3. Anteil der Patienten des Full-Analysis-Set in den Kategorien „sehr viel besser“ oder „viel besser“ des CGI-I im Verlauf der Studie

Dosierung

In der Gruppe der Patienten, die zu Studienbeginn auf 20 mg/Tag Escitalopram eingestellt wurden, war die Abnahme der mittleren Summenscores (svMADRS, HAMA, HADS-D) im Verlauf der Studie deutlicher als in der Gruppe, die zu Beginn mit 10 mg/Tag behandelt wurde (Tab. 4). Dieser Unterschied konnte nur teilweise durch das höhere Niveau der Skalenpunkte in der 20-mg-Gruppe zu Beginn der Studie erklärt werden. Auch nach Adjustierung auf den Vorbefund zeigte sich eine signifikant stärkere Abnahme der Summenscores aller drei Skalen bei initialer Behandlung mit 20 mg/Tag (svMADRS: p=0,0174, HAMA: p=0,0031, p=0,0009).

Tab. 4. Differenz der mittleren Gesamtscores zwischen Beginn und Abschluss der Studie in den Dosis-Gruppen 10 mg/Tag und 20 mg/Tag im Gesamtkollektiv

Escitalopram 10 mg/Tag

Escitalopram 20 mg/Tag

svMADRS

–23,4±11,6
(n=2259)

–26,4±11,4*
(n=641)

HAMA

–19,5±9,9
(n=2259)

–21,9±10,0*
(n=641)

HADS-D

–18,2±9,5
(n=2128)

–21,1±9,3*
(n=609)

* svMADRS: p=0,0174, HAMA: p=0,0031, HADS-D: p=0,0009

Wirksamkeit und Verträglichkeit von Escitalopram

Wirksamkeit und Verträglichkeit wurden sowohl von den Ärzten als auch von den Patienten mit großer Mehrheit als „sehr gut“ oder „gut“ bezeichnet. Im Gesamtkollektiv (n=2911) beurteilten 92,2% der Ärzte und 89,6% der Patienten die Wirksamkeit von Escitalopram mit „sehr gut“ oder „gut“, nur 2,5% der Ärzte und 3,8% der Patienten bezeichneten die Wirksamkeit als „unzureichend“.

Im Full-Analysis-Set (n=2185) fiel das Urteil noch etwas deutlicher aus: 94,8% der Ärzte und 92,6% der Patienten beschrieben die Wirksamkeit mit „sehr gut“ oder „gut“, nur 1,2% der Ärzte und 1,8% der Patienten mit „unzureichend“. Die Verträglichkeit wurde seitens des Arztes in 97,4% der Fälle des Gesamtkollektivs mit „sehr gut“ oder „gut“ beurteilt, seitens der Patienten in 96,1% der Fälle. „Unzureichend“ fanden nur 0,9% der Ärzte und 1,5% der Patienten die Verträglichkeit von Escitalopram.

Bei 87,5% der Patienten erfolgte eine Weiterbehandlung mit Escitalopram im Anschluss an die Anwendungsbeobachtung.

Unerwünschte Ereignisse

Im Verlauf der Anwendungsbeobachtung wurden 346 unerwünschte Ereignisse in 189 Fällen (6,5%) des Gesamtkollektivs (n=2 911) gemeldet. In 157 Fällen (5,4%) wurde ein Zusammenhang mit Escitalopram zumindest für möglich gehalten.

Auffallend ist eine signifikant höhere Rate von unerwünschten Ereignissen in der Gruppe der Patienten, die zu Beginn mit 10 mg/Tag Escitalopram eingestellt wurden (p<0,0001). In dieser Gruppe berichteten 171 von 2 270 Patienten (7,5%) unerwünschte Ereignisse. In der Gruppe, die mit der höheren Dosierung von 20 mg/Tag begann, waren es dagegen nur 18 von 641 Patienten (2,8%).

In 172 der Fälle wurden die unerwünschten Ereignisse als nicht schwerwiegend angesehen. Besonders häufig wurden Ereignisse aus den MedDRA System Organ Classification (SOCs) „Erkrankungen des Gastrointestinaltrakts“, „Allgemeine Erkrankungen und Beschwerden am Verabreichungsort“, „Erkrankungen des Nervensystems“, „Psychiatrische Erkrankungen“ und „Erkrankungen der Haut und des Unterhautzellgewebes“ genannt. Im Einzelnen wurden folgende Symptome besonders häufig berichtet: Übelkeit (47 Fälle), Unruhe (33), Ermüdung (19), Diarrhö (17), Schwindelgefühl (16) und Hyperhidrosis (16). In 58 Fällen musste die Therapie aufgrund von unerwünschten Ereignissen abgebrochen werden.

Einen Überblick über die unerwünschten Ereignisse mit zumindest möglichem Zusammenhang mit Escitalopram gibt Tabelle 5.

Tab. 5. Unerwünschte Ereignisse mit zumindest möglichem Zusammenhang mit Escitalopram

Bevorzugter Terminus

Escitalopram

10 mg/Tag

Escitalopram

20 mg/Tag

Gesamtkollektiv

Patienten [n]

2270

641

2911

Übelkeit

43 (1,89%)

3 (0,47%)

46 (1,58%)

Unruhe

31 (1,37%)

1 (0,16%)

32 (1,10%)

Diarrhö

15 (0,66%)

2 (0,31%)

17 (0,58%)

Hyperhidrosis

16 (0,70%)

16 (0,55%)

Schwindelgefühl

15 (0,66%)

15 (0,52%)

Ermüdung

12 (0,53%)

1 (0,16%)

13 (0,45%)

Gewichtszunahme

7 (0,31%)

1 (0,16%)

8 (0,27%)

Erbrechen

7 (0,31%)

1 (0,16%)

8 (0,27%)

Schlafstörung

7 (0,31%)

7 (0,24%)

Angst

7 (0,31%)

7 (0,24%)

Palpitationen

6 (0,26%)

6 (0,21%)

Libidoverlust

4 (0,18%)

2 (0,31%)

6 (0,21%)

Schwerwiegende unerwünschte Ereignisse

In 17 Fällen mit insgesamt 19 unerwünschten Ereignissen wurden schwerwiegende unerwünschte Ereignisse registriert (Tab. 6). In zwei Fällen wurde ein Suizidversuch berichtet, in einem Fall wurden Suizidgedanken und in einem Fall akute Suizidalität registriert. Ein kausaler Zusammenhang mit der Medikation wurde in zwei Fällen (Suizidgedanken, ein Suizidversuch) als „möglich“ beurteilt. In den anderen zwei Fällen wurde „kein“ ursächlicher Zusammenhang mit Escitalopram festgestellt. Todesfälle im Verlauf der Anwendungsbeobachtung sind nicht bekannt.

Tab. 6. Schwerwiegende unerwünschte Ereignisse

Ereignis/Symptom

Aktuelle Dosis

[mg/Tag]

Verschlechterung des Zustands (Depression, Angst)

20

Akute Suizidalität

15

Suizidversuch

20

Patient im Krankenhaus

20

Suizidversuch

20

Depression verschlechtert

10

Renal cell carcinoma

20

Myokardinfarkt mit Anhebung der ST-Strecke

10

Gynäkologische Untersuchung abnormal

20

Alkoholabusus

10

Depression verstärkt, Angst verstärkt

10

Mangelnde Wirksamkeit

20

Suizidgedanken

10

Unruhe, Angst

10

Suizidversuch

10

Mangelnde Wirksamkeit

20

Gynäkologische Dauerblutung (vaginal)

20

Stationärer Aufenthalt

20

Initial fehlende Besserung (mangelnde Wirksamkeit)

20

Diskussion

Die therapeutische Wirksamkeit von Escitalopram in den Einzelindikationen Depression und Angststörung wurde in mehreren Plazebo-kontrollierten, randomisierten und verblindeten klinischen Studien demonstriert [5, 9, 21, 30, 39]. Auch die signifikante Verbesserung von Angstsymptomen bei depressiven Patienten konnte anhand von gepoolten Daten aus doppelblinden, Plazebo-kontrollierten Studien gezeigt werden [15].

In einzelnen neueren kontrollierten, doppelblinden Studien werden unter Escitalopram Responseraten bei Depressionen zwischen 63 und 70% und Remissionsraten zwischen 55 und 62% angegeben [8, 28, 29]. Gepoolte Ergebnisse aus doppelblinden, Plazebo-kontrollierten Studien zur Behandlung generalisierter Angststörungen mit Escitalopram ergaben Responseraten von knapp 48%, Remissionsraten von 26% [13]. Dominierende Nebenwirkung in kontrollierten Studien war mit einer Häufigkeit von 6 bis 17% Übelkeit. Eine Zusammenfassung der methodischen Anforderungen an kontrollierte, randomisierte doppelblinde Studien zur Behandlung von Angststörungen findet sich bei Broich [4].

Die vorliegende Anwendungsbeobachtung untersuchte praxisnah und mit standardisierten Methoden den Einsatz von Escitalopram bei Patienten mit beiden Indikationen, Depression und Angststörung, einer Kombination, die im Praxisalltag häufig anzutreffen ist. Dabei wurde die aus den kontrollierten klinischen Studien bekannte therapeutische Wirksamkeit und gute Verträglichkeit von Escitalopram noch einmal bestätigt.

Sowohl beim Schweregrad von Depression und Angststörung als auch im allgemeinen Krankheitszustand der Patienten traten im Verlauf der Anwendungsbeobachtung klinisch relevante Verbesserungen ein. Diese Veränderungen wurden sowohl mit Instrumenten der Fremdbeurteilung (svMADRS, HAMA, CGI-S, CGI-I, Abschlussbeurteilung durch den Arzt) festgestellt als auch in der Selbstbeurteilung (HADS-D, Abschlussbeurteilung durch den Patienten) der Patienten.

In der Gruppe der Patienten, die zu Studienbeginn auf 20 mg/Tag Escitalopram eingestellt wurden, war die Abnahme der mittleren Summenscores (svMADRS, HAMA, HADS-D) im Verlauf der Studie deutlicher als in der Gruppe, die zu Beginn mit 10 mg/Tag behandelt wurde. Dieser Unterschied konnte nur teilweise durch das höhere Niveau der Skalenpunkte in der 20-mg-Gruppe zu Beginn der Studie erklärt werden. Auch nach Adjustierung auf den Vorbefund wurde eine signifikant stärkere Abnahme der Summenscores aller drei Beurteilungsmethoden bei initialer Behandlung mit 20 mg/Tag ermittelt.

Das Spektrum der unerwünschten Ereignisse war vergleichbar mit dem in kontrollierten klinischen Studien von Escitalopram und Citalopram, die Inzidenz lag jedoch etwas niedriger.

Auffallend war eine signifikant höhere Rate von unerwünschten Ereignissen in der Gruppe der Patienten, die zu Beginn mit der niedrigeren Dosis von 10 mg/Tag Escitalopram eingestellt wurden. Dieses zunächst überraschende Ergebnis könnte darauf zurückzuführen sein, dass Patienten, die zu Beginn der Therapie mit 20 mg/Tag Escitalopram behandelt wurden, schneller eine Verbesserung ihrer Krankheitssymptomatik verspüren und daher subjektiv weniger unter den möglichen Nebenwirkungen bei Therapiebeginn leiden.

Für schwerwiegende unerwünschte Ereignisse betrug die Inzidenz 1,7%. In zwei Fällen wurde ein Suizidversuch berichtet, in einem Fall eine Verbindung mit Escitalopram ausgeschlossen. Da ein großer Teil der Studienteilnehmer an schweren Depressionen und/oder Angststörungen litt, ist das Auftreten von Suizidversuchen nicht überraschend. Ein hoher Prozentsatz von Patienten mit Depressionen begeht Suizid oder versucht Suizid zu begehen, Raten zwischen 6% und 15% wurden in der Literatur berichtet [10]. Neuere Analysen bestätigen diese Daten [6].

Wirksamkeit und Verträglichkeit von Escitalopram waren in der Gruppe der Patienten mit der höheren Anfangsdosis von 20 mg/Tag signifikant höher als bei der niedrigeren Anfangsdosis von 10 mg/Tag. Diese Ergebnisse legen es nahe, 20 mg/Tag als Dosis für die Akuttherapie von komorbider Depression und Angststörung zu empfehlen und in der Erhaltungsphase eine Reduktion der Dosierung zu erwägen.

Die vorliegenden Daten basieren auf einer Anwendungsbeobachtung (AWB), neuerdings exakter benannt als Nicht-Interventions-Studie (NIS). Die Methodologie von AWBs wirft eine Reihe von Problemen auf (z. B. Interrater-Reliabilität, Handhabung fehlender Daten, Komedikation, heterogenes Patientengut, Ein- und Ausschlusskriterien). Abgesehen von besonders begründeten Ausnahmefällen dienen AWBs nicht zum Nachweis der Wirksamkeit, sondern sollen vor allem Erkenntnisse zu unerwünschten Arzneimittelwirkungen liefern und zur Erweiterung von Erkenntnissen zur Wirksamkeit beitragen. Die bestehenden Leitlinien zur Durchführung von AWBs wurden in der vorliegenden Studie stringent beachtet und eingehalten, gleiches gilt für die im Folgenden zum Vergleich erwähnten AWBs [22]. Laux et al. (2000) fanden in einer AWB mit Reboxetin in Klinik und Praxis eine Responserate von 55% und eine Nebenwirkungsrate von 1,2 bis 2,8% bei einer Abbruchrate von 8 bis 10% [20]. In einer naturalistischen Stichprobe Berufstätiger mit affektiven und Angststörungen zeigte sich unter Escitalopram eine deutliche Reduktion der Krankenstände mit einer Verbesserung des Schweregrads der Erkrankung nach CGI von 4,7 auf 2,4 [40]. In einer offenen, multizentrischen AWB wurden über 11700 ambulante Patienten über acht Wochen mit Escitalopram behandelt. Die Responserate betrug 70%, die Remissionsrate 57% [25]. 83% der Patienten beschrieben die Wirksamkeit als „sehr gut“/„gut“, die Verträglichkeit wurde von 22% als „sehr gut“/„gut“ angegeben.

Danksagung

Die Autoren bedanken sich bei Prof. Dr. Dr. Martin Härter (Universitätsklinikum Freiburg) für hilfreiche Kommentare zum vorliegenden Manuskript und methodisch-statistische Hinweise zur Auswertung bei der Analyse der Daten dieser AWB.

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Prof. Dr. med. Dipl.-Psych. Gerd Laux, Ärztlicher Direktor, Inn-Salzach-Klinikum gGmbH, Fachkrankenhaus für Psychiatrie, Psychotherapie, Psychosomatische Medizin und Neurologie, Gabersee 7, 83512 Wasserburg, E-Mail: g.laux-isk@t-online.de Dr. Michael Friede, Lundbeck GmbH, Karnapp 25, 21079 Hamburg

Treatment of comorbid anxiety and depression with escitalopram

The selective serotonin reuptake inhibitor escitalopram is the S-enantiomer of citalopram and is approved for the treatment of major depression, panic disorder with or without agoraphobia, social phobia, generalized anxiety disorder, and obsessive compulsive disorder.

In this post-marketing surveillance study 2,911 patients with comorbid anxiety and depression were treated with escitalopram over 16 weeks. The effectiveness of escitalopram was assessed using clinicians’ and self-rating scales: a modified version of the Montgomery-Åsberg Depression Rating Scale (svMADRS) for the assessment of severity of depression, the Hamilton Anxiety Scale (HAMA) for the evaluation of anxiety disorder and the German version of the Hospital Anxiety Depression Scale (HADS-D). Severity and improvement of the clinical global impression were assessed using the Clinical Global Impression Scale (CGI-S, CGI-I).

The study was completed by 2,718 patients. During the course of this study, the mean severity of depression decreased from a mean svMADRS total score of 33.0 to 8.9. The remission rate (svMADRS ≤12) was 72.9% and the response rate (svMADRS ≥50% decrease) was 83.1% (LOCF). The mean severity of anxiety symptoms decreased from a mean HAMA total score of 28.8 to 8.8. The remission rate (HAMA <10) was 63.9% and the response rate (HAMA ≥50% decrease) was 80.2%. At the end of the study, the state of 92% of patients was judged to be “very much better” or “much better” (CGI-I ≤2). At the end of the study, 43.3% of the patients were taking 20 mg/day escitalopram.

The adverse events spectrum was similar to that reported in controlled clinical studies. Most frequent adverse events were nausea (1.6%), agitation (1.1%) and fatigue (0.66%). Most of the patients (96.1%) and the physicians (97.4%) evaluated the tolerability of escitalopram as “very good” or “good”. At the end of the study, most of the patients (87.5%) continued treatment with escitalopram.

The therapeutic effectiveness of escitalopram known from controlled clinical studies was confirmed in this post-marketing surveillance study. During the course of the study, the severity of illness in patients with comorbid depression and anxiety improved significantly, with a good tolerability of the medication.

Keywords: Anxiety, depression, escitalopram, comorbidity

Psychopharmakotherapie 2009; 16(03)