Priv.-Doz. Dr. Dieter Angersbach, Wolfratshausen
In Studien mit Patienten, die bereits mehrere schizophrene Episoden hatten, waren Antipsychotika der zweiten Generation („atypische“ Antipsychotika) älteren Substanzen („typische“ Antipsychotika) in der Verhütung oder Verzögerung eines weiteren Rückfalls überlegen. Unter den neueren Antipsychotika traten zudem weniger häufig EPMS auf. Es wird allerdings auch vermutet, dass das bessere Verträglichkeitsprofil in Vergleichsstudien möglicherweise mit einer zu hohen Dosierung der älteren Antipsychotika zusammenhängen könnte. Auch sind in neuen Studien bei Patienten mit mehreren Episoden keine Unterschiede in der Abbruchrate zwischen neuen und älteren Substanzen gefunden worden.
Die vorliegende Studie wurde mit Patienten durchgeführt, die ihre erste Episode hatten (first-episode schizophrenia). Die Patienten wurden in 13 deutschen psychiatrischen Universitätsklinken zwischen September 2000 und März 2004 zunächst stationär acht Wochen doppelblind mit niedrig dosiertem Haloperidol oder Risperidon behandelt. Die Aufdosierung wurde mit beiden Antipsychotika in 1-mg-Schritten bis zu einer Zieldosis von 2 bis 4 mg/d vorgenommen. Patienten, die sich ausreichend gebessert hatten, wurden unter Beibehaltung des doppelblinden Designs und der bisherigen Dosis in einer einjährigen Prophylaxe-Studie ambulant weiterbehandelt.
Zur Kompensation der hohen Abbruchrate in der Akutstudie wurden weitere Patienten offen acht Wochen akut mit Haloperidol behandelt und bei ausreichender Besserung randomisiert einer doppelblinden Behandlung mit Haloperidol oder Risperidon in der Langzeitstudie zugeteilt. In diesen Teil der Studie wurden Patienten im Alter von 18 bis 55 Jahren eingeschlossen, die in der Akutstudie erfolgreich behandelt wurden (CGI-I [Clinical Global Impression – Improvement] mit einem Score ≤3, d.h. etwas besser, viel besser oder sehr viel besser) und die nicht mehr stationär behandelt werden mussten. Ausschlusskriterien waren unter anderen: geistige Behinderung, ernsthafte körperliche Erkrankung, Schwangerschaft.
Ziel der Studie war die Untersuchung der prophylaktischen Wirksamkeit und der Verträglichkeit von niedrig dosiertem Haloperidol im Vergleich zu Risperidon bei Patienten mit der ersten Episode.
Primärer Messparameter war ein Rückfall. Er war definiert als Anstieg des Positivscores der Positive and Negative Syndrome Scale (PANSS) um >10 Punkte, CGI-I Score ≥6 (viel schlechter, sehr viel schlechter) sowie eine Abnahme des Global-Assessment-of-Functioning-(GAF-)Scores um >20 Punkte zwischen zwei Arztbesuchen (die Visiten wurden in 14-tägigem Abstand durchgeführt).
Da während der Studie kein Rückfall nach dieser Definition auftrat, wurden post hoc andere Messparameter formuliert, wie die „deutliche klinische Verschlechterung“. Sie war eingetreten, wenn einer der drei Rückfallparameter erfüllt war oder auch bei einem Anstieg des PANSS-Positivscores um ≥7 Punkte verbunden mit der Abnahme des GAF-Scores umd ≥15 Punkte.
Sekundäre Messparameter waren unter anderen: vorzeitiger Abbruch, unerwünschte Wirkungen oder Veränderungen in der Psychopathologie.
Nach Ende der Akutstudie wurden 158 Patienten in die Langzeitstudie eingeschlossen. Von ihnen kamen 151 in die ITT-Analyse (Haloperidol: n=74; Risperidon: n=77). Die mittlere Dosis lag in der Langzeitphase bei 3,6 mg/d Haloperidol und 3,9 mg/d Risperidon.
Ein Rückfall trat nicht auf. Eine deutliche klinische Verschlechterung zeigte sich bei 8,1% der Haloperidol- und 9,1% der Risperidon-Patienten (p>0,05). Auch die mittlere Zeit bis zum Auftreten der Verschlechterung (Haloperidol 40,5 Wochen; Risperidon 38,8 Wochen) war unter beiden Behandlungen nicht signifikant verschieden.
Die Abbruchraten (Haloperidol 67,6%; Risperidon 68,8%) sowie die Zeit bis zum Abbruch waren ebenfalls nicht unterschiedlich. Die Abbruchrate wegen unerwünschter Wirkungen war unter Haloperidol (23,0%) nicht signifikant höher als unter Risperidon (18,2%). EPMS waren unter Haloperidol häufiger ein Grund abzubrechen (9,5%) als unter Risperidon (5,2%). Dagegen brachen signifikant mehr Risperidon- (15,6%) als Haloperidol-Patienten (4,1%) die Behandlung wegen unzureichender Wirkung vorzeitig ab.
Die Auswertung der Nebenwirkungen erbrachte ein (nicht signifikant) häufigeres Auftreten extrapyramidal-motorischer Symptome unter Haloperidol. Auch tardive Dyskinesie trat unter Haloperidol häufiger auf als unter Risperidon. Die Unterschiede waren bei den Patienten signifikant, die in der Langzeitstudie mit derselben Substanz wie in der Akutstudie behandelt worden waren (ohne die Patienten, die offen Haloperidol erhalten hatten).
Die Autoren schlussfolgern, dass eine Rückfallprophylaxe mit Risperidon nicht wirksamer ist als mit niedrig dosiertem Haloperidol, sehen aber ein höheres Risiko für EPMS und tardive Dyskinesie auch unter niedrig dosiertem Haloperidol. Angesichts der hohen Abbruchrate empfehlen sie Konzepte und Materialien, die dazu beitragen, die Behandlungswilligkeit und Compliance der Patienten zu verbessern.
Kommentar
Nach Aussage der Autoren traten in der Studie keine Unterschiede zwischen Risperidon und niedrig dosiertem Haloperidol auf.
Das trifft sicher ohne Einschränkungen für die antipsychotische Wirksamkeit zu und darin stimmen die hier erhobenen Befunde auch mit denen der von den Autoren zitierten vier Referenzstudien im Prinzip überein. Mögliche Unterschiede im Auftreten motorischer Nebenwirkungen könnte die vorliegende Studie aber nur abgeschwächt gezeigt haben, da in der Langzeitstudie Patienten einer Risperidon-Behandlung zugeteilt wurden, die in der Akutphase mit Haloperidol behandelt worden waren. Dafür spricht, dass unter Risperidon tardive Dyskinesie nur bei Patienten auftrat, die mit Haloperidol vorbehandelt worden waren. Bei der Auswertung aller Patienten waren Unterschiede nicht mehr signifikant. Die Referenzstudien zeigen durchgängig ein signifikant höheres Auftreten motorischer Symptome auch bei niedrig dosiertem Haloperidol im Vergleich zu Zweitgenerationsantipsychotika.
Quelle
Gaebel W, et al. Maintenance treatment with risperidone or low-dose haloperidol in first-episode schizophrenia: 1-year results of a randomized controlled trial within the German Research Network on Schizophrenia. J Clin Psychiatry 2007;68:1763–74.
Psychopharmakotherapie 2008; 15(06)