Multiple Sklerose

Rituximab zur Behandlung der schubförmigen multiplen Sklerose


Prof. Dr. Hans Christoph Diener, Essen

Rituximab, ein monoklonaler Antikörper, der CD20-positive B-Zellen hemmt, war in einer Phase-II-Studie bei Patienten mit schubförmiger multipler Sklerose in der Lage, neu auftretende Entmarkungsherde in der Kernspintomographie signifikant zu reduzieren.

In den letzten zehn Jahren gibt es wichtige Fortschritte im Verständnis der Pathophysiologie der multiplen Sklerose. Eine wichtige Rolle spielen CD4-positive Typ-1-Helfer-T-Zellen.

Interferone (Avonex®, Rebif®, Betaferon®) und Glatirameracetat (Copaxone®) hemmen diese T-Zellen und führen dadurch zu einer verminderten Schubrate und zu weniger Entzündungsherden in der Kernspintomographie. Natalizumab (Tysabri®) ist ein monoklonaler Antikörper, der Alpha-4-Integrin hemmt und damit verhindert, dass Lymphozyten aus dem Gefäßsystem ins Hirnparenchym eindringen.

Neuere Studien zeigen, dass aber auch autoimmune B-Zellen und humorale Immunmechanismen eine wichtige Rolle in der Pathophysiologie der multiplen Sklerose spielen. Ausdruck dessen sind oligoklonale Banden und eine intrathekale IgG-Synthese im Liquor beim Patienten mit multipler Sklerose.

Rituximab (MabThera®) ist ein gentechnisch hergestellter monoklonaler Antikörper, der CD20-positive B-Zellen hemmt. Dies führt zur Hemmung der Produktion von Antikörpern, zu hemmenden Effekten auf Zytokine und auf B-Zell-mediierte Antigen-Präsentationen. Daher war es gerechtfertigt, eine Phase-II-Studie bei Patienten mit schubförmiger multipler Sklerose durchzuführen.

Studiendesign

In die doppelblinde Studie wurden 104 Patienten mit schubförmiger multipler Sklerose eingeschlossen. 69 Patienten erhielten 1000 mg Rituximab i.v. und 35 Patienten erhielten Plazebo. Die Injektionen wurden nach 15 Tagen wiederholt. Der primäre Endpunkt war die Zahl von Gadolinium- (Kontrastmittel-)aufnehmenden Läsionen in der Kernspintomographie nach 12, 16, 20 und 24 Monaten. Klinische Parameter umfassten die Sicherheit der Behandlung, der Prozentsatz der Patienten, der erneute Schübe hatte, und die jährliche Rate der Schübe.

Ergebnisse

Die mittlere Zahl neuer Läsionen in der Kernspintomographie betrug innerhalb von 24 Wochen 4,5 in der Plazebo-Gruppe und 0,2 in der Rituximab-Gruppe. Dieser Unterschied war signifikant (p <0,001). Ähnliche Zahlen fanden sich für die Gesamtzahl der Kontrastmittel-aufnehmenden Läsionen in der Kernspintomographie des Gehirns. Diese betrug 5,5 in der Plazebo-Gruppe und 0,5 in der Rituximab-Gruppe (p<0,001). Erneute Schübe hatten 14,5% der Patienten in der Rituximab-Gruppe verglichen mit 34,3% in der Plazebo-Gruppe nach 24 Wochen. Nach 48 Wochen betrugen die entsprechenden Zahlen 20,3% und 40%. Beide Unterschiede waren signifikant (p=0,02 bzw. p=0,04).

Nebenwirkungen traten in der Rituximab-Gruppe nach der Infusion häufiger auf, wobei schwerwiegende Nebenwirkungen gleich häufig waren. Typische Nebenwirkungen waren Schüttelfrost, Kopfschmerzen, Übelkeit, Juckreiz, Fieber, Müdigkeit und ein Entzündungsgefühl im Rachen. Bei der zweiten Infusion ergaben sich keine Unterschiede mehr in den Nebenwirkungen zwischen Verum und Plazebo.

Kommentar

Diese sehr kleine randomisierte, doppelblinde, prospektive Studie mit schiefer Randomisierung (Verhältnis 2:1; Rituximab:Plazebo) deutet darauf hin, dass Rituximab bei der schubförmigen multiplen Sklerose nicht nur die Zahl neuer Kontrastmittel-aufnehmender Herde in der Kernspintomographie, sondern auch die Schubrate reduziert. Das Nebenwirkungsprofil ist günstig bezogen auf die Nebenwirkungen, die im Zusammenhang mit der Infusion von Rituximab stehen. Langzeit-Nebenwirkungen, wie sie meist erst nach mehreren Jahren oder nach der Behandlung von mehreren tausend Patienten beobachtet werden und die durch die Immunsuppression bedingt sind, konnten naturgemäß hier nicht entdeckt werden. Die Ergebnisse sind deswegen sehr wichtig, weil sie zeigen, dass B-Zell-mediierte Faktoren eine wichtige Rolle bei der schubförmigen multiplen Sklerose spielen. Die Ergebnisse dieser kleinen Pilotstudie müssen jetzt durch große randomisierte, doppelblinde Phase-III-Studien bestätigt werden.

Quelle

Hauser SL, et al. for the HERMES Trial Group. B-cell depletion with Rituximab in relapsing-remitting multiple sclerosis. N Engl J Med 2008;358:676–88.

Psychopharmakotherapie 2008; 15(05)