Prof. Dr. Heinz Reichmann, Dresden
Zeitgerecht zum Kongress der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) in Hamburg können wir eine weitere Ausgabe der Psychopharmakotherapie präsentieren.
Im Kleinen reflektiert diese Ausgabe das faszinierende Feld der Neurowissenschaften, wie wir sie im Großen beim Neurologen-Kongress diskutieren werden. Wir spannen in diesem Heft einen weiten Bogen von der multiplen Sklerose über die Therapie neuropathischer Schmerzen bis zu psychiatrisch relevanten Themen. Besonders hervorheben möchten wir, dass in dieser Ausgabe die ersten beiden Beiträge erscheinen, in denen die Ergebnisse einer Befragung der Bundesdirektorenkonferenz zu Verordnungsgewohnheiten von Psychopharmaka an deutschen psychiatrischen Krankenhäusern aufgearbeitet werden. Diese beiden ersten Beiträge befassen sich mit Antipsychotika, Tranquilizern und Hypnotika. Zudem wird die angewandte Methodik besprochen.
Erfreulicherweise gehören die Neurowissenschaften sicherlich zu den Disziplinen in der Medizin, in denen am meisten neue Medikamente entwickelt werden und insbesondere ständig neue Erkenntnisse zur Ätiopathogenese gewonnen werden. Dementsprechend ist gerade die PPT, die sich ja der medikamentösen Therapie von Patienten mit neurologischen und psychiatrischen Krankheiten widmet, ein hervorragendes Organ und ein Kongressbegleiter, um therapeutisch stets auf dem aktuellen Stand zu bleiben.
Der Kongress der DGN ist nach Jahren des rein akademischen Gedankenaustauschs bis in die Mitte der 90er Jahre jetzt (erfreulicherweise) ein fester Bestandteil im Jahreskalender für jeden Neurologen in Praxis und Klinik und immer mehr auch für Psychiater, um sich über die neuesten Erkenntnisse zu informieren. Dazu kommt das umfassende Angebot der Fortbildungsakademie, mit deren Hilfe man sein Wissen auffrischen kann.
Aufgrund der zumindest in den meisten Regionen ausreichenden Facharztdichte können wir immer noch eine gute neurologische Versorgung für die deutsche Bevölkerung bereitstellen. Sollten die Rahmenbedingungen für die niedergelassenen Kollegen und Klinikärzte allerdings nicht verbessert werden, wird sich dies so nicht halten lassen. Es steht zu befürchten, dass sich der Ärztemangel in immer mehr Regionen bemerkbar machen wird. Leider gibt es auch schon neurologische Kliniken und insbesondere Reha-Kliniken, die über Mitarbeitermangel klagen und kaum noch deutsche Ärzte finden. Das liegt sicherlich unter anderem daran, dass sich die Neurologie zu einem psychisch und zeitlich sehr anspruchsvollen Fach entwickelt hat. Vorbei sind die Tage, in denen Neurologen mit ihrem Reflexhammer bewaffnet grandiose Diagnosen gestellt haben, ohne sie sicher beweisen und insbesondere ohne therapeutische Konsequenzen ziehen zu können. Heute sind wir aufgrund unserer Intensivstationen und Stroke Units zu einem Fach geworden, das einen hohen „Patientenumsatz“ bewältigen muss, und der Schichtdienst ist Alltag geworden. Dies führt dazu, dass viele Jungmediziner lieber Fächer wählen, die Ihnen ein Arbeitsumfeld mit weniger Schicht- und Wochenenddiensten bieten. Erstmals müssen somit sogar neurologische Kliniken um gute Mitarbeiter werben, während wir früher Bewerbungen im Überfluss hatten. Der beste Weg für die Sicherung des wissenschaftlichen und ärztlichen Nachwuchses ist, in den Universitätsklinika interessante und engagierte neurologische Lehre zu bieten. Dies müssen wir von den Universitäten für die Nachwuchsförderung unseres Fachs einfordern, da diese die Aufgabe haben, nicht nur für sich, sondern auch für die Breite die notwendigen Nachwuchsärzte für die Neurologie zu motivieren. Hilfreich dafür ist sicherlich die Faszination für das zentrale und periphere Nervensystem und die Muskulatur. Seit der Erfindung von CT und MRT, seit der Einführung von funktionellem MRT, Neurogenetik und Biochemie für die Neurologie, hat sich uns das verborgene Organ Gehirn erst erschlossen und ständig lernen wir mehr über seine faszinierenden Funktionen. Somit sollten wir auch künftig eine der begehrtesten Disziplinen der Medizin bleiben. Einen überzeugenden Beitrag dazu dürfte auch in diesem Jahr der Kongress der DGN liefern.
Psychopharmakotherapie 2008; 15(05)