Dr. Thomas Messer, Augsburg
Während andere neuropsychiatrische Kongresse, beispielsweise die Tagung der Gesellschaft für Biologische Psychiatrie (SOBP), sich durch absolute Karenz gegenüber der pharmazeutischen Industrie und strenge Forschungsorientierung auszeichnen, sind bei der APA unterschiedliche Strömungen und Interessen präsent. Gewöhnlich dominieren am Wochenende sowie am Morgen („Breakfast Symposia“) und am Abend („Dinner Symposia“) die mehrstündigen industriegesponserten Symposien, bei denen überwiegend namhafte Wissenschaftler zu einem bestimmten Themenkomplex aktuelle Daten möglichst produktneutral präsentieren. So standen in diesem Jahr die Erst- und Langzeitbehandlung der Schizophrenie, Genetik psychiatrischer Erkrankungen, die Neurobiologie, Komorbidität und Behandlung schwerer Depressionen, Diagnostik und Therapie der Alzheimer-Demenz und der Zwangserkrankungen sowie ADHD und Fibromyalgie im Zentrum der Aufmerksamkeit.
An den Wochentagen wurden die zahlreichen Kurse, Foren, Fallkonferenzen, Workshops und Symposien von speziellen Vorlesungen („Lectures“) begleitet, die in der Regel einem verdienten Forscher aus dem Gebiet der Neuroscience gewidmet sind. Hier sind unter anderen besonders die Beiträge des renommierten Neurowissenschaftlers Solomon Snyder (Johns Hopkins University, Baltimore) oder des Senior Investigators am National Institute of Mental Health (NIMH, Bethesda), Husseini K. Manji zu erwähnen. In seiner herausragenden Präsentation ging Letzterer umfassend auf die molekularen Mechanismen ein, die gegenwärtig in der Pathophysiologie der unipolaren Depression und der bipolaren Störung diskutiert werden. Vor allem die experimentellen Studien, in denen Ketamin oder andere NMDA-Antagonisten einen schnell einsetzenden und nachhaltigen antidepressiven Effekt bewirkten, waren bemerkenswert, ebenso die berichteten antimanischen Effekte, die unter dem Einfluss von Tamoxifen beobachtet wurden und auf dessen Proteinkinase-C-inhibitorische Wirkung zurückgeführt werden.
Auf großes Interesse stieß ebenso der Vortrag des Psychotraumatologen Robert Ursano (University of Health Sciences, Bethesda, Maryland), der neben der psychologischen Analyse schwerer Unfälle, familiärer Gewalt und Naturkatastrophen zum wiederholten Mal die unheilvollen Auswirkungen terroristischer Anschläge und kriegerischer Auseinandersetzungen auf die Psyche eindrücklich darstellte. Zum traditionellen Festvortrag („William C. Menninger Memorial Lecture“) war in diesem Jahr Oliver Sacks geladen, der trotz seiner anerkennenswerten Verdienste um eine allgemeinverständliche Darstellung neuropsychiatrischer Krankheiten und der daraus resultierenden weltweiten Popularität die hohen Erwartungen der Kongressteilnehmer wegen der Kürze seines Vortrags und der strapaziösen Rhetorik wohl nicht zu erfüllen vermochte.
Neuerdings bietet die APA unter dem Stichwort „Focus Live Session“ zu den wesentlichen psychiatrischen Erkrankungen (z.B. Schizophrenie, Depression, Zwangsstörung) auch Veranstaltungen für klinisch tätige Psychiater an, bei denen nach einem Impulsreferat eines führenden Experten CME-geleitet der neueste Wissenstand zu Diagnostik und Therapie interaktiv vermittelt wird. Sehr ausgiebig wurde von den Teilnehmern die Möglichkeit genutzt, die in über 800 Postern präsentierten neuesten Forschungsergebnisse aus allen Teilgebieten der Psychiatrie mit den anwesenden Autoren zu diskutieren. Workshops und Kurse boten dem interessierten Besucher zudem die Möglichkeit, seine Kenntnisse in kleineren Gruppen zu vertiefen und sich auch kritisch mit bestimmten Themen auseinanderzusetzen. Dies betrifft unter anderem die Konsiliar- und Liaisonpsychiatrie, Gerontopsychiatrie, Sucht, Forensik, Psychotherapie, transkulturelle Psychiatrie, Sozialpsychiatrie und Fragen zur Suizidalität. Abschließend wäre im Hinblick auf pharmakologische Neuzulassungen in den USA insbesondere Aripiprazol zur Augmentierung von Antidepressiva bei Major Depression zu nennen.
Wenngleich auf dem diesjährigen Kongress der APA keine „Breaking News“ verkündet wurden, bot er dennoch eine Vielzahl von Gelegenheiten für einen wissenschaftlichen Austausch mit Kolleginnen und Kollegen aus dem In- und Ausland, zu dem häufig infolge der klinischen Alltagserfordernisse zu Hause keine Möglichkeit besteht. Die persönliche Begegnung mit Experten aus dem Fach und ein schneller Transfer neuer Forschungsergebnisse in die eigene Klinik können die lange und kostenintensive transatlantische Reise gut begründen. Das nächste Jahrestreffen der APA findet vom 16. bis 21. Mai 2009 in San Francisco, CA, statt.
Psychopharmakotherapie 2008; 15(05)