Priv.-Doz. Dr. med. Christian Weimar, Essen
In der PRoFESS-Studie (Studienakronyme siehe Kasten) (695 Zentren in 35 Ländern) wurden 20332 Patienten mit kurz zurückliegendem Schlaganfall im Median 15 Tage nach Ereignis auf eine Sekundärprophylaxe mit Acetylsalicylsäure plus Dipyridamol (2-mal täglich 25 mg + 200 mg; Aggrenox®) oder Clopidogrel (1-mal täglich 75 mg; Plavix®, Iscover®) randomisiert. Nach Bekanntwerden der Ergebnisse der MATCH-Studie, in der kein verbessertes Nutzen-Risiko-Verhältnis für die zusätzliche Gabe von Acetylsalicylsäure (z. B. Aspirin®) zu Clopidogrel in der Prävention weiterer ischämischer Ereignisse bei Hochrisikopatienten gezeigt werden konnte, wurde die Behandlung im zweiten Studienarm acht Monate nach Studienbeginn auf eine Monotherapie mit Clopidogrel umgestellt.
Unabhängig davon erfolgte außerdem eine Randomisierung auf Telmisartan (80 mg; Micardis®, Kinzalmono®) versus Plazebo (2x2-faktorielles Studiendesign).
Primärer Endpunkt war die Zeit bis zum Auftreten eines erneuten Schlaganfalls, sekundärer Endpunkt eine Kombination aus Myokardinfarkt, Schlaganfall oder vaskulär bedingtem Tod.
Studienakronyme
PRoFESS: Prevention regimen for effectively avoiding second strokes
MATCH: Management of atherothrombosis with clopidogrel in high risk patients with recent TIA or ischemic stroke
ESPRIT: European/Australasian stroke prevention in reversible ischaemia trial
Acetylsalicylsäure plus Dipyridamol versus Clopidogrel
Die Ergebnisse für den Vergleich Acetylsalicylsäure plus Dipyridamol versus Clopidogrel sind in Tabelle 1 zusammengefasst.
Tab. 1. Ergebnisse der PRoFESS-Studie
Acetylsalicylsäure |
Clopidogrel |
Hazard-Ratio, |
|
Primärer Endpunkt [%]* |
9,0 |
8,8 |
1,1 (0,92–1,11) |
Sekundärer Endpunkt [%]# |
13,1 |
13,1 |
0,99 (0,92–1,07) |
Neu auftretende/Verschlechterung einer Herzinsuffizienz† |
1,4 |
1,8 |
0,78 (0,62–0,96) |
Ischämischer Schlaganfall [%] |
7,7 |
7,9 |
|
Zerebrale Blutungen [%] |
0,8 |
0,4 |
|
Vorzeitige Beendigung der Studie [%], |
29,1 5,9 |
22,6 0,9 |
95%-KI: 95%-Konfidenzintervall *Erneuter Schlaganfall; #Kombination aus Myokardinfarkt, Schlaganfall und vaskulärem Tod; †einer der tertiären Endpunkte
Die Studie war auf 1715 primäre Endpunktereignisse ausgerichtet. Nach einer mittleren Behandlungsdauer von 2,4 Jahren wurden bei Studienende 1814 Schlaganfälle, 375 Myokardinfarkte und 1495 Todesfälle festgestellt.
Der primäre Endpunkt trat über eine durchschnittliche Beobachtungsdauer von 2,4 Jahren bei 9,0% der Patienten unter Acetylsalicylsäure plus Dipyridamol gegenüber 8,8% der Patienten, die Clopidogrel erhielten, ein (Hazard-Ratio [HR] 1,1, 95%-Konfidenzintervall [95%-KI]: 0,92–1,11).
Dabei traten unter Acetylsalicylsäure plus Dipyridamol zwar geringfügig seltener ischämische Schlaganfälle (7,7% vs. 7,9%), jedoch signifikant öfter intrazerebrale Blutungen auf (0,8% vs. 0,4%).
Auch für den sekundären Endpunkt und diverse tertiäre Endpunkte konnte kein signifikanter Unterschied zwischen den beiden Behandlungsgruppen nachgewiesen werden. Einzige Ausnahme war der tertiäre Endpunkt neu diagnostizierte oder verschlechterte Herzinsuffizienz, der signifikant seltener unter Acetylsalicylsäure plus Dipyridamol (1,4% vs. 1,8%; p=0,022) auftrat, wobei die Studie jedoch nicht für diesen Endpunkt angelegt war.
Es fand sich keine signifikante Interaktion mit kardiovaskulären Risikofaktoren, Vorerkrankungen, Komedikationen, ethnischer Zugehörigkeit oder TOAST-Klassifikation (Internationaler Standard für die Einteilung eines ischämischen Hirninfarkts nach zugrunde liegender Ätiologie).
Zusammenfassend war das Risiko für einen erneuten Schlaganfall sowie den kombinierten vaskulären Endpunkt in beiden Gruppen nahezu identisch. Das Risiko für schwere Blutungen sowie intrazerebrale Blutungen war jedoch in der Acetylsalicylsäure-Dipyridamol-Gruppe signifikant erhöht.
Dies ist bis auf die Ergebnisse der ESPRIT-Studie konsistent mit früheren Sekundärprophylaxe-Studien, in denen die duale Thrombozytenfunktionshemmung immer mit einem leicht erhöhten Blutungsrisiko einherging. Die Abbruchrate wegen Kopfschmerzen unter Dipyridamol konnte gegenüber früheren Studien deutlich reduziert werden. Diese Studie zeigt somit eindrücklich, dass auf indirekte Vergleiche aus früheren Studien gegen Acetylsalicylsäure (z. B. CAPRIE-Studie [Clopidogrel versus aspirin in patients at risk of ischaemic events] und ESPS 2 [European stroke prevention study]) kein Verlass ist, sondern nur ein direkter Vergleich valide Ergebnisse liefern kann.
Telmisartan versus Plazebo
Für den Vergleich Telmisartan versus Plazebo wurde wiederum die Zeit bis zum ersten Schlaganfall als primärer Endpunkt gewählt. Sekundärer Endpunkt war die Kombination aus Schlaganfall, Myokardinfarkt, vaskulär bedingtem Tod sowie neu aufgetretener oder verschlechterter Herzinsuffizienz und tertiärer Endpunkt zusätzlich ein neu aufgetretener Diabetes mellitus. In der Verum-Gruppe nahmen 72,4%, in der Plazebo-Gruppe 75,2% der Teilnehmer ihre Studienmedikation während mindestens 75% der Studiendauer ein. Die absolute Blutdruckdifferenz lag nach einem Monat bei 5,4/2,8 mmHg und im Durchschnitt über die gesamte Studiendauer bei 3,8/2,0 mmHg zugunsten von Telmisartan. In der Verum-Gruppe wurden andere Antihypertensiva um 10% seltener eingenommen.
Die Ergebnisse für den Vergleich Telmisartan versus Plazebo sind in Tabelle 2 dargestellt. Die Ergebnisse aller drei Endpunkte waren nicht signifikant unterschiedlich in den beiden Behandlungsgruppen.
Tab. 2. Ergebnisse der PRoFESS-Studie bezogen auf die Behandlung mit Telmisartan und Plazebo
Telmisartan |
Plazebo |
Hazard-Ratio, |
|
Primärer Endpunkt [%]* |
8,7 |
9,2 |
0,95 (0,86–1,04) |
Sekundärer Endpunkt [%]# |
13,5 |
14,4 |
0,94 (0,87–1,01) |
Tertiärer Endpunkt† [%] |
1,7 |
2,1 |
0,82 (0,65–1,04) |
Vorzeitige Beendigung der Studie [%] |
14,3 |
11,1 |
95%-KI: 95%-Konfidenzintervall; *Erneuter Schlaganfall; #Kombination aus Myokardinfarkt, Schlaganfall, vaskulär bedingtem Tod sowie neu aufgetretener oder verschlechterter Herzinsuffizienz; †neu diagnostizierter Diabetes mellitus
Die erwarteten Nebenwirkungen (Diarrhö, Nierenfunktionsstörung, Benommenheit, Hypotonie) führten bei 14,3% unter Telmisartan versus 11,1% unter Plazebo zum Behandlungsabbruch (p < 0,001). In einer Post-hoc-Analyse war in den sechs Monaten nach Ereignis kein Behandlungseffekt unter Telmisartan nachweisbar. Nach sechs Monaten bis Studienende war die Blutdrucksenkung unter Telmisartan mit einer nicht signifikanten Risikoreduktion vereinbar mit früheren antihypertensiven sekundärprophylaktischen Studien. Der Blutdruckunterschied war also absolut zu gering und die Studiendauer zu kurz, um einen signifikanten Effekt nachzuweisen.
Neuroprotektive Effekte
Drei Monate nach einem erneuten Schlaganfall ließ sich weder unter Acetylsalicylsäure plus Dipyridamol noch unter Telmisartan ein neuroprotektiver Effekt auf der modifizierten Rankin-Skala (zur Qualifizierung des neurologischen Defizits nach Schlaganfall) oder dem Barthel-Index (zur Bewertung von alltäglichen Fähigkeiten) nachweisen. Die mittleren Mini-Mental-Status-Ergebnisse waren bei Studieneinschluss (im Mittel 28) und bei Studienende (im Mittel 29) in allen Behandlungsgruppen gleich. Auch hier war daher möglicherweise die Nachbeobachtungszeit zu kurz oder das Erfassungsinstrument ungeeignet, um einen möglichen neuroprotektiven Effekt der Behandlung nachweisen zu können.
Quellen
XVII. European Stroke Conference in Nizza, 13. bis 16. Mai 2008:
Sacco R, et al. Prevention regimen for effectively avoiding strokes (PRoFESS) trial: Comparison of a fixed-dose combination of extended-release dipyridamole plus asa with clopidogrel.
Yusuf S, et al. Prevention regimen for effectively avoiding strokes (PRoFESS) trial: telmisartan versus placebo.
Diener HC, et al. Prevention regimen for effectively avoiding strokes (PRoFESS) trial: cognitive and functional outcomes after stroke.
Psychopharmakotherapie 2008; 15(05)