Ropinirol mit verzögerter Wirkstofffreisetzung


Heinz Reichmann, Dresden

In der Parkinson-Therapie setzt sich zunehmend das Konzept der kontinuierlichen Dopaminrezeptorstimulation durch. Eine neue Option, diesem Konzept Rechnung zu tragen, bietet Ropinirol mit verzögerter Wirkstofffreisetzung (ReQuip-MODUTAB Retardtabletten). ReQuip-MODUTAB® wird einmal täglich, normalerweise morgens, eingenommen und wirkt über 24 Stunden. Während der Nachtstunden sinkt der Spiegel im Blut leicht ab, ist aber bei ausreichender Dosierung auch am nächsten Tag so hoch, dass die Patienten keine morgendliche Akinese erleben und nicht nur während des Tages gut beweglich sind, sondern sich auch nachts im Schlaf gut drehen und wenden können. ReQuip-MODUTAB® ist sowohl für die Früh- als auch für die Spätphase der Parkinson-Erkrankung zugelassen. Die maximal applizierbare Dosis beträgt 24 mg/d. Durch die kontinuierliche Wirkstofffreisetzung wird erhofft, dass Nebenwirkungen wie beispielsweise Müdigkeit oder Übelkeit und Erbrechen sowie diffuser Schwindel seltener und weniger ausgeprägt als bei Patienten mit normaler ReQuip®-Formulierung auftreten. Diesbezügliche Studien müssen allerdings noch abgewartet werden. Umstellungen auf die neue Formulierung lassen sich von ReQuip® 1:1 über Nacht durchführen. Umstellungen von anderen Dopaminagonisten können meist ebenfalls während eines Tages bewerkstelligt werden, wobei der Autor bei hohen Dosierungen des ursprünglichen Dopaminagonisten eine langsame Umsetzung über etwa eine Woche bevorzugt. Mit ReQuip-MODUTAB® steht eine interessante Innovation zur Verfügung, die nicht in die Me-too-Diskussion geraten sollte.
Schlüsselwörter: M. Parkinson, Dopaminagonist, Ropinirol, Retard-Präparat
Psychopharmakotherapie 2008;15:144–6.

Parkinson-Therapie entsprechend den Leitlinien der DGN

In den Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) zur Parkinson-Erkrankung wird zwischen Patienten mit hohem Alter und hoher Komorbidität und Patienten unter 70 Jahre oder/und mit geringer Komorbidität unterschieden. Während die erste Gruppe nach wie vor mit Levodopa oder Levodopa/COMT-Hemmer behandelt werden sollte, wird für die andere Gruppe der Einsatz von Dopaminagonisten bevorzugt. Hauptursache für diese Empfehlung ist, dass Dopaminagonisten aufgrund ihrer langen Halbwertszeit eine kontinuierliche Dopaminrezeptorstimulation erwarten lassen. Nachdem die Arbeitsgruppe um Chase nachgewiesen hat, dass eine kontinuierliche Dopaminrezeptorstimulation Dyskinesien verhindert [1], ist somit der Dopaminagonist gegenüber Levodopa, das eine Halbwertszeit von 1,5 Stunden aufweist, im Vorteil (Tab. 1). Die Dopaminagonisten werden in zwei Gruppen unterteilt, Ergot- und Nichtergotderivate. Die beiden bekanntesten Vertreter der Ergotderivate, nämlich Pergolid und Cabergolin, werden in Deutschland nicht mehr als First-Line-Präparate verwendet, da bei ihnen angeblich ein erhöhtes Risiko für Herzklappenfibrosen besteht [4, 8, 11]. Aus diesem Grunde werden in Deutschland bevorzugt Dopaminagonisten vom nichtergolinen Typ, konkret Pramipexol, Ropinirol, Rotigotin und Piribedil eingesetzt.

Tab. 1. Halbwertszeit (HWZ) von Dopaminagonisten [DGN-Leitlinie „Parkinson-Syndrome“, Fachinformation Piribedil]

Arzneistoff

HWZ [h]

Apomorphin

0,5

Bromocriptin

6

Cabergolin

65

Alpha-Dihydroergocriptin

15

Lisurid

2–3

Pergolid

7–16

Piribedil

12

Pramipexol

8–12

Ropinirol

6

Pharmakokinetik von Ropinirol und Ropinirol retard

Ropinirol (ReQuip®) ist in Deutschland seit dem 18. Dezember 1996 zur Mono- und Kombinationstherapie (mit Levodopa) des idiopathischen Parkinson-Syndroms zugelassen. Publikationen des Herstellers zufolge lagen im März 2007 weltweit 1,3 Millionen Patientenjahre unter Ropinirol vor. Ropinirol wurde in einer Aufsehen erregenden Studie (056) untersucht [7]. Es handelte sich dabei um eine 5-jährige Doppelblindstudie, die eindeutig nachweisen konnte, dass Ropinirol in Monotherapie Dyskinesien vermeiden lässt und dass rund 30% der Studienpatienten fünf Jahre lang ohne Levodopa auskamen. Ropinirol kann bis auf 24 mg hochdosiert werden, wobei die eigene Arbeitsgruppe Dosierungen bis zu 36 mg off Label bereits bei ausgesuchten Patienten durchführte [5]. In diesem weiten Dosierspektrum lag ein besonderer Vorteil von Ropinirol.

Mit der retardierten Formulierung (ReQuip-MODUTAB®-Retardtablette) wurde jetzt eine weitere Verbesserung der Pharmakokinetik erreicht, wie dies beispielsweise aus Arbeiten von Thompson und Vearer [10] hervorgeht. Durch die retardierte Formulierung kommt eine noch glattere Ropinirol-Konzentration über 24 Stunden im Serum zustande. Die kontinuierliche Freisetzung von Ropinirol konnte durch die so genannte Geomatrix-Technologie erreicht werden und bietet für den Patienten gegenüber der meist 3-mal pro Tag eingenommenen herkömmlichen Formulierung den unschätzbaren Vorteil der einmaligen Einnahme pro Tag. Die Area under the Curve (AUC0–24) und das Cmin waren für beide Formulierungen gleich, die Cmax der retardierten Formulierung mit 12% geringer als beim nicht retardierten Ropinirol. Eine Abhängigkeit von der Nahrungsaufnahme konnte für die Retard-Formulierung ausgeschlossen werden.

Interessanterweise nimmt die Plasmakonzentration nach etwa 12 Stunden langsam ab, so dass man davon ausgehen kann, dass in den Nachtstunden weniger dopaminerge Stimulation erfolgt, was vermutlich dem physiologischen Zustand des Gesunden entspricht.

Monotherapie bei Patienten im Frühstadium

Die Wirksamkeit von ReQuip-MODUTAB® wurde in einer sehr komplexen Studie bei Patienten im Frühstadium einer Parkinson-Erkrankung geprüft [9]. Es handelte sich dabei um eine doppelblinde, Doppel-Dummy-, randomisierte dreiphasige Cross-over-Studie, mit der nachgewiesen werden sollte, dass die neue Formulierung (CR) gegenüber dem herkömmlichen Ropinirol (IR) nicht unterlegen ist. Die Studie ist bisher nur in Posterform publiziert [9]. Das in Abbildung 1 gezeigte Studiendesign besteht aus einer 12-wöchigen Titrationsphase, gefolgt von drei Erhaltungsphasen, wobei jeder Patient einmal wirklich und einmal zum Schein von der einen Formulierung zur anderen umgestellt wurde. Dies erfolgte in der 20. oder 28. Woche ohne Wissen des Patienten.

Abb. 1. Design der Monotherapie-Studie: 3facher Cross-over [mod. nach 9]

In der Studie konnte gezeigt werden, dass die Mobilität deutlich gesteigert werden konnte, was sich im Motorik-Score der Unified Parkinson’s Disease Rating Scale (UPDRS) zeigte. Für die bisherige, nicht retardierte Ropinirol-Formulierung betrug die Verbesserung 8,9 Punkte nach 12 Wochen, für die retardierte Formulierung 10,4 Punkte. Interessanterweise konnte in der Studie nachgewiesen werden, dass bei Umstellung von normalem zu retardiertem oder von retardiertem zu normalem Ropinirol (bei gleicher Dosis) kein signifikanter Unterschied zwischen den beiden Formulierungen bestand, da bei Umstellung über Nacht die UPDRS-Motorik-Scores bei 97% der Patienten so stabil blieben, dass keine Dosisanpassung notwendig wurde. Für den neurologischen Anwender bietet diese Studie den wichtigen praktischen Erkenntnisgewinn, dass wir künftig Ropinirol-therapierte Patienten 1:1 auf die neue Retardformulierung umsetzen können.

Add-on-Therapie zu Levodopa bei Patienten im fortgeschrittenen Stadium

Für diese Situation gibt es bereits eine hochrangig publizierte Studie von Pahwa und Kollegen [6], in der multizentrisch randomisiert und doppelblind bei 393 Parkinson-Patienten im Hoehn-und-Yahr-Stadium II bis IV mit unzureichender Symptomkontrolle die zusätzliche Gabe von Ropinirol mit Plazebo verglichen wurde. Die Patienten mussten mindestens drei Stunden pro Tag im motorischen Off sein. Sie mussten unter Levodopa-Therapie stehen und erhielten 24 Wochen noch zusätzlich Plazebo oder Ropinirol retard. In beiden Studienarmen mit je etwa 200 Patienten waren das Alter des Kollektivs und insbesondere die Off-Zeit mit 7 Stunden gleich. Die Verbesserung der Off-Zeit betrug unter Plazebo 0,3 Stunden und unter retardiertem Ropinirol 2,1 Stunden. Interessanterweise war dieser Unterschied bereits ab der zweiten Woche der Therapie signifikant nachweisbar. Im Sinne der Dyskinesie-Minderung oder Prophylaxe ist auch erwähnenswert, dass durch die zusätzliche Gabe von Ropinirol retard eine Minderung der Levodopa-Tagesdosis von 278 mg gelang.

Besondere Vorzüge von Ropinirol retard

Unter Berücksichtigung der Pharmakokinetik mit einem sehr glatten Plasmakonzentrationsprofil ist zu erhoffen, dass die neue Formulierung zu weniger dopaminergen Nebenwirkungen führt. Es ist anzunehmen, dass durch die sehr ruhigen Wirkkurven weniger Halluzinationen und auch weniger so genannte Schlafattacken auftreten werden. Vergleichsstudien hierzu sind allerdings noch nicht publiziert. Publiziert sind dagegen erste Hinweise darauf, dass durch die Retardformulierung eine Verbesserung des Schlafs erzielt werden kann. Unter Verwendung der Parkinson’s Disease Sleep Scale zeigt sich eine eindeutige Verbesserung unter Ropinirol retard. Diese Skala analysiert unter anderem die Schlafqualität, die nächtliche motorische Unruhe, Tagesmüdigkeit und vieles mehr [2]. Insgesamt umfasst sie einen Score von 150 Punkten, wobei Parkinson-Patienten etwa 100 Punkte erreichen (gleichaltrige Kontrollen etwa 120 Punkte). Mit Ropinirol retard konnte dies um etwa 5 Punkte verbessert werden, was nach Ansicht der Autoren eine relevante Verbesserung der Schlafqualität widerspiegelt. Weiterhin gibt es Hinweise auf eine Verbesserung der Lebensqualität mittels PDQ-39-Analysen, wo gegenüber den mit Plazebo Behandelten signifikante Verbesserungen bezüglich Mobilität, Aktivität des täglichen Lebens, emotionalem Wohlbefinden, Stigma und Kommunikation nachgewiesen werden konnten.

Nebenwirkungen

Das Nebenwirkungsprofil der Ropinirol retard ähnelt selbstverständlich dem aller Dopaminagonisten, das heißt, es kann zu Übelkeit, Tagesschläfrigkeit, Schwindel, Kopfschmerzen und Obstipation kommen. Im Vergleich zur ReQuip®-Normalformulierung sind diese Nebenwirkungen ähnlich häufig, mit Ausnahme der Tagesschläfrigkeit, die bei den Modutab®-Patienten zu 11% und bei den ReQuip®-Standardformulierung-Patienten zu 15% auftrat.

Aufdosierungsschema

Eines der Hauptprobleme der Ropinirol Normalformulierung ist die komplexe und langsame Aufdosierung, was Therapeuten und Patienten zum Teil mehrere Wochen auf eine ausreichende Wirksamkeit warten lässt. Dies ist unter ReQuip-MODUTAB® deutlich anders, weil hier wöchentlich um 2 mg/d ReQuip-MODUTAB® gesteigert werden darf. Durch diese Form der Aufdosierung wird bereits in der dritten Woche mit 6 mg/d Ropinirol retard sicherlich für die meisten De-novo-Patienten eine klare Verbesserung der Motorik sichtbar. Es ist noch offen, wie viele der De-novo-Patienten schon initial mehr als 6 mg/d einnehmen werden müssen. Auch für die Retard-Dosierung ist die maximale Tagesdosis mit 24 mg ausreichend hoch zugelassen worden, so dass ein erhebliches therapeutisches Fenster vom Beginn der Therapie bis zum Patienten mit fortgeschrittenem Parkinson-Syndrom gegeben ist. Die verfügbaren Dosierungen betragen 2, 4 und 8 mg/d Retard-Tabletten. Tagestherapiekosten bei Einnahme einer 8-mg-Tablette sind etwa 7,54 Euro.

Compliance

In jüngster Zeit gibt es eine ganze Reihe interessanter Studien zur Medikamenten-Compliance (Adhärenz) von Parkinson-Patienten. Insbesondere die schottische Arbeitsgruppe um Grosset [3] hat sich diesem Thema ausführlich gewidmet. Donald Grosset und Kollegen konnten nachweisen, dass Gesamtcompliance, Tagescompliance und Zeitcompliance der Patienten korrelierend mit der Zunahme an täglichen Einnahmezeitpunkten ständig schlechter wurden. Während bei Einmaleinnahme pro Tag die Gesamtcompliance 100% und die Zeitcompliance immerhin 90% betrug, war dies bei fünf Einnahmezeitpunkten nur noch 90 bzw. 20%. Diese Untersuchung zeigt eindeutig, dass 98% der Patienten alle Dosen der verordneten Medikamente einnehmen, dass 86% der Patienten ihre Medikamente an allen Tagen in korrekter Einnahmefrequenz einnahmen, dass aber nur 23% der Patienten ihre Medikation zum richtigen Zeitpunkt einnahmen. Diese Untersuchungen unterstreichen, dass mit der Retardformulierung diesbezüglich eine eindeutige Verbesserung der Patientencompliance zu erwarten ist.

Zusammenfassend haben wir ein neues Parkinson-Medikament zur Verfügung, das nur einmal am Tag gegeben werden muss und entsprechend der internationalen doppelblinden Studien bei guter Verträglichkeit eine gute Wirksamkeit beim De-novo- und beim fortgeschrittenen Parkinson-Patienten besitzt.

Literatur

1. Chase TN. Levodopa therapy: consequences of the non-physiologic replacement of dopamine. Neurology 1998;50(Suppl 5):S17–25.

2. Chaudhuri KR, Martinez-Martin P. Clinical assessment of nocturnal disability in Parkinson’s disease: the Parkinson’s disease sleep scale. Neurology 2004;63(Suppl 8):S17–20.

3. Grosset KA, Bone I, Grosset DG. Suboptimal adherence in Parkinson’s disease. Mov Disord 2005;20:1502–7.

4. Junghanns S, Fuhrmann JT, Simonis G, et al. Valvular heart disease in Parkinson’s disease patients treated with dopamine agonists: A reader-blinded monocenter echocardiographic study. Mov Disord 2007;22:234–8.

5. Müngersdorf M, Sommer U, Sommer M, Reichmann H. High-dose therapy with ropinirole in patients with Parkinson’s disease. J Neural Transm 2001;108:1309–17.

6. Pahwa R, Stacy MA, Factor SA, Lyons KE, et al., EASE-PD Adjunct Study Investigators. Ropinirole 24-hour prolonged release: randomized, controlled study in advanced Parkinson disease. Neurology 2007;68:1108–15.

7. Rascol O, Brooks DJ, Korczyn AD, De Deyn PP, et al. A five-year study of the incidence of dyskinesia in patients with early Parkinson’s disease who were treated with ropinirole or levodopa. 056 Study Group. N Engl J Med 2000;342:1481–91.

8. Schade R, Andersohn F, Suissa S, et al. Dopamine agonists and the risk of cardiac-valve regurgitation. N Engl J Med 2007;356:29–38.

9. Stocchi F, Giorgi L. Efficacy of ropinirole 24-hour prolonged release compared with ropinirole immediate release in early Parkinson’s disease: the EASE-PD monotherapy study. Eur J Neurol 2006;13(Suppl 2):205.

10. Tompson DJ, Vearer D. Steady-state pharmacokinetic properties of a 24-hour prolonged release formulation of ropinirole: Results of two randomized studies with patients with Parkinson’s disease. Clin Ther 2007;29: 2654–66.

11. Van Camp G, Flamez A, Cosyns B, Goldstein J, et al. Heart valvular disease in patients with Parkinson’s disease treated with high-dose pergolide. Neurology 2003;61:859–61.

Prof. Dr. med. Heinz Reichmann, Klinik und Poliklinik für Neurologie, Universitätsklinikum Carl Gustav Carus, Fetscherstraße 74, 01307 Dresden, E-Mail: Heinz.Reichmann@uniklinikum-dresden.de

Ropinirole extended release

Ropinirole extended release (ER) offers a new option for continuous dopamine receptor stimulation. Being taken once daily, in the morning, it acts for more than 24 hours. Ropinirole ER (ReQuip MODUTAB®) has been approved for the early as well as the late phase of Parkinson‘s disease. Its maximum dose are 24 mg/d. Hopefully, adverse events like tiredness, nausea and vomiting, and dizziness are less pronounced due to the continuous drug release. The switch from other dopamine agonists can be performed 1:1 overnight.

Psychopharmakotherapie 2008; 15(04)