Reimund Freye, Baden-Baden
Seit seiner Markteinführung als Add-on-Medikament hat sich das Zulassungsspektrum von Topiramat (Topamax®) erheblich erweitert. Gegenwärtig kann es als Monotherapie, auch initial, bei fokalen epileptischen Anfällen mit und ohne sekundäre Generalisierung und ebenfalls bei primär generalisierten Anfällen angewandt werden. Bei Kindern reicht die Zulassung bis zum 2. Lebensjahr.
Das breite Anwendungsspektrum gibt gerade bei Krankheitsbeginn Sicherheit, denn nach zwei oder drei Anfällen ist oft noch nicht gänzlich klar, ob es sich um eine generalisierte oder fokale Epilepsie handelt.
Topiramat ist einer der Fälle, in denen die eigentliche Dosisfindung letztlich erst in der Praxis stattgefunden hat. Die mit dem Antiepileptikum anfangs assoziierten kognitiven Störungen, insbesondere Aphasien, können durch eine erheblich niedrigere Dosis in der heutigen praktischen Anwendung fast gänzlich vermieden werden. Anfangs war eine Tagesdosis in der Größenordnung von 800 bis 1000 mg die Regel, heute sind 50 bis 200 mg üblich, wobei oft 100 mg ausreichen, um Anfallsfreiheit oder eine Response zu erlangen.
In der nun üblichen Dosisspanne von 50 bis 200 mg/d ist lediglich bei einem kleinen Teil der Patienten mit Problemen bei der Wortfindung und -flüssigkeit zu rechnen. Die als Nebenwirkung ebenfalls diskutierte Gewichtsabnahme bewegt sich in der Regel im Rahmen von 2 bis 6 kg. Lediglich bei Menschen mit sehr hohem Body-Mass-Index (BMI) kann sie auch einmal 10 bis 15 kg betragen; aber sie erreicht irgendwann ein Plateau.
Dass Topiramat in diesem niedrigen Dosissegment sehr gute Wirkungen erzielt, zeigte etwa eine Anwendungsbeobachtung von Schreiner (Epilepsia 2005), in der mit 50 bis 100 mg/d zwei Drittel der Patienten anfallsfrei wurden.
Zwei Fallbeispiele verdeutlichen die große Bandbreite der anwendungsfähigen Dosis. So konnte eine Patientin mit Temporallappen-Epilepsie mit 50, später sogar 25 mg/d anfallsfrei werden. Eine 17-Jährige mit Status epilepticus, die ins künstliche Koma versetzt werden musste, vertrug jedoch 1400 mg, die ihr geholfen haben, ohne nennenswerte Nebenwirkungen.
Wenn eine initiale Monotherapie mit Valproinsäure versagt, bestehen immer noch gute Chancen, mit Topiramat einiges zu erreichen. Schäuble et al. (Epilepsia 2006) untersuchten an 147 Patienten den Switch auf Topiramat. Bei drei Viertel konnten die Anfälle um mindestens die Hälfte reduziert werden, 50% wurden sogar anfallsfrei.
Die entsprechenden Daten bei einer Umstellung von Carbamazepin oder Oxcarbazepin aufgrund von mangelnder Wirksamkeit oder Unverträglichkeit auf eine Monotherapie mit Topiramat lauten: 90% Responder, knapp zwei Drittel wurden anfallsfrei.
Diese Effektivität bei Patienten, die unter anderen Substanzen therapierefraktär blieben, hat dazu geführt, dass Topiramat, neben Levetiracetam, als ultimative medikamentöse Intervention angesehen wird. Unter Epileptologen ist es mittlerweile so etwas wie ein Grundsatz geworden, dass vor jeder Epilepsiechirurgie noch ein Therapieversuch mit Topiramat oder Levetiracetam gemacht werden sollte.
Bei Altersepilepsie benötigt man in der Regel nur sehr niedrige Topiramat-Dosen. In dieser Altergruppe ist das günstige Interaktionsprofil von Vorteil. Damit ist dieses Präparat eine gute Alternative zu anderen Antiepileptika, die in dieser Altersklasse zuweilen erhebliche kognitive Einbußen mit sich bringen.
Gute Erfahrungen, wenn auch noch im Off-Label-Use, wurden inzwischen mit Topiramat bei der Migränebehandlung gesammelt. Hier erwies sich die 100-mg-Dosis als wirksam. Bei der Trigeminusneuralgie werden 50 bis 75 mg/d verwendet.
Quelle
Dr. med. Stephan Arnold, München, Dr. med. Barbara Schäuble, Neuss, Symposium „Impulse 2008 in der Epilepsietherapie“, veranstaltet von Janssen-Cilag, Norderstedt, 26. April 2008.
Psychopharmakotherapie 2008; 15(04)