Clinical Analyses of the Treatment of Schizophrenia, CATS


Grundlagen einer pharmakoepidemiologischen Studie zur Qualität der Versorgung von Patienten mit Schizophrenie

Michael Deuschle, Mannheim, Niels Bergemann, Heidelberg, Jutta Kammerer-Ciernioch, Wiesloch, Michael Franz, Gießen, Marion Lautenschlager, Berlin, Florian Lederbogen, Mannheim, Matthias Weisbrod, Heidelberg/Karlsbad, Mathias Brosz und Jan Reichmann, Magdeburg, Jürgen Umbreit, Karlsruhe

Das Wissen zur Behandlung schizophrener Psychosen beruht hauptsächlich auf den Ergebnissen von Industrie-initiierten Phase-III-Prüfungen. Diese methodisch wertvollen Studien sind allerdings nur bedingt übertragbar auf die Behandlungssituation im klinischen Alltag, da Ein- und Ausschlusskriterien meist recht eng gefasst sind. Selbst „practical clinical trials“, wie CATIE, die deutlich weitere Ein- und Ausschlusskriterien zugrunde legen, sind nur bedingt auf die Behandlungsrealität in Deutschland zu übertragen, da viele Patienten in Deutschland polypharmazeutisch behandelt werden. Die CATS-Studie zielt darauf ab eine große repräsentative Gruppe schizophrener Patienten hinsichtlich Psychopathologie, vollständiger Medikation, unerwünschten Arzneimittelwirkungen, kognitiver Funktionen, Lebensqualität, sexueller Funktionen sowie Parametern des metabolischen Syndroms und der QTc-Zeit zu charakterisieren. Die Studie wird an rund 100 Zentren der ambulanten und stationären psychiatrischen Versorgung durchgeführt werden. CATS wird nicht nur repräsentative Daten zur Versorgungsforschung ergeben, sondern zusätzlich erstmalig die Möglichkeit bieten, als Grundlage für Fall-Kontroll-Studien schizophrener Patienten in Deutschland insbesondere Hypothesen zu den Effekten antipsychotischer Polypharmazie zu generieren.
Schlüsselwörter: Studiendesign, Antipsychotika, Epidemiologie
Psychopharmakotherapie 2008;15:147–52.

Die Gruppe der schizophrenen Psychosen ist eine heterogene Gruppe von Erkrankungen, die durch frühes Manifestationsalter, Rezidivneigung und Chronizität sowie häufig anhaltende Beeinträchtigung kognitiver und sozialer Funktionen zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Lebensperspektive der einzelnen Patienten, aber auch zu einer starken Belastung der Gesundheitssysteme beiträgt [21].

Die Grundlage der Behandlung akuter psychotischer Episoden sowie der häufig langjährigen Rezidivprophylaxe ist die psychopharmakologische Therapie mit Antipsychotika. Trotz antipsychotischer Medikation persistieren bei etwa 30% der Patienten psychotische Symptome. Ebenso erleiden rund 60% der Patienten trotz antipsychotischer Rezidivprophylaxe innerhalb von zwei Jahren ein Rezidiv, so dass Studien zum optimierten Einsatz neuerer und älterer Antipsychotika weiterhin von großem klinischem Interesse sind [25]. Idealerweise ist die Therapie mit Antipsychotika eingebunden in ein Behandlungskonzept, das gleichzeitig psychotherapeutische und rehabilitative Ansätze integriert. Dabei versetzt antipsychotische Therapie die Patienten häufig erst in die Lage, psychotherapeutische oder sozialpsychiatrische Maßnahmen zur Wiedereingliederung in Gemeinde und Beruf wahrnehmen zu können [21]. Die Psychoedukation dient nicht nur der Förderung von Krankheitsverständnis und Compliance, sondern auch einem angemesseneren Umgang mit Belastungen [3]. Kognitives Training zur Besserung neuropsychologischer Einschränkungen [27] oder metakognitives Training zur Besserung von kognitivem Bias bei Patienten mit Schizophrenie werden derzeit eher als adjuvante Maßnahmen angesehen [20].

Antipsychotika – als Grundlage der Therapie – gelten als wissenschaftlich gut untersuchte Medikamente. Das Wissen zu klinischen Effekten und unerwünschten Arzneimittelwirkungen von Antipsychotika stammt im Wesentlichen aus Phase-III-Studien, Phase-IV-Studien („post-marketing“-Studien) sowie Spontanmeldungen von unerwünschten Arzneimittelwirkungen, Fallserien und Fall-Kontroll-Studien.

Studientypen

Phase-III-Studien: „Efficacy trials” oder „proof of principle trials”

Phase-III-Prüfungen sind doppelblinde, randomisierte, kontrollierte Studien („randomized controlled trials“, RCTs), die als Goldstandard für die Beurteilung von Wirksamkeit und Sicherheit von Pharmaka gelten. Sie dienen dem Hersteller eines Präparats, das gegen ein Referenzmedikament geprüft wird, meist, um Daten zum Zwecke der Zulassung zu gewinnen. Diese Studien sind geeignet, die Wirksamkeit („efficacy“) von Antipsychotika zu belegen. Dabei gibt es einen Sponsorbias, der bei Direktvergleichen von Antipsychotika der zweiten Generation regelhaft Vorteile zugunsten des Präparats des Studiensponsors zeigt, die zumindest teilweise auf methodische Besonderheiten im Studiendesign zurückzuführen sind [14].

Zusätzlich gibt es eine Vielzahl von Aspekten, die eine Übertragung der Befunde auf „Alltagspatienten“ einschränken. Zumeist handelt es sich um kurze Anwendungszeiten in der Akutbehandlung (meist 4 bis 8 Wochen), bei der überwiegend auf Positivsymptomatik fokussiert wird. Bislang werden im Rahmen von Phase-III-Studien nur unzureichend Daten zur Rezidivprophylaxe erhoben. Regelhaft werden bei diesen Studien relevante psychiatrische Komorbidität (58%; [7]), Substanzabusus oder -abhängigkeit (22%; [7]) oder relevante somatische Komorbidität [6] als Ausschlusskriterien herangezogen. Häufige klinische Probleme, wie Aggression oder Suizidalität, sind meist ebenso explizit benannte Ausschlusskriterien. Man darf annehmen, dass bei derart ausgewählten Kollektiven sowohl die Wirksamkeit als auch die Verträglichkeit von Pharmaka günstiger beurteilt wird als bei der überwiegenden Mehrheit von Patienten, bei der ein oder mehrere dieser typischen Ausschlusskriterien von Phase-III-Prüfungen vorliegen. Daher gelten die Daten von „efficacy trials“ als eingeschränkt generalisierbar für den klinischen Alltag.

Aus methodischen Gründen sind Phase-III-Studien auf die Prüfung weniger primärer Studienparameter fokussiert. Metabolische und kognitive Nebenwirkungen, sexuelle Funktionen, Lebensqualität und pharmakoökonomische Fragen sind wesentliche Bereiche aus Sicht der Patienten und des Psychiaters, die allenfalls als sekundäre Outcome-Parameter in „efficacy trials“ einbezogen werden.

Phase-IV-Studien/„Anwendungsbeobachtungen“

Andererseits führen Hersteller von Antipsychotika häufig Phase-IV-, „post-marketing“-Studien oder Anwendungsbeobachtungen durch, bei denen die Einschlusskriterien deutlich weiter gefasst sind. Teilweise handelt es sich um Studien, bei denen Sicherheitsfragen geklärt werden – teilweise handelt es sich eher um Marketing-Maßnahmen der Hersteller mit geringem wissenschaftlichem Wert. Gelegentlich werden bei Phase-IV-Studien Substanzen mit „üblicher Behandlung“ verglichen, so dass der Nutzen eines Präparates in der klinischen Routine deutlich werden kann. Dabei werden meist größere Patientengruppen untersucht, die den Patientenkollektiven, bei denen ein Präparat letztlich zur Anwendung gelangt, recht nahe kommen. Ebenso sind bei Phase-IV-Studien die Vorgaben zur Dosierung weniger einschränkend als bei Phase-III-Prüfungen, in denen üblicherweise fixe Dosierungen oder Dosisbereiche vorgegeben werden. Allerdings leiden die aus Phase-IV-Studien gewonnenen Daten typischerweise darunter, dass meist kein Vergleich mit Referenzsubstanzen vorliegt und die gemessenen Parameter meist so gewählt werden, dass die spezifischen Vorteile der jeweiligen Substanz in den Mittelpunkt gerückt werden [8].

„Practical clinical trials“

„Practical clinical trials“, auch als „pragmatic clinical trials“ oder „large, simple trials“ bezeichnet, stehen gewissermaßen zwischen Phase-III- und Phase-IV-Prüfungen [24]. Ähnlich Phase-IV-Prüfungen werden zugelassene Substanzen verglichen. Dabei wird – wie bei Phase-III-Studien – die Behandlung doppelblind und randomisiert-kontrolliert durchgeführt. In der Regel werden einfache Endpunkte untersucht, die zur Beantwortung relevanter klinischer Fragen dienen. Die bislang durchgeführten Studien, insbesondere die Clinical Antipsychotics Trials of Intervention Effectiveness (CATIE) [25], sind öffentlich finanziert und dienen dazu, Informationen über bedeutsame patientenrelevante Effekte der Medikamente zu erlangen [23]. Die Ein- und Ausschlusskriterien der CATIE-Studien waren jedoch praxisnah weit gefasst, so dass die Ergebnisse durchaus für den klinischen Anwender und seine Patienten übertragbar sind.

Naturgemäß kommen für „practical clinical trials“ nur Patienten in Frage, deren klinischer Zustand und aktuelle Behandlungsumstände mit randomisierter Behandlung vereinbar sind. Ebenso werden in diesen Studien Einzelinterventionen verglichen, so dass Effekte von Polypharmazie nicht in „practical clinical trials“ abgebildet werden können.

Spontanmeldesysteme

Spontanmeldesysteme, beispielsweise über die Bundesärztekammer oder entsprechende Vereine (z.B. AMSP; [12]), sind sicher geeignet, ungewöhnliche und ausgeprägte unerwünschte Arzneimittelwirkungen bei mono- und polypharmazeutischer Behandlung zu erfassen. Allerdings muss angenommen werden, dass die Inzidenz der Nebenwirkungen bei Spontanmeldung unterschätzt wird und insbesondere leichtgradige „subdiagnostische“ Auffälligkeiten nicht erfasst werden.

Fallberichte/Fallserien

Daten, die aus Fallserien und Fallberichten gewonnen werden, entbehren naturgemäß einer Kontrolle. Daher sind diese Daten gelegentlich zur Generierung von Hypothesen von Vorteil, können jedoch niemals Hypothesen bestätigen.

Fall-Kontroll-Studien

Im Bereich der Psychopharmakologie dienen Fall-Kontroll-Studien meist dazu, die Häufigkeit bestimmter Nebenwirkungen zu untersuchen. Das bedeutet, dass zu Indexpatienten mit einem bestimmten Ereignis, beispielsweise einer Nebenwirkung, Kontrollpatienten gesucht werden. Durch retrospektive Analyse kann dann die Bedeutung eines Einflussfaktors, beispielsweise eines Medikaments, auf dieses Ereignis abgeschätzt werden [15].

Polypharmazie mit Antipsychotika

Polypharmazie mit Antipsychotika ist bei schizophrenen Patienten eine Behandlungsrealität, die bedauerlicherweise fast jeglicher Evidenz entbehrt [17]. Während einige wenige Kombinationen von Antipsychotika der zweiten Generation („second generation antipsychotics“, SGAs) untersucht sind [28], sind häufig angewandte Kombinationen zwischen Antipsychotika der ersten („first generation antipsychotics“, FGAs) und zweiten Generation sowie deren Polypharmazie mit so genannten niederpotenten Antipsychotika fast ohne jede Evidenz [26]. Neuere Daten zeigen, dass in Europa Zweitgenerations-Antipsychotika bei 24 bis 28% aller Patienten mit Erstgenerations-Antipsychotika kombiniert werden, selbst wenn so genannte niederpotente Antipsychotika nicht berücksichtigt werden [5]. Ältere Daten zu deutschen Verordnungsgewohnheiten zeigen, dass langfristige Kombinationstherapie mit Antipsychotika sowohl häufig mit Kombinationen aus zwei Zweitgenerations-Antipsychotika (21%), Kombination von Erstgenerations- und Zweitgenerations-Antipsychotikum (52%), aber auch Kombination von Antipsychotika und Antidepressiva (38%) sowie Antipsychotika mit kardiovaskulären Pharmaka (80%) einhergeht [13]. Dabei gelten Positivsymptome sowie manische oder gereizte Symptome als Prädiktoren für Polypharmazie [4]. Es ist also vollkommen zweifelsfrei, dass Polypharmazie von Antipsychotika sowie Kombinationen von Antipsychotika mit anderen Psychopharmaka eher die Regel als die Ausnahme in der Behandlungsrealität darstellen. Diese Polypharmazie ist bislang weder Evidenz-basiert noch bezüglich Nutzen und Sicherheit geprüft.

Ziele der CATS

In einer jüngeren Übersichtsarbeit zu Studiendesigns klinischer Studien mit Antipsychotika [24] fassen die Autoren folgende Wissenslücken zusammen, die einer dringenden Klärung durch klinische Studien bedürfen: 1. es gibt kaum Evidenz für die Wirksamkeit von Kombinationstherapien; 2. es gibt kaum Daten zur längeren Anwendung von Antipsychotika bei weniger eng fokussierten Patientenpopulationen.

Vor diesem Hintergrund hat die Studie Clinical Analysis of the Treatment of Schizophrenia (CATS) das Ziel, patientenrelevantes Wissen zur Therapie mit Antipsychotika zu gewinnen. CATS soll an einer repräsentativen, praxisnahen Stichprobe von Patienten mit Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis die pharmakologische Behandlungsrealität abbilden und den Gesamtnutzen der Behandlung in einem Mehrebenenansatz bezüglich Psychopathologie, Nebenwirkungen, kognitiver Funktion, Lebensqualität, sexuellen Funktionen, metabolischen Parametern und QTc-Zeit untersuchen.

Methodik

Zielparameter (Tab. 1)

Tab. 1. Zielparameter von CATS

Zielparameter

Methode

Modul-Betreuer

Psychopathologie

Brief Psychiatric Rating Scale (BPRS),
Clinical Global Impressions (CGI)

Niels Bergemann

Motivation zur spezifischen Therapiewahl

Kurzfragebogen

Niels Bergemann

Nebenwirkungen

Dose Record and Treatment Emergent Symptom Scale (DOTES)

Jutta Kammerer-Ciernioch

Kognitive Funktion

Dual Task, auditorischer Arbeitsgedächtnistest,
Trail Making Text (TMT A, TMT B)

Matthias Weisbrod

Lebensqualität

Quality of Life in Schizophrenia (QLiS)

Michael Franz

Sexualität

Arizona Sexual Experience Scale (ASEX), Sexualanamnese, fakultativ: Derogatis-Fragebogen

Marion Lautenschlager

Metabolisches Syndrom

ATP-III-Kriterien, HbA1c

Michael Deuschle

QTc-Zeit

QTc-Zeit und aktueller Kaliumspiegel

Florian Lederbogen

In der CATS-Studie soll mit möglichst begrenztem Aufwand die Diagnose valide erfasst sowie Ausprägungen, Schweregrad und Verlauf der Psychopathologie ebenso wie Nebenwirkungen durch Fremdrating beurteilt werden. Ferner sollen die verordneten Medikamente und eventuelle Änderungen mitsamt einer ärztlichen Begründung erhoben werden.

Da bislang kognitive Störungen überwiegend in hochselektierten Patientenkollektiven untersucht wurden, wird CATS wohl die erste Studie sein, in der kognitive Störungen bei einem vollständig unselektierten, teils wohl polypharmazeutisch behandeltem Kollektiv von Patienten mit Schizophrenie untersucht werden. Dies bietet nicht nur die Möglichkeit zu prüfen, welche Medikamente mit Veränderungen kognitiver Funktionen einhergehen, sondern zusätzlich zu untersuchen, ob Polypharmazie die vermeintlich günstigen Effekte von Zweitgenerations-Antipsychotika aufhebt und für welche Kombinationen dies gegebenenfalls zutrifft. Dies erscheint wichtig, da kognitive Funktionen als wesentlicher Faktor für die funktionelle Prognose gelten [11], jedoch bislang kaum in naturalistischen Kollektiven untersucht wurden.

Ebenso haben wir Lebensqualität als für Patienten wesentlichen Parameter, der durch Psychose einerseits und Antipsychotika andererseits beeinflusst wird [2], in die Studie einbezogen. Neuere Forschungsergebnisse zeigen, dass Lebensqualitätsurteile schizophrener Patienten durch Adaptationsprozesse beeinflusst werden [9]. Darüber hinaus sind die gängigen Lebensqualitätsinstrumente nicht Schizophrenie-spezifisch und ihre Ergebnisse schwer interpretierbar [10, 21]. Daher wurde für die vorliegende Studie eine neue, schizophreniespezifische Lebensqualitätsskala verwendet [19].

Sexuelle Dysfunktion ist vermutlich eine häufige, jedoch nur begrenzt untersuchte Störung bei schizophrenen Patienten und bei antipsychotischer Medikation [16], die uns bedeutsam schien im Rahmen von CATS zu untersuchen. Unterschiedliche Störungen der sexuellen Funktion können sowohl primär krankheitsbedingt als auch sekundär medikationsbedingt auftreten und stellen häufig einen Anlass zu Incompliance vonseiten der Patientinnen und Patienten gegenüber einer antipsychotischen Medikation dar.

Schließlich haben wir die Parameter des metabolischen Syndroms sowie die QTc-Zeit berücksichtigt, die als wesentliche Risikovariablen für die kardiovaskuläre Übersterblichkeit gelten und zugleich durch einzelne Antipsychotika unterschiedlich beeinflusst werden [1]. Bezüglich möglicher Nebenwirkungen auf Ebene von Laborwerten beschränkt sich CATS auf die Parameter des metabolischen Syndroms (Glucose, HDL- und LDL-Cholesterol, Triglyceride) sowie zusätzlich HbA1c, das uns als geeigneter Parameter für ambulante Patienten erscheint, bei denen keine Nüchternblutentnahme erlangt werden kann. Die Darstellung von Effekten einzelner Antipsychotika und insbesondere der Kombination von Psychopharmaka bei Polypharmazie auf metabolische Funktionen lässt erwarten, dass praxisnahe Schlussfolgerungen zu günstigen und ungünstigen Medikamentenkombinationen gezogen werden können. Neben Gewicht und Taillenumfang sollen, wenn möglich, die QTc-Zeit aus dem EKG und – falls vorhanden – ein aktueller Kaliumwert dokumentiert werden.

Einschluss- und Ausschlusskriterien

Wie bereits dargelegt, ist die Übertragbarkeit von Daten aus Phase-III-Studien auf den klinischen Alltag meist durch die engen Ein- und Ausschlusskriterien unmöglich. Dieser Mangel zeigt sich eindrücklich darin, dass Vorteile von Zweitgenerations- gegenüber Erstgenerations-Antipsychotika, die sich in Phase-III-Prüfungen zeigten, einer Überprüfung in so genannten „practical clinical trials“, die eher Patientengruppen mit typischen psychiatrischen und internistischen Komorbiditäten rekrutierten, nicht standhielten. Beispielsweise konnte Überlegenheit von Zweitgenerations- gegenüber Erstgenerations-Antipsychotika hinsichtlich Wirkung auf Positiv- und Negativsymptomatik sowie kognitiver Funktionen in CATIE nicht bestätigt werden.

In CATS können hingegen alle Patienten mit einer Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis, definiert als ICD-10-F2-Diagnose, eingeschlossen werden (Tab. 2). Einziges Kriterium ist eine stabile psychopharmakologische Einstellung mit mindestens einem Antipsychotikum für den ambulanten Arm der Studie. Der stationäre Arm der Studie fordert als einziges zusätzliches Kriterium, dass die antipsychotische Behandlung geändert wird (Wieder-Eindosierung einer unregelmäßig eingenommenen Vorbehandlung, Dosisänderung, Wechsel des Präparats, zusätzliches Antipsychotikum). Die Behandlung ist – im Gegensatz zu Phase-III- oder -IV-Studien – nicht auf bestimmte Antipsychotika eingeschränkt. Vielmehr soll unabhängig von der ärztlichen Entscheidung möglichst jeder Patient eingeschlossen werden, um erstmalig ein repräsentatives Bild der Behandlungsrealität in Deutschland zu gewinnen.

Tab. 2. Übliche Ausschlusskriterien und Limitationen bei verschiedenen Studiendesigns

Phase III

Practical
clinical trial

Phase IV

CATS

Alter <18

Ja

Ja

Ja

Ja

Fehlende Einwilligungsfähigkeit

Ja

Ja

Ja

Ja

Somatische Komorbidität

Ja

Nein

Nein

Nein

Psychiatrische Komorbidität

Ja

Nein

Nein

Nein

Substanzmissbrauch oder
-abhängigkeit

Ja

Nein

Ja/Nein

Nein

Patient nicht geeignet o. bereit für randomisierte Therapie

Ja

Ja

Nein

Nein

Einschränkung auf bestimmte Präparate

Ja

Ja

Ja

Nein

Vorgegebener Dosisbereich

Ja

Nein

Ja/Nein

Nein

Polypharmazie untersagt

Ja

Ja

Ja

Nein

Vorgabe des Settings
(stationär vs. ambulant;
tertiär vs. primäre Versorgung)

Ja

Nein

Ja

Nein

Vorgabe eines Schweregrads

Ja

Nein

Ja

Nein

Angestrebte Fallzahlen

300–400

>500
(z.B. CATIE, n=1493)

1000

6000

Übliche Dauer der Therapie

6 Wochen

<18 Monate

Variabel

4 Wochen

Kontrolle

Referenz-Substanz

Referenz-Substanz

Meist keine

Keine

Studiendesign

Randomisiert

Randomisiert

Offen

Offen

Endpunkt

Symptome, Nebenwirkungen, Response, Remission

Dauer bis zum Therapie-Abbruch

Symptome,
Nebenwirkungen

Multipel

Einzige Ausschlusskriterien sind Alter unter 18 Jahren sowie fehlende Einwilligungsfähigkeit.

Durchführung

Die Studie CATS wurde angeregt von Pfizer Deutschland. Jedoch wurde auf die Modulleiter (s. Tab. 1) keinerlei Einfluss bezüglich der Auswahl von Items und Methoden genommen. Es ist erwünscht, dass völlig unabhängig von der Verordnung des Antipsychotikums der Firma Pfizer oder „üblicher“ Ein- und Ausschlusskriterien jedweder schizophrene Patient mit Therapieänderung (mindestens 2 Messzeitpunkte) oder ohne Therapieänderung (mindestens 1 Messzeitpunkt) eingeschlossen wird.

Alle Daten, die durch den Arzt oder das Assistenzpersonal gewonnen werden, werden über einen zur Verfügung gestellten PC eingegeben. Fragebögen und kognitive Tests werden seitens des Patienten über einen Palm eingegeben. Sämtliche Daten, inklusive der Laborwerte (Zentrallabor: Labor Limbach, Heidelberg), werden anonymisiert über die Firma StatConsult den teilnehmenden Ärzten unmittelbar für die Behandlung zur Verfügung gestellt.

CATS soll mindestens 6000 Patienten mit Schizophrenie einschließen.

Davon sollen rund 3000 Patienten bei einer Änderung der antipsychotischen Medikation untersucht werden (Wieder-Eindosierung, Dosiserhöhung, Wechsel oder Kombination des Präparats). Diese Patienten sollen zum Zeitpunkt der Medikamentenänderung (±3 Tage) sowie erneut nach 4 bis 6 Wochen beurteilt werden. Diese im Verlauf untersuchte Gruppe wird überwiegend in psychiatrischen Kliniken rekrutiert werden.

Zusätzlich sollen rund 3000 Patienten mit stabiler Medikation (≥6 Wochen keine Änderung) untersucht werden. Diese Patientengruppe muss mindestens zu einem Zeitpunkt vollständig untersucht werden.

Nutzen von CATS

Bislang wird Wissen zur Behandlung schizophrener Patientinnen und Patienten überwiegend in spezialisierten Zentren generiert und dann in Form von Studien und Behandlungsleitlinien den klinisch praktizierenden Psychiatern zur Verfügung gestellt. Die Diskrepanz zwischen Leitlinien und Behandlungsrealität, beispielsweise bezüglich Polypharmazie, ist unseres Erachtens Folge des unterschiedlichen Settings von Forschung und Anwendung sowie Folge praxisferner Ein- und Ausschlusskriterien der meisten klinischen Studien.

CATS versucht hier die Verhältnisse zu ändern, indem der klinisch praktizierende Psychiater (der „Anwender“ von Studiendaten und Leitlinien) selbst Daten gewinnt.

Zusätzlich wird den Ärzten ein PC- und Palm-gestütztes Instrument zur Verfügung gestellt, das praxisrelevante Untersuchungsinstrumente enthält und bei ihren Patienten beliebig oft angewandt werden kann. Die Software erlaubt eine praxisfreundliche Darstellung der Patientendaten sowie ein Benchmarking im Vergleich zu anderen Studienärzten.

Durch die Studie wird die leitliniengetreue Anwendung von metabolischen Untersuchungen [1] ermöglicht. Zusätzlich wird die Aufmerksamkeit des behandelnden Psychiaters auf Bereiche gelenkt, die häufig zu Unrecht wenig Beachtung erfahren (Kognition, Lebensqualität, Sexualität) (Tab. 3).

Tab. 3. Nutzen für die Studienärzte

Dokumentation

Daten, Tests stehen unmittelbar für Benchmarking zur Verfügung

Laboruntersuchungen

Kostenloses leitliniengerechtes metabolisches Labor

Datenanalyse

Es werden praxisrelevante, wissenschaftliche Daten zu „ihren“ Patienten gewonnen

Vorbehaltlich einer zusätzlichen Aufklärung (Zusatzstudie: CATS-GENES und TDM) werden die eingesandten Seren nicht nur für Bestimmungen von Glucose, Triglyceriden, Cholesterol und HbA1c verwandt. Mit freundlicher Unterstützung der Firma Labor Limbach werden Seren und Zellen für weitere Untersuchungen, etwa zur Pathophysiologie metabolischer Störungen, Plasmaspiegeln der Medikamente und für genetische Analysen verwahrt. Es ist unser Ziel, diese zusätzlich möglichen Analysen für praxis- und anwendungsnahe Fragen einzusetzen.

Diskussion

CATS ist eine pharmakoepidemiologische Studie für psychiatrische Praxis und Klinik, die der Evaluation der Behandlungsrealität schizophrener Patienten in Deutschland dient. In einem Mehrebenenansatz soll bei unselektierten Patienten der Behandlungserfolg im Sinne von Psychopathologie, Nebenwirkungen, Lebensqualität, Kognition, Sexualität, metabolischen Störungen sowie QTc-Zeit im Kontext von praxisrelevanten Bedingungen von Multimorbidität und Polypharmazie evaluiert werden. CATS bietet damit die Möglichkeit, dass Psychiater und Nervenärzte in der Versorgung schizophrener Patienten selbst zu den wissenschaftlichen Daten beitragen, die zur Evaluation der Therapie ihrer multimorbiden und polypharmazeutisch behandelten Patienten dringend notwendig sind. Gleichermaßen stellt CATS eine methodische Plattform und Instrumente zur Verfügung, die dem Arzt – über den eigentlichen Studienzweck hinaus – in der Versorgung und Dokumentation behilflich sein können.

Zunächst wird die CATS-Studie ein repräsentatives Abbild der Behandlungsrealität schizophrener Patienten in Deutschland ermöglichen. Bei einer Lebenszeitprävalenz schizophrener Psychosen von 1% entspricht die Zielgröße von 6000 Patienten etwa 1% der schizophrenen Patienten in Deutschland. Diese Daten scheinen uns bedeutsam für die Versorgungsforschung. Selbstverständlich kann zusätzlich die Wahrscheinlichkeit bestimmter Endpunkte (Tab. 1) zwischen unterschiedlichen Behandlungsgruppen (z.B. Polypharmazie – Monotherapie; Präparat A vs. Präparat B) oder Patientengruppen verglichen werden. Natürlich erlaubt dieser Ansatz einer Fall-Kontroll-Studie nur die Generierung von Hypothesen zur Behandlung und nicht die Prüfung von A-priori-Hypothesen.

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Michael Deuschle, Zentralinstitut für Seelische Gesundheit, J5, 69159 Mannheim, E-Mail: michael.deuschle@zi-mannheim.de Niels Bergemann, Verhaltensmedizinisches Zentrum – Kliniken Daun, Schulstr. 6, 54550
Daun Jutta Kammerer-Ciernioch, Psychiatrisches Zentrum Nordbaden, Heidelberger Str. 1a, 69168 Wiesloch
Michael Franz, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie Merxhausen, Landgraf-Philipp-Str. 9, 34308 Bad Emstal, Universitätsklinikum Gießen-Marburg, Standort Gießen, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, 35385 Gießen
Marion Lautenschlager, Campus Charité Mitte, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Charitéplatz 1, 10117 Berlin
Florian Lederbogen, Zentralinstitut für Seelische Gesundheit, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, J 5, 68159 Mannheim
Matthias Weisbrod, Universitätsklinikum Heidelberg, Klinik für Allg. Psychiatrie, Zentrum für Psychosoziale Medizin, Voßstr. 4, 69115 Heidelberg und SRH-Klinikum Karlsbad-Langensteinbach, Guttmannstr. 1, 76307 Karlsbad
Mathias Brosz, Jan Reichmann, StatConsult, Goethestraße 1, 39108 Magdeburg Jürgen Umbreit, Pfizer Pharma GmbH, Postfach 4949, 76032 Karlsruhe

Clinical analysis of the treatment of schizophrenia, CATS: rationale of a pharmacoepidemiological study on the quality of treatment of schizophrenia

Current knowledge on the treatment of schizophrenia is mainly based on the results of industry-initiated phase III trials. Transfer of these methodologically sound studies to everyday clinical practice and the „real life” treatment of schizophrenia is limited, however, since inclusion and exclusion criteria are generally very narrowly focussed. Even „practical clinical trials”, like CATIE, using broader inclusion and exclusion criteria, are hard to extrapolate to treatment settings in Germany, since a great number of German patients with schizophrenia are treated polypharmaceutically. The CATS study aims at characterizing a large and representative number of patients with schizophrenia with respect to psychopathology, complete medication, side effects, cognitive function, quality of life, sexual function as well as metabolic parameters and QTc-time. The study will be carried out in 100 centers providing in- and out-patient care. CATS will not only yield representative data for the care of schizophrenic patients, but additionally offer the opportunity to generate hypotheses about the effects of antipsychotic polypharmacy in case-control studies.

Keywords: Study design, antipsychotics, epidemiology

Psychopharmakotherapie 2008; 15(04)