Verzögerte Hyponatriämie unter Duloxetin


Ein Fallbericht

Christian Harter, Cosima Obier und Bernd Eikelmann, Karlsruhe

Hyponatriämien sind als Nebenwirkungen psychopharmakologischer Therapien bekannt. Insbesondere unter den Antiepileptika Carbamazepin und Oxcarbazepin, aber auch unter den SSRI wird ein Absinken des Natriumspiegels im Serum infolge eines Syndroms der inadäquaten ADH-Sekretion (SIADH) beobachtet. Wir berichten über einen 78-jährigen Patienten, der aufgrund einer depressiven Symptomatik mit Duloxetin 60 mg behandelt wurde. Sechs Wochen nach Behandlungsbeginn wurde der Patient mit einer erneuten schweren depressiven Symptomatik und einer deutlichen Verschlechterung des Allgemeinzustands stationär aufgenommen. Aufgrund einer Hyponatriämie (111 mmol/l) war vorübergehend eine intensivmedizinische Behandlung erforderlich. Duloxetin wurde abgesetzt, die Hyponatriämie ausgeglichen. Eine medikamentöse Umstellung auf Moclobemid war komplikationslos, der Patient konnte nach kurzem Aufenthalt nach Hause entlassen werden. Es wird die Entstehung einer Hyponatriämie unter einer Therapie mit Duloxetin aufgezeigt und mögliche Risikofaktoren werden diskutiert. Wir empfehlen, die Natriumserumspiegel auch unter SSNRI-Therapie regelmäßig zu kontrollieren.
Schlüsselwörter: Duloxetin, Hyponatriämie, SIADH, Risikofaktoren
Psychopharmakotherapie 2008;15:27–9.

Duloxetin (Cymbalta®) ist ein dual wirksamer Hemmer der neuronalen Wiederaufnahme von Serotonin und Noradrenalin. Nach Venlafaxin ist es das zweite Antidepressivum, das in Deutschland mit diesem speziellen Wirkungsmechanismus zugelassen wurde (selektive Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer, SSNRI). Mirtazapin wirkt ebenfalls auf beide Transmittersysteme, unterscheidet sich jedoch in seinem Wirkungsmechanismus grundlegend. Für Duloxetin besteht ferner eine Zulassung zur Behandlung von Schmerzen im Rahmen einer diabetischen Polyneuropathie. Zudem ist es unter der Arzneimittelbezeichnung Yentreve® zur Behandlung der Belastungsinkontinenz bei Frauen zugelassen. Neben einer antidepressiven Wirkung zeigt es einen deutlichen Effekt auf Angst- und Schmerzsymptome. Es besitzt keine klinisch relevante Affinität für cholinerge, adrenerge, histaminerge und dopaminerge Rezeptoren. Insgesamt wird der Substanz eine gute Verträglichkeit zugeschrieben [5].

Fallbeschreibung

Klinik

Der 78-jährige Patient wurde aufgrund einer depressiven Symptomatik mit Antriebsmangel, Freudlosigkeit, Ängsten, Unruhe und Interesselosigkeit aus einer dermatologischen Abteilung in unsere Klinik übernommen. Zusätzlich bestand bereits seit längerer Zeit eine körperliche Symptomatik mit Schmerzen, Zittern und Verdauungsproblemen ohne einen medizinischen Korrelatbefund. Wegen dieser körperlichen Symptomatik war er bereits im Vorfeld in der neurologischen und kardiologischen Abteilung stationär behandelt worden. Wegen der psychischen Beschwerden nahm der Patient bereits seit mehren Jahren Benzodiazepine ein.

Wir stellten bei der Aufnahme die Diagnosen einer schweren depressiven Episode (ICD 10: F32.2), einer undifferenzierten Somatisierungsstörung (ICD-10: F45.1) sowie eines Benzodiazepinmissbrauchs (ICD-10: F12.1). An körperlichen Vorerkrankungen lagen eine koronare Herzerkrankung, eine arterielle Hypertonie, eine chronische Niereninsuffizienz II. Grades (Creatinin 1,4–1,6 g/dl, Creatinin-Clearance ca. 50 ml/min), ein Arzneimittelexanthem, eine benigne Prostatahyperplasie sowie ein degeneratives LWS-Syndrom mit Schmerzsymptomatik vor. Zum Aufnahmezeitpunkt war der Patient mit einer umfangreichen internistischen Medikation mit einem Angiotensin-II-Rezeptorantagonisten (Valsartan 80 mg/d), einem Diuretikum (Hydrochlorthiazid 12,5 mg/d), einem Calciumantagonisten (Nitrendipin 20 mg/d), einem H2-Blocker (Pantoprazol 40 mg/d) sowie einem Spasmolytikum (Butylscopolamin 20 mg/d) behandelt worden. Wegen des Arzneimittelexanthems war von der Hautklinik ein Glucocorticoid (Prednisolon 10 mg/d), ein Antihistaminikum (Cetirizin 20 mg/d) sowie ein Antiurtikarium (Hydroxyzin 50 mg/d) verordnet worden. An psychiatrischer Vormedikation wurde ein Benzodiazepin (Diazepam 15 mg/d sowie zusätzlich bei Bedarf 5 mg/d) sowie ein niederpotentes Neuroleptikum (Melperon 25 mg/d) gegeben.

Therapie und Verlauf

Die depressive Symptomatik behandelten wir zu Beginn mit Escitalopram bis zu 10 mg/d, zudem gaben wir bis zu 20 mg/d Diazepam bei dem vorbestehenden Benzodiazepin-Abusus. Ferner erhielt der Patient aufgrund der ängstlichen und unruhigen Symptomatik Melperon bis zu 100 mg/d. Bei ausgeprägten Schlafstörungen setzten wir verschiedene Hypnotika (Zolpidem 10 mg/d, Zaleplon 10 mg/d), zuletzt Lormetazepam 2 mg/d ein. Aufgrund klinischer Hinweise für eine beginnende Demenz behandelten wir mit Donepezil 5 mg/d. Da fremdanamnestisch der Verdacht auf einen zerebralen Insult bestand sowie eine koronare Herzerkrankung vorlag, verabreichten wir außerdem eine Kombination aus Acetylsalicylsäure und Clopidogrel als Thrombozytenaggregationsprophylaxe.

Aufgrund der unzureichenden Besserung der depressiven Symptomatik und der Schmerzsymptomatik stellten wir von Escitalopram zuerst auf Reboxetin 4 mg/d, dann schließlich auf Duloxetin 60 mg/d um. Darunter kam es zu einer langsamen Besserung der depressiven Symptomatik und der Schmerzsymptomatik.

Bei der internistischen Medikation wurde der Calciumantagonist durch einen Betablocker ersetzt (Metoprolol 100 mg/d), sowie das Diuretikum verändert (Kombination mit Triamteren 50 mg/d und Hydrochlothiazid 25 mg/d). Zudem wurde das Spasmolytikum abgesetzt. Prednisolon wurde auf 5 mg/d und Diazepam auf 10 mg/d reduziert. Nach sieben Wochen stationärer psychiatrischer Behandlung erfolgte die Verlegung in eine orthopädische Rehaklinik. Zum Verlegungszeitpunkt befanden sich die Serumelektrolyte im Normbereich.

Vier Wochen nach der Entlassung aus unserer Klinik wurde der Patient mit einer erneuten schweren depressiven Symptomatik mit ausgeprägtem Antriebsmangel und einer deutlichen Verschlechterung des Allgemeinzustands stationär aufgenommen. Es bestand eine ausgeprägte Muskelschwäche. Aufgrund der bei Aufnahme festgestellten Hyponatriämie (Na+ 111 mmol/l) war vorübergehend eine intensivmedizinische Behandlung erforderlich. Als Ursache der Hyponatriämie wurde die Medikation mit Duloxetin angeschuldigt. Nach Ausgleich der Hyponatriämie und Absetzen von Duloxetin erfolgte die Weiterbehandlung in unserer Klinik. Eine medikamentöse Umstellung auf Moclobemid war komplikationslos, der Patient konnte nach kurzem Aufenthalt deutlich stabilisiert nach Hause entlassen werden.

Diskussion

Hyponatriämien sind als Nebenwirkungen pharmakologischer Therapien bekannt (Tab. 1). Insbesondere unter den Antiepileptika Carbamazepin und Oxcarbazepin, aber auch unter den selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmern (SSRI) wird ein Absinken des Natriumspiegels infolge eines Syndroms der inadäquaten Sekretion des antidiuretischen Hormons (SIADH) beobachtet [3]. Es gibt unterschiedliche Angaben zur Prävalenz, insgesamt scheint die Häufigkeit einer Hyponatriämie unter SSRI unter 1% der Behandlungen zu liegen [3, 12], wobei sie nach anderen Angaben in der Literatur bei älteren Patienten höher ist [6, 8]. Bei Antidepressiva mit anderem Wirkungsmechanismus ist die Prävalenz vergleichsweise geringer [3]. Auch unter dem selektiven Serotonin- und Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SSNRI) Venlafaxin, einem Medikament mit dem gleichen Wirkungsmechanismus wie Duloxetin, können Hyponatriämien auftreten [3, 8]. Zu Hyponatriämien während einer Therapie mit Duloxetin gibt es in der Literatur nur wenige Fallberichte [10], jedoch wird auf diese mögliche Nebenwirkung in der Fachinformation hingewiesen [4].

Tab. 1. Medikamentöse Ursachen eines SIADH

Psychopharmaka

– Antidepressiva: SSRI, SSNRI, NSMRI (nichtselektive Monoamin-Wiederaufnahmehemmer [Trizyklika])

– Neuroleptika: z.B. Haloperidol, Thioridazin, Aripiprazol

– Antikonvulsiva: Carbamazepin, Oxcarbazepin, Valproinsäure

– Entwöhnungsmittel: Bupropion

Sonstige

– z.B. Hydrochlorothiazid, Triamteren, Methyldopa, Tolbutamid, Zytostatika

Zu den Risikofaktoren für die Ausbildung eines SIADH bei SSRI-Therapie zählen hohes Lebensalter, weibliches Geschlecht, eine internistische Begleitmedikation, niedriges Körpergewicht sowie ein niedriger Natriumwert vor der Behandlung [6, 7, 9, 12]. Bei unserem Patienten lag ein hohes Lebensalter vor, zudem wurde aufgrund der Multimorbidität eine vielfältige internistische Begleitmedikation verabreicht. Im Vorfeld bestand bereits eine Medikation mit einem Thiaziddiuretikum, die aber nicht zu einer ausgeprägten Hyponatriämie geführt hatte. Der Natriumserumspiegel lag zu Beginn im unteren Normbereich (130–136 mmol/l). Gerade die Kombination eines Antidepressivums mit einem Thiaziddiuretikum scheint die Prävalenz eines SIADH zu erhöhen [6, 11]. Dabei kommt es durch das Thiaziddiuretikum neben der erhöhten ADH-Sekretion zusätzlich wegen des renalen Verlusts von Natriumionen zu einer Hyponatriämie.

Typischerweise tritt eine Hyponatriämie in den ersten drei Behandlungswochen auf [9, 12], aber auch eine spätere Manifestation ist möglich [1]. Zum Verlegungszeitpunkt waren die Serumelektrolyte bei unserem Patienten ebenso im Normbereich wie während der anschließenden Rehabehandlung. Die Hyponatriämie wurde erst sechs Wochen nach Beginn der Behandlung mit Duloxetin festgestellt. Bei der Wiederaufnahme waren neben der depressiven Symptomatik die Verschlechterung des Allgemeinzustands mit Schwäche, Apathie und Muskelzittern auffallend. Diese Symptome sind als klinische Zeichen der Hyponatriämie bekannt (Tab. 2) [2].

Tab. 2. Symptome der Hyponatriämie

Kopfschmerzen

Muskelschwäche

Lethargie

Krampfanfälle

Muskelkrämpfe

Papillenödem

Desorientierung

Pyramidenbahnzeichen

Halluzinationen

Koma

Als Therapieoption steht das Absetzen des verursachenden Medikaments an erster Stelle, je nach klinischem Bild und Natriumspiegel muss Natrium substituiert werden. Dabei sollten die Blutspiegel wegen der Gefahr der pontinen Myelinolyse [2] nicht zu schnell angepasst werden.

Ob unter einer Therapie mit Duloxetin eher mit einem späteren Auftreten einer Hyponatriämie zu rechnen ist, kann zurzeit nicht beantwortet werden. Wir empfehlen jedoch, die Natriumserumspiegel nicht nur während einer Therapie mit einem SSRI, sondern auch bei SSNRI regelmäßig zu kontrollieren, dies insbesondere beim Vorliegen zusätzlicher Risikofaktoren. Zudem sollte die Kontrolle längerfristig erfolgen, insbesondere auch bei einer Verschlechterung des körperlichen Befindens.

Literatur

1. Arinzon ZH, Lehman YA, Fidelman ZG, Krasnyansky II. Delay recurrent SIADH associated with SSRIs. Ann Pharmacother 2002;36:1175–7.

2. Classen M, Diehl V, Kochsiek K (editors). Innere Medizin. München; Wien; Baltimore: Urban und Schwarzenberg, 2005:1731–3.

3. Degner D, Grohmann R, Kropp S, Ruther E, et al. Severe adverse drug reactions of antidepressants: results of the German multicenter drug surveillance program AMSP. Pharmacopsychiatry 2004;37(Suppl 1):39–45.

4. Fachinformation Cymbalta® 30 mg/60 mg Hartkapseln, November 2006.

5. Hiemke C, Hampel C, Weigmann H. Pharmakologie von Duloxetin. Eine therapeutische Option für verschiedene Indikationen. Psychopharmakotherapie 2006;1:12–8.

6. Jacob S, Spinler SA. Hyponatraemia associated with selective serotonin-reuptake inhibitors in older adults. Ann Pharmacother 2006;40:1618–22.

7. Kirby D, Ames D. Hyponatraemia and selective serotonin re-uptake inhibitors in elderly patients. Int J Geriatr Psychiatry 2001;16:484–93.

8. Kirby D, Harrigan S, Ames D. Hyponatraemia in elderly psychiatric patients treated with selective serotonin reuptake inhibitors and venlafaxine: a retrospective controlled study in an inpatient unit. Int J Geriatr Psychiatry 2002;17:231–7.

9. Liu BA, Mittmann N, Knowles SR, Shear NH. Hyponatraemia and the syndrome of inappropriate secretion of antidiuretic hormone associated with the use of selective serotonin reuptake inhibitors: a review of spontaneous reports. Can Med Assoc J 1996;155:519–27.

10. Maramattom BV. Duloxetine-induced syndrome of inappropriate antidiuretic hormone secretion and seizures. Neurology 2006;66:773–4.

11. Rosner MH. Severe hyponatraemia associated with the combined use of thiazide diuretics and selective serotonin reuptake inhibitors. Am J Med Sci 2004;327:109–11.

12. Wilkinson TJ, Begg EJ, Winter AC, Sainsbury R. Incidence and risk factors for hyponatraemia following treatment with fluoxetine or paroxetine in elderly people. Br J Clin Pharmacol 1999;47:211–7.

Dr. med. Christian Harter, Dr. med. Cosima Obier, Prof. Dr. med. Bernd Eikelmann, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin, Städtisches Klinikum Karlsruhe, Kaiserallee 10, 76133 Karlsruhe, E-Mail: christian.harter@klinikum-karlsruhe.com

Delayed hyponatremia under duloxetine – a case report

Hyponatraemias are well-known as side effects of psychopharmacological therapies, particularly occurring under the anticonvulsive compounds carbamazepine and oxcarbazepine. Lowered sodium levels in the context of the application of SSRIs can be seen as a consequence of the syndrome of inadequate ADH secretion (SIADH). We report on a 78-year old depressed patient, who was successfully treated with duloxetine 60 mg/d. Six weeks later the patient was readmitted with a severe depressive symptomatology and a clear deterioration of his general condition. Due to a hyponatraemia (sodium 111 mmol/l) intensive-medical treatment was necessary temporarily. Duloxetine was withdrawn, and the hyponatraemia was balanced. The switch to moclobemide was tolerated without any problems; the patient could be discharged after a short stay. Possible risk factors for the observed hyponatraemia (e.g. age, parallel internal medication with thiazide diuretics, initial low sodium levels) are discussed. It is recommended to control the sodium serum levels repeatedly not only under SSRI but also under SSNRI.

Keywords: Duloxetine, hyponatraemia, SIADH, risk factors

Psychopharmakotherapie 2008; 15(01)