Epilepsie

Niedrig dosierte Topiramat-Monotherapie häufig ausreichend


Bettina Martini, Memmingen

Topiramat ist wirksam in der Behandlung der Epilepsie sowohl mit fokalen als auch generalisierten Anfällen. Die Erfahrungen zeigen, dass eine Monotherapie im Dosisbereich von 50 bis 100 mg bei vielen Patienten bereits ausreicht. Auch nach Versagen einer anderen initialen Therapie kann eine Topiramat-Monotherapie ausreichend sein.

Topiramat (Topamax®) ist seit dem Jahr 2001 zugelassen zur Monotherapie aller Epilepsiesyndrome und Anfallstypen für Erwachsene und Kinder ab dem 2. Lebensjahr. Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie empfiehlt Topiramat als ein Mittel der ersten Wahl zur Monotherapie einer Epilepsie (siehe Kasten).

Klinische Wirksamkeit von Topiramat

Topiramat wurde in mehreren randomisierten, kontrollierten Monotherapiestudien bei insgesamt mehr als 1000 Patienten untersucht [1].

Bei 470 Patienten mit neu oder kürzlich diagnostizierter Epilepsie im Alter von 6 bis 83 Jahren wurde eine niedrig dosierte Topiramat-Monotherapie (50 mg/d) mit einer hoch dosierten verglichen (400 mg/d). Mit der 50-mg-Dosierung waren nach 6 Monaten noch 71% der Patienten und nach 12 Monaten noch 59% der Patienten anfallsfrei, bei der höheren Dosierung waren es 83% und 76% [2]. In einer weiteren Studie mit etwa 250 Patienten im Alter von 6 bis 85 Jahren mit fokalen Epilepsien waren nach 6 Monaten noch 39% mit einer Topiramat-Tagesdosis von 25 bis 50 mg (in Abhängigkeit vom Körpergewicht) und 54% bei einer Dosierung von 500 mg Topiramat anfallsfrei [3] (Tab. 1).

Tab. 1. Übersicht zu Studienergebnissen mit Topiramat-Monotherapie

Studien

Topiramat-Dosis [mg/d]

Patienten

Anfallstypen

Anfallsfreie Patienten nach 6 Monaten

Arroyo et al. [2]

50 vs. 400

234 bzw. 236

Fokal/generalisiert tonisch klonisch

71 % vs. 83 %

Gilliam et al. [3]

50 vs. 500

125 bzw. 127

Fokal

39 % vs. 54 %

Privitera et al. [4]

100 vs. 200
(vs. Valproinsäure vs. Carbamazepin)

210 bzw. 190

Alle

49 % vs. 44 %

Ein Vergleich von Topiramat (100 oder 200 mg/d) mit Valproinsäure (z.B. Convulex®, 1250 mg/d) und Carbamazepin (z.B. Tegretal®, 600 mg/d) ergab, dass die Wirksamkeit mindestens gleichwertig ist [3]. Ein vorzeitiger Studienabbruch aufgrund von Nebenwirkungen war dabei in der niedrig dosierten Topiramat-Gruppe am seltensten (19% vs. 28% in der höher dosierten Gruppe vs. 25% in der Carbamazepin- und 23% in der Valproinsäure-Gruppe).

Umstellung auf eine zweite Monotherapie

Die initiale antikonvulsive Therapie wird in der Praxis überwiegend mit traditionellen Antikonvulsiva durchgeführt. Bei etwa 50% der Patienten muss die Therapie jedoch umgestellt werden, weil sie nicht ausreichend wirkt oder nicht vertragen wird. In einer offenen deutschen Studie wurden 147 Patienten im mittleren Alter von 42 Jahren, die zunächst mit Valproinsäure behandelt worden waren, aufgrund mangelnder Wirksamkeit oder Verträglichkeit auf Topiramat umgestellt. Im Mittel lag die Erstdiagnose der Epilepsie zum Zeitpunkt der Therapieumstellung bereits 9 Jahre zurück. Rückblickend hatten 12 Wochen vor der Umstellung 77% der Patienten einen oder mehrere epileptische Anfälle erlitten. In den ersten 3 Monaten nach Umstellung der Therapie blieben 51% der Patienten anfallsfrei, 75% der Patienten erreichten eine mehr als 50%ige Anfallsreduktion. Die mediane Topiramat-Dosierung betrug am Ende der Studie 125 mg/d. Bei 70% der Patienten konnte eine Topiramat-Monotherapie durchgeführt werden [1].

Spezielle Erfahrungen bei älteren Patienten

Die Inzidenz der Epilepsie nimmt nach dem 60. Lebensjahr deutlich zu, daher sind ältere Patienten die am schnellsten wachsende Patientengruppe. Aufgrund von Komorbiditäten und potenziellen Wechselwirkungen ist die Therapie dieser Patienten eine besondere Herausforderung.

In einer Subgruppenanalyse einer offenen Anwendungsbeobachtung mit insgesamt 692 Patienten wurden Wirksamkeit und Verträglichkeit von Topiramat speziell bei über 65-jährigen Patienten (n=43) analysiert. Die Patienten waren multimorbide, 81% hatten internistische Begleiterkrankungen, die im Durchschnitt mit 5 Arzneimitteln behandelt wurden. Mehr als die Hälfte der Patienten hatten neurologische Begleiterkrankungen. Die mittlere Topiramat-Dosierung betrug 121 mg/d.

Nach einer mittleren Nachbeobachtungszeit von 7 Monaten waren 64% der Patienten anfallsfrei, bei 87% wurde eine Anfallsreduktion um mindestens 50% erreicht.

Die häufigsten Nebenwirkungen waren Parästhesien (21%), Schwindel (21%), Übelkeit (14%) und Appetitverminderung (14%). Das Körpergewicht nahm während der Studie signifikant ab, statistisch bedeutsam aber nur bei einem Körpermassenindex (BMI) von mehr als 25 kg/m2 und am stärksten in der Gruppe mit einem BMI von mehr als 30 kg/m2 [1].

Auszug aus den Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie [nach www.dgn.org]

• Ein erster epileptischer Anfall muss stets umfassend abgeklärt werden.

• Anamnese, Fremdanamnese, EEG und MRT sind die wichtigsten diagnostischen Methoden.

• Für die Ersteinstellung fokaler Epilepsien werden Carbamazepin, Gabapentin, Lamotrigin, Oxcarbazepin, Topiramat und Valproinsäure empfohlen.

• Es bestehen keine signifikanten Unterschiede bezüglich der Wirksamkeit der Mittel der ersten Wahl.

• Die Wahl des Medikaments richtet sich zunächst nach dem epileptischen Syndrom (fokal vs. idiopathisch generalisiert) und im Weiteren nach den Kriterien: Alter und Geschlecht, Komorbidität, zu erwartendes Nebenwirkungsspektrum des Medikaments, Komedikation, Kontrazeption, Kinderwunsch oder Schwangerschaft und Patientenwunsch.

• Topiramat ist in der Monotherapie ab 50 mg/d wirksam. 100 mg Topiramat pro Tag sind gleich gut wirksam wie 1250 mg Valproinsäure/Tag und 600 mg Carbamazepin/Tag.

In einer gepoolten Analyse von zwei Monotherapiestudien mit Topiramat [3, 4] wurden Verträglichkeit und Effizienz in verschiedenen Altersgruppen untersucht. Dabei zeigte sich, dass bei älteren Patienten Gangunsicherheit und Appetitverlust häufiger waren. Außerdem waren Übelkeit und Müdigkeit häufiger Gründe für einen Therapieabbruch als bei Jüngeren. Bei der kognitiven Verträglichkeit ergaben sich keine Unterschiede.

Einsatz von Topiramat

Topiramat hat ein breites Wirkungsspektrum und ist bei fokalen wie auch generalisierten Anfällen gut wirksam. Insbesondere, wenn eine klare ätiopathogenetische Zuordnung der Anfälle noch nicht möglich ist, bietet das breite Wirkungsspektrum von Topiramat Vorteile. Dies darf selbstverständlich nicht zu einem Verzicht auf eine exakte Diagnostik führen.

Die Erfahrungen zeigen, dass eine Monotherapie im Dosisbereich von 50 bis 100 mg/d bei vielen Patienten bereits ausreicht.

Quellen

1. Kurth C, et al. Stellenwert der niedrig dosierten Topiramat-Monotherapie von Epilepsien im Erwachsenenalter mit fokalen und generalisierten Anfällen. Akt Neurol 2007;34:276–82.

2. Arroyo S, et al. Randomized dose-controlled study of topiramate as first-ine therapy in epilepsy. Neurology 2003;60:196–202.

3. Gilliam FG, et al. A dose-comparison trial of topiramate as monotherapy in recently diagnosed partial epilepsy. Neurology 2003; 60:196–202.

4. Privitera MD, et al. Topiramate, carbamazepine and valproate monotherapy: double-blind comparison in newly diagnosed epilepsy. Acta Neurol Scand 2003;107: 165–75.

Psychopharmakotherapie 2008; 15(01)