Metaanalyse

Sind Cholinesterase-Hemmer bei Alzheimer-Krankheit unwirksam?


Prof. Dr. med. Hans Christoph Diener, Essen

Nach einer Metaanalyse von 22 Studien mit Cholinesterase-Hemmern bei Alzheimer-Krankheit kommen die Autoren zu dem Schluss, dass die Wirkung der Cholinesterase-Hemmer fraglich ist, weil die Studien methodische Mängel aufweisen. Dieser Vorwurf ist allerdings nicht gerechtfertigt.

Eine Arbeitsgruppe der Abteilung für Allgemeinmedizin an der Universität Hamburg hat im Rahmen einer Literaturrecherche die Arbeiten identifiziert, in denen Cholinesterase-Hemmer zur Behandlung der Alzheimer-Krankheit untersucht wurden. Dabei wurden 22 Studien gefunden, in denen Donepezil (Aricept®), Rivastigmin (Exelon®) und Galantamin (Reminyl®) eingesetzt worden waren. Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass fast alle der von ihnen analysierten Studien schwerwiegende methodische Mängel hätten und dass der Nutzen der Cholinesterase-Hemmer für die Behandlung der Alzheimer-Krankheit daher anzuzweifeln ist (Tab. 1).

Tab. 1. Metaanalyse von Kaduszkiewicz et al. zur Wirkung von Cholinesterase-Hemmern bei Alzheimer-Krankheit

Eingeschlossene Studien

 22 Studien erfüllten die Einschlusskriterien

 14 davon verwendeten als primären Wirksamkeitsparameter die ADAS-cog-Skala (Alzheimer’s disease assesment scale – cognitive subscale)

 Die Nachbeobachtungsdauer lag zwischen 6 Wochen und 3 Jahren

 In 12 Studien wurden signifikante Unterschiede zwischen der Gruppe mit Cholinesterase-Hemmer und der Plazebo-Gruppe beobachtet, jeweils zu Gunsten der Cholinesterase-Hemmer (Donepezil n = 12, Rivastigmin n = 5 und Galantamin n = 5)

 Der Unterschied lag im Bereich von 1,5 bis 3,9 Punkten

 In 12 Studien wurde die CIBIC-plus-Skala eingesetzt (Clinician’s interview based impression of change scale with caregiver input)

Beispiele für methodische Mängel nach Kaduszkiewicz et al.

 Verwendung verschiedener primärer Endpunktkriterien ohne ausreichende Korrektur für die multiplen Vergleiche. Nach Korrektur zeigen 2 der 5 Studien mit Rivastigmin keinen signifikanten Vorteil mehr für den Cholinesterase-Hemmer.

 Bei 15 von 22 Studien wurden Patienten nach der Randomisierung ausgeschlossen. Bei 4 Publikationen ist nicht ersichtlich, wie viele Patienten letztlich bei der Analyse des primären Endpunkts herangezogen wurden.

 Bei 8 Studien wurden Patienten nach der „last observation carried forward”-Methode in die Endpunkt-Analyse einbezogen und der Zeitpunkt des Studienabbruchs wurde teilweise nicht angegeben, was die Ergebnisse möglicherweise „gebiast” hat.

Kommentar

Dieser Artikel ist ein gutes Beispiel dafür, was passiert, wenn Autoren, die in einem spezialisierten Gebiet der Medizin nicht ausgewiesen sind, eine Metaanalyse durchführen. Die Schlussfolgerung der Autoren steht im klaren Widerspruch zu den vorhandenen Cochrane-Analysen. Der Vorwurf beispielsweise der Autoren, dass nicht korrekt für multiple Vergleiche korrigiert wurde, ist methodisch ungerechtfertigt. Die Studien wurden fast alle nach den Prinzipien von „good clinical practice“ durchgeführt. Die Ergebnisse der Studien wurden außerordentlich kritisch von der amerikanischen und europäischen Zulassungsbehörde überprüft und führten zur Zulassung der drei Substanzen. Die Autoren dieser Metaanalyse unterstellen daher den Wissenschaftlern, die die Studien durchgeführt haben, und den Fachleuten bei den Zulassungsbehörden Inkompetenz. Die Autoren haben durch ihr undifferenziertes und methodisch nicht haltbares Vorgehen eine echte Chance verpasst, sich kritisch mit dem Einsatz von Cholinesterase-Hemmern bei Patienten mit Alzheimer-Krankheit auseinander zu setzen. Die wesentlichen und kritischen Fragen sind nämlich:

 Sind Cholinesterase-Hemmer rein symptomatisch wirksam oder haben sie auch neuroprotektive Eigenschaften?

 Besteht für den Einsatz von Cholinesterase-Hemmern ein vernünftiges Kosten-Nutzen-Verhältnis?

 Wann im Verlauf einer Erkrankung sollte eine Behandlung mit Cholinesterase-Hemmern begonnen werden und insbesondere wann sollte sie beendet werden?

Quelle

Kaduszkiewicz H, et al. Cholinesterase inhibitors for patients with Alzheimer’s disease: systematic review of randomised clinical trials. BMJ 2005;331:321–7.

Psychopharmakotherapie 2006; 13(02)