Demenz bei Parkinson-Krankheit

Moderate Verbesserung durch Rivastigmin


Dr. Annemarie Musch, Stuttgart

Die Behandlung mit Rivastigmin (Exelon®) führte bei Patienten mit Demenz bei Parkinson-Krankheit zu einer moderaten, aber signifikanten Verbesserung. Ein klinisch relevanter Nutzen wurde bei knapp 20% der behandelten Patienten festgestellt. Die häufigsten unerwünschten Wirkungen waren entsprechend dem Wirkungsmechanismus von Rivastigmin Übelkeit und Erbrechen.

Parkinson-Patienten leiden häufig an einer mit der Parkinson-Krankheit assoziierten Demenz. Hierbei tritt die kognitive Beeinträchtigung meist nach dem Auftreten motorischer Symptome, insbesondere der charakteristischen motorischen und sprachlichen Verlangsamung, auf. Die Pathologie ist bislang noch unklar, wobei aber eine Beeinträchtigung der cholinergen Neurotransmission im Nucleus basalis – durch Zelluntergang in diesem Hirnareal und verminderte Konzentration des für die Acetylcholin-Synthese wichtigen Enzyms Cholinacetyltransferase – die kognitive Beeinträchtigung erklären könnte.

In einer multizentrisch durchgeführten, doppelblinden, Plazebo-kontrollierten Studie mit 541 Patienten wurde daher untersucht, ob die Behandlung der Demenz bei Parkinson-Krankheit mit Rivastigmin wirksam ist. Rivastigmin hemmt sowohl die Acetylcholinesterase als auch die Butyrylcholinesterase und führt so zu einer Verlängerung der Halbwertszeit von Acetylcholin im synaptischen Spalt, wodurch die cholinerge Neurotransmission indirekt gesteigert wird. Die Patienten, die in diese Studie eingeschlossen wurden, litten an Parkinson-Krankheit und hatten mindestens zwei Jahre nach der Diagnose eine mit der Parkinson-Krankheit assoziierte Demenz entwickelt. Zu Studienbeginn war die Demenz leicht bis moderat (definiert als Werte von 10 bis 24 im Mini-Mental-State-Test).

Die Patienten wurden über einen Zeitraum von 24 Wochen im Verhältnis 2:1 randomisiert mit Rivastigmin (362 Patienten) oder Plazebo (179 Patienten) behandelt. Die Rivastigmin-Dosis wurde hierbei von 1,5 mg 2-mal täglich in 4-wöchigen Intervallen um jeweils 3 mg täglich gesteigert. Nach dieser insgesamt 16-wöchigen Dosissteigerungsphase wurde die höchste, gut tolerierte Dosis für den restlichen Zeitraum beibehalten.

Für die Untersuchung der Wirksamkeit wurden primär

  •  ein kognitiver Leistungstest (kognitive Subskala der Alzheimer’s Disease Assessment Scale, ADAS-cog)

und

  •  eine globale klinische Beurteilung der Veränderung gegenüber der Ausgangssituation (Alzheimer’s Disease Cooperative Study-Clinician’s Global Impression of Change, ADCS-CGIC) nach 16 und 24 Wochen durchgeführt.

Mit der kognitiven Subskala des ADAS werden beispielsweise Gedächtnisleistung, Vorstellungsvermögen, Orientierung und Sprachverständnis bewertet (0 bis 70: höhere Werte=stärkere kognitive Beeinträchtigung).

Die mit der ADCS-CGIC erfassten Veränderungen im Vergleich zur Ausgangssituation werden auf einer Punkte-Skala wie folgt bewertet: Die Werte 1 bis 3 stehen für eine sehr deutliche bis leichte Verbesserung, ein Wert von 4 bedeutet keine Veränderung und die Werte 5 bis 7 bedeuten eine entsprechend leichte bis sehr deutliche Verschlechterung. Zu Studienbeginn wurde festgelegt, dass leichte Veränderungen den klinischen Status der Patienten nicht beeinflussen, deutliche bis sehr deutliche Veränderungen aber klinisch relevant sind.

Sekundäre Endpunkte waren Veränderungen auf verschiedenen Test-Skalen nach 24 Wochen im Vergleich zum Ausgangswert, z.B. Beurteilung der Alltagskompetenz, Aufmerksamkeit und exekutiver Funktionen.

17,1% der Patienten in der Rivastigmin- und 7,8% in der Plazebo-Gruppe brachen die Studie ab, meist aufgrund von Unverträglichkeit.

Die Rivastigmin-Dosierung betrug zu Studienende bei 55,5% der Patienten 9 bis 12 mg täglich, bei jeweils rund 20% 6 bis 9 bzw. 3 bis 6 mg und bei weniger als 1% der Patienten weniger als 3 mg.

Nach 24 Wochen führt die Behandlung mit Rivastigmin zu einer signifikanten Verbesserung der kognitiven Leistung im Vergleich zu Plazebo (p<0,001): Die durchschnittliche Verbesserung lag bei 2,1 Punkten auf der kognitiven Subskala des ADAS, wohingegen bei Gabe von Plazebo eine durchschnittliche Verschlechterung um 0,7 Punkte beobachtet wurde.

In der Beurteilung der Veränderung unter der Therapie (ADCS-CGIC) wurde ebenfalls bei signifikant mehr Patienten in der Rivastigmin-Gruppe als in der Plazebo-Gruppe ein günstiges Ergebnis festgestellt: Die durchschnittliche Veränderung nach 24 Wochen betrug in der Rivastigmin-Gruppe 3,8±1,4 und in der Plazebo-Gruppe 4,3±1,5 (p=0,007) (Abb. 1). Auch bei den sekundären Endpunkten war die Behandlung mit Rivastigmin der Gabe von Plazebo überlegen (Tab. 1). Unerwünschte Wirkungen waren meist leicht bis moderat (Tab. 2). Schwere Nebenwirkungen waren in beiden Gruppen gleich häufig (p=0,69). Übelkeit und Erbrechen wurden am häufigsten berichtet und traten in der Rivastigmin-Gruppe signifikant häufiger auf (p<0,001). Symptome der Parkinson-Krankheit (meist Tremor) wurden bei der Behandlung mit Rivastigmin signifikant häufiger als unerwünschte Wirkung gemeldet als bei Plazebo-Gabe (p=0,002). Dies führte aber nicht zu einer unterschiedlichen Beurteilung der Schwere der motorischen Symptomatik (UPDRS, Unified Parkinson’s Disease Rating Scale, Teil III) (p=0,827).

Abb. 1. Ergebnisse eines primären Endpunkts: Beurteilung der Veränderung unter der Therapie mit Rivastigmin im Vergleich zur Ausgangssituation (Alzheimer‘s disease cooperative study – clinician‘s global impression of dhange, ADCS-CGIC). Klinisch relevant sind deutliche/sehr deutliche Veränderungen [nach Emre M, et al. 2004].

Tab. 1. Ergebnisse der sekundären Endpunkte (Mittelwert und Standardabweichung sind angegeben) [nach Emre M, et al. 2004]

Wirksamkeitskriterium

Patienten [n]

Ausgangswert

Veränderung nach 24 Wochen

p-Wert

Aktivität im Alltag (ADCS-ADL)

Rivastigmin

333

41,6±18,6

–1,1±12,6

Plazebo

165

41,2±17,7

–3,6±10,3

0,02

NPI-10-Score

Rivastigmin

334

12,7±11,7

–2,0±10,0

Plazebo

166

13,2±13,0

0,0±10,4

0,02

CDR-Aufmerksamkeitstest

Rivastigmin

328

2197,0±1170,2

–31,0±989,8

Plazebo

158

2490,5±2314,8

142,7±1780,2

0,009

MMST

Rivastigmin

335

19,5±3,8

0,8±3,8

Plazebo

166

19,2±4,0

–0,2±3,5

0,03

D-KEFS Verbal Fluency Test

Rivastigmin

258

13,9±9,5

1,7±6,8

Plazebo

144

14,5±9,4

–1,1±6,4

<0,001*

Ten Point Clock-Drawing-Score

Rivastigmin

49

3,4±3,7

0,5±2,5

Plazebo

30

2,9±3,8

–0,6±2,4

0,02*

Tab. 2. Häufigste Nebenwirkungen [nach Emre M, et al. 2004]

Rivastigmin-Gruppe (n=362)

Plazebo-Gruppe (n=179)

Nebenwirkungen, insgesamt

83,4%

70,4%

Übelkeit

29,0%

11,2%

Erbrechen

16,6%

1,7%

Tremor

9,9%

3,9%

Halluzinationen

4,1%

8,4%

Nebenwirkungen, schwerwiegend

13,3%

15,1%

ADCS-ADL, Alzheimer‘s Disease Cooperative Study – Activities of Daily Living: Werte zwischen 0 und 78, höhere Werte=besseres Funktionsniveau; NPI-10, Neuropsychiatric Inventory: 10 Items, Werte zwischen 0 und 120, höhere Werte=häufigere/schwerere Verhaltenssymptome; CDR, Cognitive Drug Research: höhere Werte=schlechtere Aufmerksamkeitsleistung; MMST, Mini-Mental-State-Test: Werte zwischen 0 und 30, höhere Werte=bessere geistige Funktion; D-KEFS Verbal Fluency Test, Delis-Kaplan Executive Function System: höhere Werte=größere Wortflüssigkeit; Ten Point Clock-Drawing-Score: höhere Werte=größere Leistungsfähigkeit (Uhrenzeichnen) *Nicht an allen Zentren durchgeführt, nur Patienten einbezogen, die wirklich diese Tests absolviert haben

Die Behandlung mit Rivastigmin war der Gabe von Plazebo signifikant überlegen: Insbesondere wurde mit Rivastigmin bei mehr Patienten eine klinisch bedeutsame Verbesserung erreicht (19,8 vs. 14,5%), weiterhin wurden seltener klinisch relevante Verschlechterungen beobachtet (13 vs. 23,1%).

Da die Demenz bei Parkinson-Krankheit ein prognostisch ungünstiger Faktor für das Fortschreiten der Behinderung ist, sind die Ergebnisse positiv zu bewerten. Die Zulassung für Rivastigmin in dieser Indikation wurde vom CHMP befürwortet.

Allerdings kann bei einem großen Teil der Patienten durch die Rivastigmin-Behandlung keine klinisch relevante Verbesserung erreicht werden. Weiterhin ist noch nicht genau definiert, wie sich die beobachteten Veränderungen im Einzelnen auf die Prognose der Patienten auswirken und ob die Verbesserung anhält. Mit diesen Informationen könnte dann abgewogen werden, ob die Therapie trotz unerwünschter Wirkungen zur Prognoseverbesserung empfehlenswert ist. Weitere Untersuchungen sollten zeigen, welche Patienten profitieren, und sie sollten dazu dienen, therapeutische Alternativen für Patienten, die nicht ansprechen, zu finden.

Quelle

Emre M, et al. Rivastigmine for dementia associated with parkinson’s disease. N Engl J Med 2004;351:2509–18.

Psychopharmakotherapie 2006; 13(02)