Bettina Polk, Stuttgart
FTY720 ist ein Immunmodulator (Abb. 1). Die Substanz interagiert mit einem Rezeptor auf der Oberfläche von T-Lymphozyten (S1P1-Rezeptor). Über diesen Rezeptor werden normalerweise Signale weitergeleitet, die die Migration der Lymphozyten zum Entzündungsort mitverantworten. FTY720 hemmt T-Zellen beim Durchdringen der Blut-Hirn-Schranke und reduziert die Zahl zirkulierender Lymphozyten.
Abb. 1. FTY720
In einer doppelblinden, Plazebo-kontrollierten multizentrischen Studie bekamen 277 Patienten mit schubförmig remittierender multipler Sklerose und einer mittleren motorischen Behinderung von 2,5 bis 2,6 auf der EDSS (Expanded disability status scale) entweder 1,25 mg oder 5 mg FTY720 oder Plazebo. Die Behandlung sollte 6 Monate dauern. Primärer Endpunkt der Studie war die Zahl der entzündlichen Läsionen, beobachtet in der Magnetresonanztomographie mit einem Gadolinium-haltigen Kontrastmittel.
Es zeigte sich ein signifikanter Unterschied zwischen Behandlungs- und Kontrollgruppe. Nach 6 Monaten hatten die Patienten in der 5-mg-Gruppe im Mittel 5,7 Läsionen, in der 1,25-mg-Gruppe 8,4 und in der Plazebo-Gruppe 14,8 Läsionen (p=0,006 bzw. p=0,001). Diese Zahlen beziehen sich auf die Patienten, bei denen nach der Randomisierung mindestens drei Kernspinuntersuchungen durchgeführt wurden. Bereits nach 2 Monaten waren Unterschiede sichtbar (Abb. 2). Auch die Zeit bis zum Auftreten eines erneuten Schubs war länger: Hochgerechnet auf ein Jahr erlitten in der Studie 77% in der Plazebo-Gruppe gegenüber 35 und 36% in den Behandlungsgruppen einen erneuten Schub (p=0,009 bzw. p=0,014).
Abb. 2. Vergleich FTY20 in 2 Dosierungen vs. Plazebo bei multipler Sklerose anhand der durchschnittlichen kumulativen Anzahl entzündlicher Läsionen im Gehirn, bestimmt in der Magnetresonanztomographie mit einem Gadolinium-haltigen Kontrastmittel
Besonders wichtig bei Substanzen, die das Immunsystem beeinflussen, sind neben einer guten Wirkung aber Sicherheit und Verträglichkeit. Unerwünschte Arzneimittelwirkungen waren in den Verum-Gruppen etwas häufiger. Leichte Infektionen (z.B. Erkältungen) waren dosisabhängig häufiger bei den mit FTY720 behandelten Patienten, schwere Infektionen waren dagegen nicht häufiger.
Nun sollen die Ergebnisse in Phase-III-Studien mit größerem Umfang und längerer Dauer bestätigt werden. Sie sollen Ende 2005 in Europa und Nordamerika beginnen. Für die Patienten wäre neben der Wirkung auch die orale einmal tägliche Einnahme ein Fortschritt.
Quellen
Kappos L. FTY720 in relapsing MS: results of a double-blind placebo-controlled trial with a novel oral immunomodulator. 15th Meeting of the European Neurological Society, Wien, 21. Juni 2005.
Pressegespräch mit Prof. Dr. Kappos, veranstaltet von der Firma Novartis im Rahmen des 15th Meeting of the European Neurological Society Wien, 21. Juni.
Psychopharmakotherapie 2005; 12(06)