Schizophrenie

Depotformulierungen langfristig optimale Therapieoption?


Dr. Annemarie Musch, Stuttgart

Eine konsequente Erhaltungstherapie und Rückfallprophylaxe ist bei Patienten mit Schizophrenie nach der Behandlung akuter Episoden dringend erforderlich. Möglicherweise stellt die Depotformulierung des atypischen Neuroleptikums Risperidon (Risperdal®Consta®) die derzeit beste Therapieoption dar. Aktuelle Daten naturalistischer Studien wurden auf einem Presse-Workshop von Janssen-Cilag vorgestellt.

Die Inzidenz schizophrener Psychosen liegt bei etwa 1%. Sowohl genetische als auch soziale Komponenten (z.B. gehäuftes Auftreten in unteren sozialen Schichten) scheinen prädisponierend zu sein. Die Ursache der Schizophrenie ist aber bislang unklar. Als pathologisches Funktionsmodell wurden beispielsweise Neurotransmitterstörungen, insbesondere ein Ungleichgewicht im dopaminergen System, formuliert.

Die Behandlung schizophrener Psychosen erfolgt mit konventionellen (z.B. Haloperidol – u.a. Haldol®) und atypischen – oder besser neuen, modernen – Neuroleptika. Unterschiede zwischen diesen beiden Arzneistoff-Gruppen beruhen im Wesentlichen auf:

 nterschiedlicher Rezeptor-Affinität: Konventionelle Neuroleptika sind überwiegend Antagonisten an Dopamin-Rezeptoren (insbesondere D2/D3), atypische Neuroleptika wirken vorwiegend an anderen Rezeptoren (z.B. D4- und Serotonin [5-HT2A])-Rezeptoren antagonistisch.

 nterschiedlichem Einfluss auf die Positiv- und Negativ-Symptomatik: Atypische Neuroleptika beeinflussen auch die Negativ-Symptomatik.

 nterschiedlichen unerwünschten Arzneimittelwirkungen: Bei atypischen Neuroleptika sind extrapyramidal-motorische Nebenwirkungen seltener als bei konventionellen Neuroleptika.

Da weniger als ein Drittel der Patienten nur eine einzige schizophrene Episode durchleben, ist nach der Behandlung akuter Episoden eine konsequente langfristige Erhaltungstherapie wichtig, um insbesondere Rückfällen vorzubeugen und die Dauer auftretender Rückfälle zu verkürzen. Mit jedem Rückfall, den Patienten erleiden, verlängert sich die Zeit bis zur erneuten Remission akuter Episoden.

Ein wesentlicher Risikofaktor für Rückfälle ist das Absetzen der Medikation. Allerdings treten Rückfälle auch bei 25% der Patienten trotz einer Therapie mit Neuroleptika auf. Eine optimale Therapie gibt es somit derzeit nicht.

Die konsequente langfristige Therapie kann aber durch den Einsatz von Depotformulierungen zur intramuskulären Injektion erleichtert werden, sie ist möglicherweise effektiver als die orale Therapie. So konnte in einer Metaanalyse gezeigt werden, dass Rückfälle unter der Therapie mit Depotformulierungen seltener auftraten.

In der Praxis hat sich diese Therapie bislang nicht durchgesetzt. Ursache hierfür ist unter anderem die Befürchtung, dass unerwünschte Wirkungen bei der Therapie mit Depotformulierungen konventioneller Neuroleptika verstärkt auftreten.

Seit etwa drei Jahren ist nun als erste Depotformulierung eines atypischen Neuroleptikums Risperidon (Risperdal® Consta®) zur Erhaltungstherapie und Rezidivprophylaxe bei schizophrenen Psychosen zugelassen. In naturalistischen Studien sollte dessen Stellenwert für die langfristige Behandlung schizophrener Patienten in der Praxis herausgestellt werden.

Naturalistische Studien

In einer internationalen, einarmigen, multizentrischen Studie mit 1876 Patienten, die meist an Schizophrenie (81%) oder an anderen psychotischen Störungen gemäß DSM-IV (American Psychiatric Association 1994) litten, wurden Wirksamkeit und Verträglichkeit der Therapie mit Risperidon in Depotformulierung untersucht (StoRMI, switch to risperidon microspheres). Primäres Wirksamkeitskriterium war unter anderem die Veränderung im PANSS-Gesamtscore (Positive and negative syndrome scale, zur Ermittlung des Schweregrads der schizophrenen Erkrankung) und den Subskalen für die Positiv- und Negativ-Symptomatik. Gleichzeitig wurden extrapyramidal-motorische Nebenwirkungen der Therapie erfasst (Extrapyramidal symptoms rating scale, ESRS).

Vor Studienbeginn nahmen die psychopathologisch stabilisierten Patienten seit mindestens einem Monat oral konventionelle (14%) oder atypische (54%) Neuroleptika ein oder wurden mit konventionellen Neuroleptika in Depotformulierung behandelt (43%).

Alle Patienten wurden auf die Therapie mit Risperidon in Depotformulierung umgestellt. Die zu Studienbeginn bestehende Therapie wurde ausschleichend abgesetzt. Die Gründe für eine Umstellung der Therapie waren vor allem Non-Compliance (38%), unerwünschte Wirkungen (26%) und unzureichende Wirksamkeit (33%) der Vormedikation.

Die Depotformulierung wurde den Patienten alle 2 Wochen über 6 Monate tief intraglutäal injiziert: die Dosis betrug initial meist 25 mg (11% der Patienten erhielten 37,5 mg und 6% 50 mg). Am Studienende erhielten 44% der Patienten 25 mg Risperidon in Depotformulierung (26 bzw. 30% der Patienten erhielten 37,5 oder 50 mg). Eine zusätzliche Therapie mit Risperidon oral war möglich: Insgesamt erhielten 22% der Patienten orales Risperidon zusätzlich in einer mittleren Dosierung von 3,2±2,4 mg für eine mittlere Dauer von 43±42 Tagen. 74% der Patienten schlossen die Studie nach 6 Monaten ab. Die Gründe für einen Studienabbruch waren vor allem unerwünschte Wirkungen (5,7%) und mangelnde Wirksamkeit (4,4%) der Therapie.

Die Therapie mit Risperidon in Depotformulierung führte bei den Patienten zu einer signifikanten Reduktion des mittleren PANSS-Gesamtscores (nach 6 Monaten 63,1±22,8) im Vergleich zum Ausgangswert (73,4±22,3, p<0,001). In den Subskalen für die Positiv- und Negativ-Symptomatik wurden ebenfalls signifikante Verbesserungen bei den Patienten festgestellt (p<0,001). Extrapyramidal-motorische Nebenwirkungen wurden unter der Therapie nach 6 Monaten im Vergleich zum Ausgangswert signifikant reduziert (p<0,001). Meist traten leichte bis moderate unerwünschte Arzneimittelwirkungen auf; am häufigsten wurden Schläfrigkeit (7%), Ängstlichkeit (7%) und Exazerbation der Erkrankung (6%) genannt.

Insgesamt wurde eine Verbesserung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität bei den Patienten festgestellt, auch die Zufriedenheit der Patienten mit ihrer Therapie war am Studienende signifikant größer (p<0,001).

In einer nationalen, einarmigen, multizentrischen Studie (RIS-GER 38), in die 206 Patienten mit meist schizophrenen Psychosen (80%) aufgenommen wurden, konnte eine ähnliche Wirksamkeit und Verträglichkeit der Therapie mit Risperidon in Depotformulierung gezeigt werden.

Auch diese Patienten waren psychopathologisch stabil. Sie wurden seit mindestens einem Monat mit oralen atypischen Neuroleptika behandelt und in der Studie auf die Therapie mit Risperidon in Depotformulierung umgestellt. Die Gründe für eine Umstellung waren Non-Compliance (52%), unerwünschte Wirkungen (29%) und mangelnde Wirksamkeit auf die Positiv- oder Negativ-Symptomatik (31% bzw. 36%) der bisherigen Therapie.

Die bestehende Therapie der Patienten wurde zunächst für 2 Wochen beibehalten und dann abhängig von der Halbwertszeit des eingenommenen Arzneistoffs ausschleichend abgesetzt. Die Depotformulierung wurde den Patienten alle 2 Wochen tief intraglutäal injiziert: Die Dosis von 25 mg konnte bei Bedarf gesteigert werden. 8,7% der Patienten brachen die Studie aufgrund von unerwünschten Wirkungen der Therapie ab.

Die Schwere der Erkrankung war nach 12 Wochen im Vergleich zur Ausgangssituation signifikant reduziert: Die mittleren Werte im PANSS-Gesamtscore und den Subskalen für die Positiv- und die Negativ-Symptomatik waren signifikant niedriger (jeweils p<0,0001, Abb. 1 und 2). Die häufigsten Nebenwirkungen unter der Therapie (≥5%) waren Kopfschmerzen, Schlaflosigkeit, Agitiertheit, Psychosen und depressive Symptome. Extrapyramidal-motorische Nebenwirkungen wurden von 4,3% der Patienten berichtet.

Abb. 1. Wirksamkeit der Therapie mit Risperidon in Depotformulierung, gemessen am PANSS-Gesamtscore (Mittelwert) [nach Schmauß M, et al.]

Abb. 2. Wirksamkeit der Therapie mit Risperidon in Depotformulierung gemessen an den Werten auf den PANSS Subskalen für Positiv- und Negativ-Symptomatik (Mittelwert) [nach Schmauß M, et al.]

Beurteilung und Ausblick

Diese Studienergebnisse zeigen, dass die Umstellung auf Risperidon in Depotformulierung einen deutlichen klinischen Nutzen für die Patienten hat, unabhängig davon, welche Vormedikation sie erhielten: Insgesamt wurde die Schwere der Erkrankung durch diese Umstellung bei den bereits zuvor psychopathologisch stabilen Patienten deutlich reduziert. Auch die extrapyramidal-motorischen Nebenwirkungen wurden reduziert. Gleichzeitig konnte gezeigt werden, dass diese Umstellung von anderen antipsychotischen Arzneistoffen und Formulierungen ohne eine vorherige Umstellung auf orales Risperidon möglich ist.

Was führt nun aber zu diesem Therapieerfolg? Die Therapie mit atypischen Neuroleptika bietet sicherlich unter anderem direkt den Vorteil, weniger extrapyramidal-motorische Nebenwirkungen hervorzurufen, aber auch die besondere Pharmakokinetik der Therapie könnte zu einer Reduktion der Symptomatik führen: Plasmaspitzenspiegel werden weitgehend vermieden, gleichmäßigere Plasmaspiegel und somit eine gleichmäßigere Belegung der Rezeptoren werden erreicht. Dies kann auch der Grund für die gute Wirksamkeit der Therapie sein. Nicht zu vernachlässigen ist sicherlich die durch die Applikationsform aufrechterhaltene Therapietreue der Patienten und die konsequente Therapie.

Ermöglicht so die Therapie mit Depotformulierungen vielleicht die derzeit beste Krankheitskontrolle und Rückfallprophylaxe bei Schizophrenie-Patienten? Diese Frage wird wohl erst mit den Ergebnissen von Studien, in denen Patienten über einen längeren Zeitraum (z.B. 5 Jahre) behandelt werden, beantwortet werden können.

Auch kann diese Therapie nur erfolgreich sein, wenn sie im Rahmen eines Gesamtkonzepts durchgeführt wird:

  • Ärzte und Patienten müssen von der Notwendigkeit einer konsequenten langfristigen Therapie überzeugt sein. Hierzu müssen Patienten ihre Krankheit verstehen, beispielsweise anhand von Funktionsmodellen (z.B. Ungleichgewicht von Botenstoffen) oder Konzepten, wie dem Vulnerabilitätskonzept (besondere Sensibilität der Patienten).
  • Begleitende Psychotherapie sollte eine wichtige Rolle spielen.
  • Die medikamentöse Therapie sollte optimalerweise mit dem Patienten gemeinsam festgelegt und ihm verständlich gemacht werden.

Quellen

Priv.-Doz. Dr. med. Georg Juckel (Berlin), Dr. med. Stephan Heres (München), Prof. Dr. med. Markus Gastpar (Essen), Stefan Wellssow (Köln), Dr. med. Stefan Peters (Neuss). Presse-Workshop „Therapie der Schizophrenie – werden die aktuellen Möglichkeiten optimal genutzt?“, Bergisch Gladbach, 20. bis 21. Juli 2005, veranstaltet von Janssen-Cilag GmbH (Neuss).

Davis JM et al. Depot antipsychotic drugs. Place in therapy. Drugs 1994;47:741–73.

Schmauß M, Schreiner A. Long-acting injectable risperidone – a direct transition from oral atypical antipsychotics. P-08-03. 13. AEP-Kongress, München, 2. bis 6. April 2005.

Möller HJ, et al. Efficacy and safety of direct transition to risperidone long-acting injectable in patients treated with various antipsychotic therapies. Int Clin Psychopharmacol 2005;20:121–30.

Psychopharmakotherapie 2005; 12(06)