Andrea Warpakowski, Itzstedt
Die „Theory of Mind“ (ToM), also die Fähigkeit, sich die seelisch-geistige Verfassung eines anderen Menschen vorzustellen und so Vorhersagen über Denken, Empfinden und Verhalten des Betreffenden zu machen, entwickelt sich erst im Alter von drei bis fünf Jahren zusammen mit dem sprachlichen Ausdrucksvermögen.
Das Interesse an sozialen Interaktionen sowie planvolles Handeln basieren auf einem intakten Vorderhirn. Damit sind auch Funktionen und Eigenschaften verbunden, die als Rücksicht, Mitleid, Moral und Gewissen bezeichnet werden.
Bei der frontotemporalen Demenz (FTD, Morbus Pick) findet sich eine Atrophie des Vorderhirns vor allem im medialen, dorsolateralen und orbitalen Frontallappen. Die Erkrankung tritt bereits vor dem 65. Lebensjahr auf. Die Symptome – so auch der Verlust der ToM – schreiten langsam voran, das Gedächtnis bleibt jedoch zunächst erhalten. Die Emotionen der Patienten verflachen, die Patienten sind enthemmt und verlieren die Einsicht, das Sozialverhalten vergröbert sich und wird inadäquat, Manierismen und Stereotypien treten auf.
Genaue Zahlen zur Häufigkeit von Morbus Pick gibt es nicht, da die Erkrankung häufig nicht bedacht und so meist zu Beginn nicht erkannt wird. Grobe Schätzungen gehen davon aus, dass Morbus Pick so häufig auftritt wie Chorea Huntington und präsenile Alzheimer-Krankheit zusammen.
Eine kausale Therapie gibt es bisher nicht. Symptomatisch können beispielsweise
selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI, z.B. Escitalopram – Cipralex®) Affekte und Antrieb verbessern sowie Impulse und Stereotypien kontrollieren,
Carbamazepin (z.B. Tegretal®), Valproinsäure (z.B. Orfiril®) oder Propranolol (z.B. Dociton®) die Hyperaktivität und Disinhibition verringern und
Memantin (Ebixa®) oder Acetylcholinesterasehemmer (z.B. Donepezil – Aricept®) die Apathie vermindern.
Patienten, die an frontotemporaler Demenz erkrankt sind, stellen vor allem für die Angehörigen eine große Belastung dar. Diese müssen über die Progression der Erkrankung und über die Persönlichkeitsveränderungen aufgeklärt und zu einem ruhigen, deeskalierenden, gewaltfreien Umgang mit dem Patienten angeleitet werden. Wichtig ist es, möglichst lange die Mobilität der Patienten zu erhalten und sie zu stimulieren, aber potenzielle Gefahrensituationen wie beispielsweise PKW-Fahren zu verhindern, um Kinder, Partner und andere nicht zu gefährden.
Quelle
Prof. Dr. med. Hans Förstl, München, 4. Lundbeck Dialog ZNS, Hamburg, 12. Mai 2005, veranstaltet von Lundbeck GmbH.
Psychopharmakotherapie 2005; 12(06)