Fortgeschrittene Parkinson-Krankheit

Beweglicher durch kontinuierliche intestinale Levodopa-Gabe


Dr. Heike Oberpichler-Schwenk, Stuttgart

Durch die kontinuierliche intestinale Gabe von Levodopa/Carbidopa über eine Duodenalsonde mithilfe einer programmierbaren Pumpe werden gleichmäßige Levodopa-Plasmaspiegel erreicht. Dosisabhängige Fluktuationen der Beweglichkeit bei Patienten mit fortgeschrittener Parkinson-Krankheit werden damit vermieden. Schmerzhafte Dyskinesien und Phasen der Bewegungsstarre nehmen ab zugunsten Phasen guter Beweglichkeit (On-Phasen).

Die Standardtherapie der Parkinson-Krankheit besteht in der Gabe von Dopamin-Agonisten und/oder Levodopa in Kombination mit einem Hemmstoff der peripheren Dopadecarboxylase (z.B. Carbidopa). Im fortgeschrittenen Stadium der Erkrankung nimmt jedoch die Wirkungsdauer der einzelnen Levodopa-Gabe ab und es kommt zu Wirkungsschwankungen, die mit dem Levodopa-Plasmaspiegel korrelieren, mit schmerzhaften Peak-Dose-Dyskinesien und andererseits End-of-Dose-Akinesien. Neben diesen dosisabhängigen, vorhersehbaren Fluktuationen gibt es dosisunabhängige, nicht-vorhersehbare Fluktuationen wie das On-off-Phänomen oder das plötzliche „Einfrieren“ der Bewegung (Freezing). Verschiedene Strategien werden eingesetzt, um den dosisabhängigen Wirkungsschwankungen zu begegnen, zum Beispiel

 Kombinationstherapie mit einem Dopamin-Agonisten und/oder einem Hemmstoff der Catechol-O-Metyhltransferase (COMT) oder der Monoaminoxidase B (MAO-B) zusätzlich zur Levodopa-Therapie

 Verteilung der Levodopa-Gesamtdosis auf häufigere Einzelgaben. Manche Patienten kommen dabei auf bis zu 10 Einzelgaben.

 Levodopa-Retardpräparate

 Tiefenhirnstimulation des Nucleus subthalamicus. Allerdings ist das Verfahren nicht für alle Patienten geeignet (z.B ältere Patienten mit internistischen Begleiterkrankungen, Patienten mit psychischen Erkrankungen)

 Intermittierende subkutane Apomorphin-Gabe oder Apomorphin-Pumpe

Eine weitere Option für Patienten mit weit fortgeschrittener Erkrankung ist die kontinuierliche intestinale Gabe von Levodopa mithilfe einer duodenalen Infusionspumpe. Levodopa liegt zu diesem Zweck als Suspension in einem Gel vor (Duodopa®); 1 ml Gel enthält 20 mg Levodopa und 5 mg Carbidopa. Die Duodenalsonde wird mithilfe einer perkutanen endoskopischen Gastrostomie platziert und an eine tragbare Pumpe angeschlossen. Diese erlaubt aus einem 100-ml-Reservoir die kontinuierliche Gabe von 1 bis 10 ml Gel pro Stunde in Dosierungsschritten von 0,1 ml/h sowie die Gabe von Bolusdosen am Morgen oder bei intermittierend auftretenden Bewegungsstörungen. Die Morgendosis beträgt gewöhnlich zwischen 5 und 10 ml (100 bis 200 mg Levodopa), die kontinuierliche Erhaltungsdosis 2 bis 6 ml/h. So wird ein weit gehend konstanter Levodopa-Plasmaspiegel erreicht.

Das Gel wird während einer etwa fünftägigen Testphase zunächst über eine Nasoduodenalsonde verabreicht. In dieser Phase wird die klinische Wirksamkeit der kontinuierlichen Levodopa-Gabe in Anlehnung an die Unified Parkinson’s Disease Rating Scale (UPDRS) evaluiert und das erforderliche Dosierungsschema ermittelt. Des Weiteren wird in dieser Phase die Akzeptanz und Handhabung der Pumpe durch den Patienten oder/und die betreuende Person beurteilt. Je nach Kooperationsfähigkeit des Patienten kann dieser die Pumpe bis zu einer Höchstdosis selbst programmieren oder die Programmierung kann einer anderen Person vorbehalten werden.

Duodopa® ist als Orphan-Drug zugelassen. Es ist indiziert bei Patienten mit fortgeschrittener Parkinson-Krankheit, die auf Levodopa ansprechen, aber unter schweren motorischen Fluktuationen und Dyskinesien leiden und deren Beschwerden mit den anderen zur Verfügung stehenden Antiparkinsonmitteln nicht zufrieden stellend zu beherrschen sind.

In Schweden wird Duodopa® seit etwa 10 Jahren eingesetzt. Inzwischen wurden dort rund 100 Patienten auf diese Weise behandelt, im Durchschnitt etwa 4 Jahre. Nach der Umstellung auf Duodopa® kam es zu einer Zunahme der täglichen On-Zeit um durchschnittlich etwa 3 Stunden ohne Zunahme der Dyskinesien. Der Schweregrad der Dyskinesien nahm ab, ebenso die Dauer der Off-Zeit.

Unter anderem wurde in einer randomisierten Cross-over-Studie mit 24 Patienten die Monotherapie mit Duodopa® (tagsüber per Nasoduodenalsonde; nachts Levodopa-Retardtabletten) mit der bisherigen individuellen Kombinationstherapie verglichen. Am Ende der jeweils dreiwöchigen Behandlung betrug der UPDRS-Score mit der kontinuierlichen Levodopa-Monotherapie 35 Punkte, mit der konventionellen Kombinationstherapie 53 Punkte (p<0,05). Die verblindete Auswertung von Videoaufnahmen aus der zweiten und dritten Behandlungswoche ergab eine Zunahme der Phasen normaler Beweglichkeit mit allenfalls geringgradigen Hypo- oder Dyskinesien von 81% auf 100% (Medianwerte; p<0,01), eine entsprechende Abnahme der Off-Phasen und keine Zunahme von schweren Dyskinesien mit der kontinuierlichen Levodopa-Gabe. Die Lebensqualität wurde von den Patienten als verbessert beurteilt.

Die Nebenwirkungen der kontinuierlichen Levodopa-Therapie entsprechen den bekannten Levodopa-Nebenwirkungen. Komplikationen vonseiten des Applikationssystems kamen bei den schwedischen Patienten während der durchschnittlich vierjährigen Behandlungszeit im Mittel 2,5-mal vor. In der Regel handelte es sich um eine Verstopfung der Sonde, die durch Spülen mit physiologischer Kochsalzlösung beseitigt werden konnte, oder um eine Dislokation der Sonde. Seltener kam es zu Komplikationen am Stoma oder zu technischen Problemen mit der Pumpe.

Zurzeit ist die Therapie mit Duodopa® noch teurer als eine orale Kombinationstherapie. Das könnte sich relativieren, falls die Patienten unter dieser Therapie länger arbeitsfähig wären – relevant vor allem für Patienten mit frühem Krankheitsbeginn. Hierzu liegen allerdings noch keine Daten vor.

Quellen

Prof. Dr. Sten-Magnus Aquilonius, Uppsala (Schweden), Dr. med. Karla Eggert, Marburg, Prof. Dr. med. Wolfgang H. Oertel, Marburg, Pressegespräch ”Neue Hoffnung für Patienten mit weit fortgeschrittener Parkinson-Erkrankung“, veranstaltet von Orphan Europe im Rahmen des 4. Deutschen Parkinson-Kongresses, Frankfurt/M., 4. März 2005.

Nyholm D, et al. Duodenal levodopa infusion monotherapy vs oral polypharmacy in advanced Parkinson disease. Neurology 2005;64:216–23.

Psychopharmakotherapie 2005; 12(05)