Prof. Dr. Ursula Breyer-Pfaff, Tübingen
Am 10. Februar 2005 starb in Tübingen Frau Priv.-Doz. Dr. Ines Gaertner. Ihr Tod bedeutet nicht nur für ihre große Familie einen schmerzvollen Verlust, sondern auch für die klinische Psychiatrie und hier besonders für die klinische Psychopharmakologie. Diesem Gebiet wandte sie sich mit großem Engagement zu, weil sie meinte, mit ihrer Arbeit zur Verbesserung der Therapie beitragen zu können.
Der Ansatz, mit dem sie schwerpunktmäßig arbeitete, war das „Therapeutische Drug-Monitoring“ (TDM), und dabei stand Clozapin lange Zeit im Mittelpunkt ihres Interesses. Für seinen Einsatz in der Rezidivprophylaxe der Schizophrenie lagen keine TDM-Studien vor, erst Ines Gaertner unterzog sich der unendlichen Mühe, remittierte Patienten während bis zu 5 Jahren zu untersuchen und ihre Plasmaspiegel mit der Stabilität des klinischen Zustands in Beziehung zu setzen. Selbstverständlich kannte sie jeden Patienten und begleitete ihn in seiner Krankheit mit aufmerksamer Sorge. Die Befunde sprachen für die Wichtigkeit konstanter, wenn auch interindividuell unterschiedlicher Clozapin-Konzentrationen und wurden 2001 im Journal of Clinical Psychopharmacology veröffentlicht. Hier erschienen 2002 auch die Ergebnisse einer prospektiven Untersuchung zu Positiv- und Negativsymptomen während der Langzeitbehandlung mit Clozapin. Eine weitere wichtige Frage, deren Bearbeitung einen großen Aufwand erforderte, war die nach Beziehungen zwischen Psychopharmakotherapie und Suizidgefährdung; aus einer Fall-Kontroll-Studie leitete sie Hinweise ab, wie das Risiko vermindert werden kann (Pharmacopsychiatry 2002).
Neben der klinischen Forschung beschäftigte sie sich auch mit den pharmakologischen und biochemischen Grundlagen der Therapie und regte dazu Kooperationen an. Dank ihrem unermüdlichen Einsatz für die klinische Seite der Projekte konnten neue Befunde zu Kinetik und Metabolismus von Clozapin (British Journal of Clinical Pharmacology 1998, Drug Metabolism and Disposition 2001) und zur Erhöhung der Beta-Carbolin-Konzentrationen im Plasma durch Rauchen erhoben werden (Life Sciences 1996). Weitere Untersuchungen entstanden in Zusammenarbeit mit Kollegen in der Klinik, vor allem zum Einfluss genetischer Faktoren auf neurobiochemische Parameter und klinische Verläufe.
Warum wir sie so sehr vermissen? Wir haben mit Ines Gaertner eine Freundin verloren und eine Partnerin, die offen war für jeden, der sie ansprach, für alle Vorschläge, die man ihr unterbreitete, und auch für kritische Anmerkungen. Gleichzeitig war der Tenor ihrer Äußerungen über andere immer positiv, ihr Gespräch mit anderen immer anerkennend und ermutigend, und nie fehlte es ihr an Geduld. Bewundernswert war, welche Menge Arbeit sie innerhalb kurzer Zeit und unter schwierigen Bedingungen leistete und wie pünktlich und zuverlässig sie alle Termine und Absprachen einhielt. Die Zusammenarbeit mit ihr war nicht nur konstruktiv, sondern es sprang auch etwas von ihrer Begeisterung für das Fach auf die Kollegen über. Damit wurde Ines Gaertner zu einem unentbehrlichen Mitglied der TDM-Gruppe der AGNP. Wer erinnert sich nicht mit Freude an die TDM-Tagung, die sie im Juli 2000 in Tübingen ausrichtete? Trotz ihrer schweren Krankheit hat sie noch sehr aktiv an der Publikation der AGNP-TDM Consensus Guideline (Pharmacopsychiatry 2004) mitgearbeitet, bei der TDM-Tagung im September 2004 in Lausanne einen bemerkenswerten Vortrag gehalten und bei der DGPPN-Tagung im November 2004 in Berlin mit großem Einsatz einen Kurs über TDM mitgestaltet. Es war geplant, dass sie die TDM-Konsensus-Leitlinie verfasst, die im nächsten Heft erscheinen wird. Dies war ihr nicht mehr möglich.
Priv.-Doz. Dr. Ines Gaertner
Man kann nur wünschen, dass ihr Vorbild Nachahmer findet und sich immer wieder junge Kollegen aufgerufen fühlen, die Forschung im Dienste der Kranken fortzuführen.
Psychopharmakotherapie 2005; 12(04)