Psychopharmaka in der Schmerztherapie


Michael Sarholz und Hans-Jörg Assion, Bochum

Jenseits psychiatrischer Indikationen haben vor allem Antidepressiva und Antikonvulsiva/Phasenprophylaktika, aber auch Antipsychotika und Anxiolytika einen festen Platz in der Behandlung chronischer Schmerzsyndrome. Obwohl diese Substanzen bei verschiedenen Indikationen Mittel der ersten Wahl sind, werden sie in der Praxis noch zu selten genutzt. Während für Antidepressiva eine eigene analgetische Wirkung in einer Vielzahl von Studien mit hoher Evidenz nachgewiesen ist, wird dies für die Klasse der Antipsychotika kontrovers beurteilt. Die folgende Übersicht fasst den aktuellen wissenschaftlichen Stand über die analgetische Wirkungsweise, die Indikationen, die Dosisempfehlungen und den Zulassungsstatus der einzelnen Substanzgruppen in der Schmerztherapie zusammen.
Schlüsselwörter: Schmerz, Antidepressiva, Antikonvulsiva, Antipsychotika, Anxiolytika
Psychopharmakotherapie 2005;12:77–82.

Neben den Opioid-Analgetika und den Nicht-Opioid-Analgetika, (u. a. nicht-steroidale Antiphlogistika und nicht-saure, antipyretische Analgetika) spielt die heterogene Klasse der so genannten „Koanalgetika“ eine wichtige Rolle in der Schmerztherapie vor allem chronischer nicht Malignom-bedingter Schmerzsyndrome, aber auch Malignom-assoziierter Schmerzen [21]. Insbesondere die Gruppe der Antidepressiva, aber auch die der Antikonvulsiva sind aus der Schmerztherapie bei vielen Indikationen nicht wegzudenken und gelten bei einigen Krankheitsbildern bereits als Mittel der ersten Wahl [14, 20].

Obwohl trizyklische Antidepressiva Mittel erster Wahl bei kontinuierlichen neuropathischen Schmerzen [14] sind, werden sie letztlich in der Praxis noch zu selten genutzt [2]. Neben dieser genannten Schwerpunktindikation werden die Substanzen zur Prophylaxe des primären Kopfschmerzes vom Spannungstyp sowie auch zunehmend bei der Fibromyalgie eingesetzt.

Die primär nicht zur psychopharmakologischen Behandlung entwickelten Antikonvulsiva werden mittlerweile auch breit in der psychiatrischen Pharmakotherapie eingesetzt, beispielsweise zur Phasenprophylaxe bipolarer Störungen. Sie haben sich in der Schmerztherapie in erster Linie zur Behandlung attackenförmiger, neuropathischer Schmerzen (z. B. der Trigeminusneuralgie) etabliert. Als Mittel der zweiten Wahl kommen sie vor allem bei kontinuierlichen neuropathischen Beschwerden sowie bestimmten Kopfschmerzerkrankungen zur Anwendung [7, 20, 37]. Neuroleptika sowie Anxiolytika kommen wegen ihrer sedativ-hypnotischen, anxiolytischen und muskelrelaxierenden Wirkung zum Einsatz [16, 23].

Koanalgetika sollten nicht nach der Krankheit oder dem Syndrom, sondern nach der Art des Schmerzes ausgewählt werden. Nach dem Entstehungsmechanismus oder der Schmerzqualität unterscheidet man drei Hauptformen des Schmerzes:

 Nozizeptor-Schmerz, der nach Verletzung von Geweben ohne Läsion neuronaler Strukturen entsteht. Man unterscheidet hierbei somatische (lokalisierbare, helle, ziehende) von viszeralen (diffuse, tiefe, drückende) Schmerzen.

 Neuropathische Schmerzen mit kontinuierlich-brennender und/oder attackenförmig-einschießender Qualität durch eine Schädigung neuronaler Strukturen

 Sympathisch mediierte Schmerzen, die als brennende Ruheschmerzen mit Zeichen der sympathischen Fehlregulation imponieren [14]

Antidepressiva

Nach Fishbain [12] liegt bei 25 % der Patienten mit chronischen Schmerzen zugleich eine Major Depression vor. In seiner Übersicht nach Analyse von 191 Studien kommt er zu der Auffassung, dass Depression Folge und nicht Ursache des Schmerzsyndroms sei. Umgekehrt fanden Pilowsky und Basset [27] Schmerzsyndrome bei 56 % der als depressiv diagnostizierten psychiatrischen Patienten. Für die neurobiologisch begründete Hypothese einer niedrigeren Schmerzschwelle bei Depression, unter anderem durch eine verringerte Endorphinausschüttung und eine reduzierte Aktivität der endogenen deszendierenden Schmerzhemmung [17], finden sich auch in klinischen Studien Hinweise [35]. Andererseits konnte in mehreren Studien [5, 18] eine signifikant höhere Schwelle für die Perzeption von experimentell appliziertem Schmerz bei Depression nachgewiesen werden. Von erheblicher Bedeutung ist bei Depression jedoch die veränderte sekundäre Krankheitsverarbeitung (Coping) von Schmerzsyndromen und damit ein erhöhtes Risiko der Chronifizierung [17].

Trotz unbestreitbarer Komorbidität erklärt sich der erfolgreiche Einsatz von Antidepressiva jedoch nicht nur aus dem stimmungsaufhellenden Effekt heraus. Neben der antidepressiven Wirkung, die ebenfalls bei der Therapie chronischer Schmerzzustände von Bedeutung sein kann, besitzen trizyklische Antidepressiva eine intrinsische analgetische Potenz [10]. So wirkt die Substanz Amitriptylin beispielsweise auch als potentes Lokalanästhetikum [36].

Die analgetische Wirkung wird klinisch rascher deutlich, nämlich bereits nach drei bis sieben Tagen, als die antidepressive Wirkung, die erst mit einer Wirklatenz von bis zu zwei Wochen eintritt. Eine antinozizeptive Wirkung wird zudem bereits mit deutlich niedrigeren Dosierungen erreicht [14, 16]. Es fehlt der Wirksamkeitsnachweis dieser Substanzen bei akuten Schmerzen.

Gemäß der so genannten Monoamin-Hypothese entstehen chronische Schmerzen durch eine unzureichende endogene Schmerzinhibition, die über bestimmte Transmitter, wie Noradrenalin und Serotonin, sowie endogene Opioide vermittelt wird. Als analgetisches Wirkprinzip der Antidepressiva gilt die Wiederaufnahmehemmung der monoaminergen Transmitter Serotonin (5-Hydroxytryptamin) und Noradrenalin und dadurch bedingte prä- und postsynaptische Hemmung nozizeptiver sowie so genannter Wdr-(„wide dynamic range“-)Neuronen im spinalen Hinterhorn. Es kommt damit zu einer direkten Hemmung der Fortleitung der nozizeptiven Afferenz über den Tractus spinothalamicus oder indirekt über die Tractus spinoreticularis und spinomesencephalicus nach Umschaltung im Hirnstamm mit Projektion zum Thalamus [16, 17]. Der genaue Mechanismus der analgetischen Wirkung ist allerdings komplexer und noch nicht vollständig verstanden. So wirkt beispielsweise Trimipramin über die Hemmung präsynaptischer inhibitorischer D2-Rezeptoren mit konsekutiver Freisetzung von Dopamin ohne wesentliche Beeinflussung von Noradrenalin und Serotonin [17]. Vor allem aus tierexperimentellen Studien ergeben sich weitere Hypothesen: Es werden neurotrophische Effekte, eine Regulation der synaptischen Plastizität, antagonistische Effekte am Alpha-1-Adrenorezeptor, H1-antihistaminerge Wirkungen, eine Blockade der Natrium-Kanäle, anticholinerge Effekte, eine verbesserte endokrine Funktion und schließlich eine gesteigerte Neurogenese zur Erklärung herangezogen [15].

Neben den trizyklischen Antidepressiva wird auch Lithiumcarbonat für ausgewählte Indikationen eingesetzt.

Indikationen

Trizyklische Antidepressiva sind Mittel der ersten Wahl bei kontinuierlich neuropathischen Schmerzen, zur medikamentösen Prophylaxe bei chronischen Kopfschmerzen vom Spannungstyp, bei anhaltendem idiopathischem Gesichtsschmerz, Myarthropathie, bei Allodynie im Rahmen des komplexen regionalen Schmerzsyndroms Typ I und II (CRPS I und II), beim kontinuierlichen Phantomschmerz, bei postzosterischer Neuralgie, beim so genannten Fibromyalgie-Syndrom, bei myofaszialem Schmerz, zentralem Schmerz (u. a. Thalamusschmerz, Rückenmarksverletzung), bei diabetischer Neuropathie, als Begleittherapie bei chronischen radikulären und nichtradikulären Rückenschmerzen, als Begleittherapie bei chronischem Gelenkschmerz und als Begleitmedikation bei chronischer Pankreatitis. Als Alternativtherapie können Trizyklika bei neuropathischem Stumpfschmerz erfolgreich angewendet werden [7, 37].

Zur Effektivität trizyklischer Antidepressiva liegt eine Vielzahl von Studien mit hoher Evidenz für ihre analgetische Wirkung bei unterschiedlichen Erkrankungen vor [4, 9, 22, 24, 33]. In einer aktuellen Metaanalyse [34] wurden systematisch Antidepressiva in der Behandlung des chronischen LWS-Schmerzes evaluiert. Von insgesamt 22 einbezogenen Studien erfüllten lediglich sieben die angelegten hohen Qualitätskriterien (angelehnt an die Cochrane Collaboration Back Review Group). Die Autoren schließen, dass trizyklische und tetrazyklische Antidepressiva wirksam in der Behandlung von chronischem LWS-Schmerz sind und diese Wirkung unabhängig vom Vorliegen einer Depression ist. Dabei gilt die Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmung als wichtiger Effekt für die analgetische Wirkung. Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI, hier Paroxetin) oder auch Trazodon zeigten keine analgetische Wirkung.

Als Präparat erster Wahl ist Amitriptylin zu nennen, wobei auch Doxepin, Imipramin, Clomipramin, Trimipramin und Desipramin zum Einsatz kommen [7, 14, 16, 20, 37]. In der Therapie von Schmerzsyndromen sollte mit der jeweils niedrigsten Dosis begonnen werden. Auch die Wirkung der Substanzen auf die Psychomotorik ist in der Therapie zu bedenken. So sind Doxepin, Trimipramin und Amitriptylin eher psychomotorisch dämpfend, Clomipramin, Desipramin und Imipramin dagegen eher aktivierend.

Nicht alle Wirkstoffe und Handelspräparate sind zur Schmerztherapie offiziell zugelassen, was in der Praxis zu bedenken ist, will man nicht eine so genannte „Off-Label-Verordnung“ durchführen (Tab. 1).

Tab. 1. Antidepressiva in der Schmerztherapie. Klassifikation, Zulassungsspektrum und Dosierung (Stand 2004, TZA = trizyklisches Antidepressivum, NARI = selektiver Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer, SNRI = selektiver Serotonin- und Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer, NaSSA = noradrenerges und spezifisch serotonerges Antidepressivum, AD = Anfangsdosis) [1, 7, 17, 30, 37]

Substanz

Handelsname

(Beispiel®)

Klassifikation

Zulassung

Dosierung

Amitriptylin

Saroten

TZA

Langfristige Schmerzbehandlung im Rahmen eines therapeutischen Gesamtkonzepts (nicht alle Handelspräparate)

50–150 mg
AD: 1 x 10 mg

Clomipramin

Anafranil

TZA

Langfristige Schmerzbehandlung im Rahmen eines therapeutischen Gesamtkonzepts (nicht alle Handelspräparate)

32,5–150 mg
AD: 1 x 10 mg

Desipramin

Petylyl

TZA

Keine Zulassung zur Schmerztherapie

50–150 mg
AD: 1 x 25 mg

Doxepin

Aponal

TZA

Keine Zulassung zur Schmerztherapie

25–150 mg
AD: 1 x 25 mg

Duloxetin

Cymbalta

SNRI

Keine Zulassung zur Schmerztherapie

60 mg
AD: 1 x 60 mg

Imipramin

Tofranil

TZA

Langfristige Schmerzbehandlung im Rahmen eines therapeutischen Gesamtkonzepts (nicht alle Handelspräparate)

25–150 mg
AD: 1 x 10 mg

Mirtazapin

Remergil

NaSSA

Keine Zulassung zur Schmerztherapie

15–45 mg
AD: 1 x 15 mg

Trimipramin

Herphonal

TZA

Chronische Schmerzzustände (nicht alle Handelspräparate)

50–150 mg
AD: 1 x 50 mg

Venlafaxin

Trevilor

SNRI

Keine Zulassung zur Schmerztherapie

75–150 mg
AD: 1 x 75 mg

Reboxetin

Edronax

NARI

Keine Zulassung zur Schmerztherapie

8–10 mg
AD: 1 x 4 mg

Neuere Arbeiten berichten auch über eine analgetische Wirksamkeit des gemischt serotonerg und noradrenerg wirkenden Venlafaxin und der noradrenergen Substanz Reboxetin [13, 15]. Aufgrund des pharmakologischen Wirkprofils und nach bisher vorliegenden Kasuistiken sowie einer Anwendungsbeobachtung scheint dies ebenfalls bei Mirtazapin zu gelten [17]. Auch für die mittlerweile zugelassene, ebenfalls gemischt serotonerg und noradrenerg wirkende Substanz Duloxetin liegen Studien vor [19].

Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) haben sich in den bisher vorliegenden Studien als nicht oder weniger wirksam erwiesen [9, 13, 20, 22, 34].

Antikonvulsiva, Antimanika und Phasenprophylaktika

Antikonvulsiva wirken „membranstabilisierend“ und reduzieren die Übererregbarkeit sowie die paroxysmalen elektrischen Entladungen peripherer und zentraler Neuronen. Im Einzelnen sind die Mechanismen der analgetischen Wirkung nicht vollständig geklärt. So entfaltet nicht jedes Antikonvulsivum eine analgetische Wirkung. Weiterhin ist zu bedenken, dass die Wirksamkeit nicht zwingend mit der Konzentration im Serum korreliert [16, 20].

Indikationen

Carbamazepin ist vor allem bei attackenförmig-neuropathischen Schmerzen (z. B. der Trigeminusneuralgie) Mittel der ersten Wahl [32]. Weitere Anwendung findet die Substanz beim attackenförmigen und neuropathischen Stumpfschmerz, der therapieresistenten postzosterischen Neuralgie sowie als Alternative bei einschießenden Phantomschmerzen, kontinuierlich neuropathischen Schmerzen, einschießendem zentralem Schmerz und bei der diabetischen Neuropathie.

Gabapentin zählt – neben Amitriptylin – mittlerweile ebenfalls zur Therapie der ersten Wahl bei kontinuierlich neuropathischem Schmerz [8], bei einschießendem zentralem Schmerz, bei schmerzhafter diabetischer Neuropathie, bei einschießenden Phantomschmerzen und bei therapieresistenter postzosterischer Neuralgie. Zum Einsatz kommt diese Substanz ferner bei der Trigeminusneuralgie, attackenartigem idiopathischem Gesichtsschmerz und als Alternative bei Allodynie im Rahmen des CRPS (Complex Regional Pain Syndrome) I und II.

Phenytoin ist vor allem ein Reservemedikament zur Behandlung neurogener Schmerzzustände, kann aber auch zur akuten Intervention bei neuropathischen Schmerzspitzen infundiert werden (15 mg/kg in 2 h).

Für Oxcarbazepin, Valproinsäure, Topiramat und Lamotrigin besteht derzeit in Deutschland keine Zulassung in der Schmerztherapie. Lamotrigin besitzt jedoch eine Wirksamkeit bei zentralen Schmerzsyndromen. Topiramat ist in der Migräneprophylaxe wirksam [3, 6] und wurde 2004 unter anderem durch die US Food and Drug Administration (FDA) in den USA für diese Indikation zugelassen. Auch zur Behandlung von peripheren neuropathischen Schmerzen liegen positive Studien vor [28]. Valproinsäure wird ebenfalls zur Migräneprophylaxe eingesetzt. Es gibt Berichte über eine Wirksamkeit von Gabapentin, Valproinsäure und Topiramat bei der Behandlung des Clusterkopfschmerzes.

Lithiumcarbonat kann als Alternative zur Prophylaxe des chronischen Clusterkopfschmerzes eingesetzt werden, wenn die Therapie der ersten Wahl mit Verapamil erfolglos bleibt. Daneben kann es zur Therapie des primären schlafgebundenen Kopfschmerzes (hypnic headache) zur Anwendung kommen [vgl. auch 4, 7, 14, 16, 20, 37].

Das im Jahr 2004 zur Behandlung von neuropathischen Schmerzen neu zugelassene Pregabalin zeigte in den vorliegenden Studien viel versprechende Ergebnisse [8, 29, 31].

Tabelle 2 gibt eine Übersicht über das aktuelle Zulassungsspektrum.

Tab. 2. Antikonvulsiva, Antimanika und Phasenprophylaktika in der Schmerztherapie. Klassifikation, Zulassungsspektrum und Dosierung (Stand 2004, AD = Anfangsdosis) [1, 7, 30, 37, Fachinformation Lyrica 2004]

Substanz

Handelsname

(Beispiel®)

Klassifikation

Zulassung

Dosierung

Carbamazepin

Tegretal

Antikonvulsivum, Antimanikum, Phasenprophylaktikum

Trigeminusneuralgie, genuine Glossopharyngeus-Neuralgie, diabetische Neuropathie, paroxysmale Parästhesien und Schmerzanfälle bei multipler Sklerose (nicht alle Handelspräparate)

400–1200 mg
AD: 2 x 100 mg

Gabapentin

Neurontin

Antikonvulsivum

Neuropathische Schmerzen, diabetische Neuropathie, postherpetische Neuropathie (nicht alle Handelspräparate)

300–2700 mg
AD: 3 x 100 mg

Lamotrigin

Lamictal

Antikonvulsivum, Phasenprophylaktikum

Keine Zulassung in der Schmerztherapie

100–200 mg
AD: 1 x 25 mg

Lithiumcarbonat

Quilonum

Lithiumsalz, Antimanikum, Phasenprophylaktikum

Behandlung von Clusterkopfschmerz

400–800 mg
AD: 1 x 400 mg

Phenytoin

Epanutin

Antikonvulsivum

Neurogene Schmerzzustände vom Typ des Tic douloureux, andere zentrale oder periphere neurogene Schmerzzustände
(nicht alle Handelspräparate)

100–600 mg
AD: 1 x 100 mg

Pregabalin

Lyrica

Antikonvulsivum

Periphere neuropathische Schmerzen

150–600 mg
AD: 1 x 150 mg

Topiramat

Topamax

Antikonvulsivum

Keine Zulassung in der Schmerztherapie

50–200 mg
AD: 1 x 25 mg

Valproinsäure

Convulex

Antikonvulsivum, Antimanikum, Phasenprophylaktikum

Keine Zulassung in der Schmerztherapie

600–1200 mg
AD: 3 x 150 mg

Neuroleptika

Ob Neuroleptika eine analgetische Wirkung besitzen und einen Analgetika-einsparenden Effekt haben, ist bis heute umstritten. Diese Annahme entstand im Rahmen der seit 1951 sich entwickelnden so genannten „Neuroleptanalgesie“, bei welcher ein Neuroleptikum mit einem Opioid-Analgetikum zur allgemeinen Anästhesie kombiniert wurde, um eine Sedierung, psychische Indifferenz und Analgesie zu erzielen [16, 23]. Die theoretische Basis eines möglichen analgetischen Effekts bildet die strukturelle Ähnlichkeit der Butyrophenonderivate mit Opioiden. Und tatsächlich bindet Haloperidol, und mit hoher Affinität Pimozid, kompetitiv in vitro an zerebrale Opioid-Rezeptoren [25]. Andererseits wird die therapeutische, das heißt die antipsychotische Wirkung der Neuroleptika über eine Blockade von Dopaminrezeptoren – insbesondere den D2-Rezeptoren – vermittelt, denen keine Beteiligung an der Aktivität des nozizeptiven Systems zugeschrieben wird.

In einer umfangreichen Metaanalyse zur Frage einer intrinsischen analgetischen Wirkung der Neuroleptika von 1998 erreichte keine der 48 einbezogenen Veröffentlichungen eine Level-I-Evidenz (prospektiv, randomisiert, doppelblind, große Studienpower sowie kleiner Alpha- und Beta-Fehler) [23]. Lediglich bei sechs Studien liegt eine Level-II-Evidenz (doppelblind, Cross-over-Design, niedrige Studienpower mit hohem Alpha- und Beta-Fehler) vor. Neun Studien weisen eine Level-III-Evidenz (nicht-randomisierte, konkurrente Kohortenstudie) auf. Von diesen 15 Studien beschreiben zehn eine mögliche analgetische Wirkung, wobei keine dieser Studien nachvollziehbar zwischen dem sedierenden und dem analgetischen Effekt unterscheiden kann.

Einzig für die parenterale Gabe der Substanz Levomepromazin (angloamerikanisch Methotrimeprazine, ein niederpotentes stark sedierendes Phenothiazinderivat) erweist sich die Datenlage hinsichtlich einer dosisabhängigen intrinsischen analgetischen Potenz, welche vergleichbar mit einer Opioid-Analgesie ist, als hinreichend [25]. Aufgrund der jedoch starken hypotensiven und sedierenden Effekte spielt das Medikament nur bei einzelnen stationären Patienten mit dosisbegrenzenden Opioid-bedingten Nebenwirkungen – insbesondere bei zusätzlicher Übelkeit, Erbrechen und Agitation – eine Rolle.

Trotzdem haben diese Substanzen ein vielfältiges Wirkungsspektrum, wodurch ihnen eine bedeutende Rolle in der Schmerztherapie zukommt (Tab. 3). Zum einen wirken Neuroleptika antiemetisch durch die Blockade der Dopaminrezeptoren in der chemorezeptiven emetischen Triggerzone der Area postrema und können so ein Opioid-induziertes Erbrechen verhindern. Durch die anxiolytische und hypnotische Wirkung kann zum anderen die Erwartungsangst gedämpft, Schlaflosigkeit gebessert und so die Schmerzperzeption moduliert werden [16].

Tab. 3. Neuroleptika in der Schmerztherapie. Klassifikation, Zulassungsspektrum und Dosierung (Stand 2004, AD = Anfangsdosis) [1, 7, 30, 37]

Substanz

Handelsname

(Beispiel®)

Klassifikation

Zulassung

Dosierung

Chlorpromazin

Propaphenin

Phenothiazin, trizyklisches Antipsychotikum, niederpotent, stark sedierend

Zusatzbehandlung bei schweren Schmerzzuständen, Erbrechen

75–150 mg
AD: 1 x 25 mg

Chlorprothixen

Truxal

Thioxanthen, trizyklisches Antipsychotikum, niederpotent, stark sedierend

Keine Zulassung in der Schmerztherapie

30–75 mg
AD: 2 x 15 mg

Flupentixol

Fluanxol

Thioxanthen, trizyklisches Antipsychotikum, hochpotent, gering sedierend

Keine Zulassung in der Schmerztherapie

0,5–2 mg
AD: 1 x 0,5 mg

Fluphenazin

Dapotum

Phenothiazin, trizyklisches Antipsychotikum, hochpotent, gering sedierend

Keine Zulassung in der Schmerztherapie

0,5–8 mg
AD: 2 x 0,5 mg

Haloperidol

Haldol

Butyrophenon, Antipsychotikum, hochpotent,
gering sedierend

Kombinationstherapie bei der Behandlung chronischer oder schwerer Schmerzen, Erbrechen (nicht alle Handelspräparate)

1–5 mg
AD: 2 x 0,5 mg

Levomepromazin

Neurocil

Phenothiazin, trizyklisches Antipsychotikum, niederpotent, stark sedierend

Kombinationstherapie chronischer und/oder schwerer Schmerzen

30–300 mg
AD: 3 x 10 mg

Perphenazin

Decentan

Phenothiazin, trizyklisches Antipsychotikum, hochpotent, mäßig sedierend

Erbrechen, wenn andere Maßnahmen erfolglos waren

4–12 mg
AD: 1 x 4 mg

Pimozid

Orap

Diphenylbutylpiperidin, Antipsychotikum, hochpotent,
gering sedierend

Keine Zulassung in der Schmerztherapie

1–4 mg
AD: 1 x 1 mg

Promazin

Protactyl

Phenothiazin, trizyklisches Antipsychotikum, niederpotent, stark sedierend

Schmerzzustände (Einsparung von Schmerzmitteln), Erbrechen

75–150 mg
AD: 1 x 25 mg

Die Dosierung der Medikamente ist abhängig von der zu erzielenden Wirkung. So sind zur Behandlung des Opioid-induzierten Erbrechens niedrige Dosierungen Haloperidol (z. B. 1,5 bis 3 mg) ausreichend [16]. Triflupromazin (Psyquil®, ein Phenothiazin, das als trizyklisches Antipsychotikum niederpotent und mäßig sedierend ist) wird in der Fachliteratur noch aufgeführt und fand in dieser Indikation breite Anwendung, wurde jedoch vom Hersteller wegen fehlender neuer Daten zur Wirksamkeit und Sicherheit ab Mitte des Jahres 2003 aus dem Handel genommen.

Bei noch unzureichender und eingeschränkter Studienlage scheinen jedoch auch einige der neueren atypischen Neuroleptika antinozizeptive Wirkungen zu haben [11]. So liegen für Olanzapin Berichte über eine Reduktion von Schmerzintensität und Opioid-Verbrauch sowie einer Verbesserung der Kognition und Angst bei gleichzeitiger Appetitsteigerung bei Malignom-Patienten vor [21]. Hier sind zunächst weitere Studien notwendig.

Anxiolytika und Sedativa

Diese Substanzgruppe besitzt keine eigenständige analgetische Wirkung, auch wenn einige Berichte über eine Analgesie bei rückenmarksnaher Applikation von Benzodiazepinderivaten vorliegen [16]. Über eine Bindung an GABAA-Rezeptoren verstärken Benzodiazepine jedoch die Wirkung des inhibitorischen Transmitters Gamma-Aminobuttersäure (GABA) und bewirken dadurch eine Reduktion des abnorm gesteigerten, über Motoneuronen vermittelten Muskeltonus. Daneben wirken sie angst- und spannungslösend und nehmen damit wie Neuroleptika modulierend Einfluss auf die Schmerzperzeption [16].

Indikationen

Als alleiniger Vertreter dieser Gruppe wird Diazepam in der Schmerztherapie eingesetzt (Tab. 4). Hauptindikation sind schmerzhafte Muskelverspannungen und Muskelspasmen sowie Angst- und Spannungszustände. Auch im Rahmen akuter Schmerzsyndrome, wie dem Ischämieschmerz bei akutem Koronarsyndrom (ACS) oder dem akuten immobilisierenden Rückenschmerz, kommt diese Substanz als Begleitmedikation meist intravenös und kurzfristig zum Einsatz. Bei chronischen Schmerzsyndromen sollte die Substanz aufgrund des hohen Abhängigkeitspotenzials nicht längerfristig eingesetzt werden [1, 16, 37].

Tab. 4. Anxiolytika und Sedativa in der Schmerztherapie. Klassifikation, Zulassungsspektrum und Dosierung (Stand 2004, AD = Anfangsdosis) [7, 30, 37]

Substanz

Handelsname

(Beispiel®)

Klassifikation

Zulassung

Dosierung

Diazepam

Valium

Langwirksames
Benzodiazepin,
Anxiolytikum

Schmerzzustände mit erhöhtem
Muskeltonus, Muskelverspannungen (alle Handelspräparate)

5–20 mg
AD: 1 x 5 mg

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Priv.-Doz. Dr. Hans-Jörg Assion, Dr. Michael Sarholz, Westfälisches Zentrum Bochum, Ruhr Universität, Alexandrinenstraße 1, 44791 Bochum, E-Mail: hans-joerg.assion@wkp-lwl.org

Psychotropic drugs in pain management

Anticonvulsants, neuroleptics, benzodiazepines and especially antidepressants are not only used in psychiatric pharmacotherapy, but also in the treatment of chronic pain syndromes. Though first line option for several indications, they are still less administered in daily practice. While there is compelling evidence for the analgesic effect of antidepressants, the role of neuroleptics is further on subject of controversy. The present article reviews the current level of research on the analgesic effect, the indications, the dose recommendations and the status of approval of the different substance classes in pain management.

Keywords: Pain, antidepressants, anticonvulsants, neuroleptics, benzodiazepines

Psychopharmakotherapie 2005; 12(03)