Kopfschmerztherapie

Mirtazapin bei chronischen Spannungskopfschmerzen


Prof. Dr. med. H. C. Diener, Essen

In einer kleinen randomisierten, Plazebo-kontrollierten Studie zeigte sich die Überlegenheit von Mirtazapin gegenüber Plazebo bei der prophylaktischen Behandlung chronischer Spannungskopfschmerzen.

Spannungskopfschmerzen gehen mit holokraniellen, dumpf-drückenden Kopfschmerzen ohne vegetative Begleiterscheinungen einher. Etwa 3 % der Bevölkerung leiden an chronischen Spannungskopfschmerzen (> 15 Tage/Monat). Die einzige medikamentöse Behandlung chronischer Spannungskopfschmerzen, die in Studien validiert ist, ist die Behandlung mit trizyklischen Antidepressiva, bevorzugt mit Amitriptylin (z.B. Saroten®). Der therapeutische Effekt ist allerdings marginal. Viele Patienten setzten die Behandlung wegen Nebenwirkungen wieder ab. Amitriptylin hemmt sowohl die Wiederaufnahme von Serotonin wie von Noradrenalin. Interessant ist die Beobachtung, dass reine Serotonin-Wiederaufnahmehmmer bei der Behandlung des chronischen Spannungskopfschmerzes wie bei anderen chronischen Schmerzen nicht wirksam sind. Mirtazapin (z.B. Remergil®) hemmt Alpha-2-Adrenorezeptoren auf noradrenergen und serotonergen präsynaptischen Neuronen und verbessert damit die serotonerge und noradrenerge Neurotransmission. Im Vergleich zu klassischen Antidepressiva ist die Substanz auch besser verträglich.

Die dänischen Autoren führten eine Plazebo-kontrollierte, randomisierte, doppelblinde Cross-over-Studie an 24 Patienten mit chronischem Kopfschmerz durch, die nicht depressiv waren. Alle Patienten hatten zuvor erfolglos andere medikamentöse Maßnahmen versucht. Einschlusskriterien waren Alter zwischen 18 und 65 Jahren, Ausschluss einer Depression oder einer Migräne und chronische Spannungskopfschmerzen an mehr als 15 Tagen im Monat. Nach einer Run-in-Phase von vier Wochen wurden die Patienten für acht Wochen mit 15 oder 30 mg/Tag Mirtazapin oder Plazebo behandelt. Nach einer Auswaschphase von vier Wochen erfolgte dann eine weitere achtwöchige Behandlungsphase.

Zielkriterium war die Area under the curve (AUC) als Dauer x Intensität der Kopfschmerzen sowie die Häufigkeit der Kopfschmerzen, die Dauer der Kopfschmerzen und die Intensität der Kopfschmerzen. 22 Patienten beendeten die Studie.

Mirtazapin führte zu einer signifikanten Reduktion der Area under the Headache Curve im Vergleich zu Plazebo, und zwar von 1275 auf 843 Einheiten. Mirtazapin führte auch zu einer signifikanten Reduktion der Kopfschmerzhäufigkeit, der Kopfschmerzdauer und der Kopfschmerzintensität. In Zahlen ausgedrückt war das Produkt aus Dauer und Intensität der Kopfschmerzen unter Verum-Therapie um 38 % geringer als mit Plazebo. Der Behandlungsunterschied wurde allerdings erst in den Wochen 5 bis 8 nach Behandlungsbeginn signifikant. Zu diesem Zeitpunkt nahm der Plazebo-Effekt ab.

Die Behandlung wurde gut vertragen. Typische Nebenwirkungen waren Benommenheit, unsystematischer Schwindel und Gewichtszunahme. Zwei Patienten brachen die Behandlung wegen Nebenwirkungen unter Verum ab.

Diese kleine Studie aus Dänemark legt nahe, dass nicht nur Amitriptylin, sondern auch das moderne Antidepressivum Mirtazapin bei der Behandlung chronischer Spannungskopfschmerzen wirksam sein könnte. Der Referent kann allerdings die Aussage der Autoren, dass diese Substanz von Patienten mit chronischen Spannungskopfschmerzen gut vertragen wird, nicht ganz teilen, da in unseren Händen mehr als 10 % der Patienten die Behandlung wegen Nebenwirkungen abbrechen. Dieses neue Therapieprinzip ist aber zumindest eine Option bei Patienten, bei denen Amitriptylin nicht ausreichend wirksam war. In absoluten Zahlen ist, wie beim chronischen Spannungskopfschmerz üblich, der therapeutische Effekt relativ gering. Daher sollten alle Patienten zusätzlich eine Verhaltenstherapie erhalten.

Quelle

Bendtsen L, Jensen R. Mirtazapine is effective in the prophylactic treatment of chronic tension-type headache. Neurology 2004;62:1706-11.

Psychopharmakotherapie 2005; 12(01)